Physik – Fachbereichsarbeit

1. Vorwort
Als vor einigen Jahren der amerikanische Nobelpreisträger RICHARD FEYNMAN bei einem Interview gefragt wurde, was für ihn die bedeutenste Erkenntnis der Naturwissenschaften im 20.Jahrhundert sei, antwortete er: „Materie ist aus Atomen aufgebaut.“ (8)

Heute ist allgemein bekannt, daß alle Stoffe aus diesen winzigen Teilchen, den sogenannten Atomen, wie sie DEMOKRIT schon vor ca.2000 Jahren bezeichnet hatte, aufgebaut sind. Wir wissen einiges über Atombomben und Atomenergie, weniger bekannt ist, welche Physiker die künstliche Radioaktivität entdeckt haben. Warum wird das Thomson-Atommodell auch „Rosinenkuchen“ bezeichnet? Wie kam Albert Einstein auf die Formel E=mc2, und was diese überhaupt bedeutet?
In meiner Fachbereichsarbeit möchte ich diese und noch viele andere Fragen beantworten. Zusätzlich habe ich mir vorgenommen, all jenen, die sich für Physik wenig interessieren, weil sie der Ansicht sind, daß Physik nur ein Unterrichtsfach für einseitig interessierte, mathematisch begabte Denker ist, zu beweisen, daß auch Physik sehr interessant und spannend sein kann. Meiner Meinung nach ist speziell die Atomphysik eine faszinierende Wissenschaft, die große Auswirkungen auf unser tägliches Leben hat.

In den folgenden Kapiteln möchte ich die Theorien und Versuche, die zur Entdeckung und Erforschung der Atome führten, auf einfache Weise erklären, wobei es mir nicht darum geht, den Leser mit komplizierten, seitenlangen Formeln zu verwirren, sondern einen „Überblick“ über die Geschichte der Entdeckung des Atoms zu geben.

Außerdem will ich mit meiner Arbeit versuchen, dem Leser nicht nur die Theorien, sondern auch die Persönlichkeiten einiger der bedeutensten Physiker des 20. Jahrhunderts vorzustellen.

Es war nicht immer einfach, die Ereignisse zeitlich voneinander abzugrenzen, denn gelegentlich kam es zu „Überschneidungen“ der wissenschaftlichen Entdeckungen. Dennoch hoffe ich, daß der Leser dem „physikalischen Geschehen“ ohne große Probleme folgen kann, und daß ihn das Thema Atomphysik genauso fesselt wie mich.


2 Der Weg zum Atom
Bereits in der Antike behaupteten die zwei Philosophen DEMOKRIT (um 460 – 371 v.Chr.) und LEUKIPP (5.Jhdt v.Chr.), daß die Materie körnige Struktur besitzt, das heißt, daß sie aus Atomen aufgebaut wird.

Eine kleine Gruppe von Männern beschäftigte sich im antiken Griechenland mit den Fragen: Woraus ist die Materie aufgebaut? Wie groß ist das Weltall? Woraus ist die Welt aufgebaut, die uns umgibt?
Auf diese Fragen gab es mehrere Antworten. Viele griechische Naturphilosophen glaubten, daß hinter den wechselnden Phänomenen unserer irdischen Welt ein gemeinsamer Urstoff, sei es Wasser oder Luft, stehe. Andere wiederum versuchten, das irdische Treiben auf die Bewegung unvergänglicher Atome im leeren Raum zurückzuführen.
„Nur scheinbar hat ein Ding eine Farbe, nur scheinbar ist es süß oder bitter. In Wirklichkeit gibt es nur Atome und den leeren Raum“ formulierte Demokrit die „zentrale Lehre“ der Atomisten.

DEMOKRIT glaubte, daß die Atome so klein seien, daß sie niemand sehen kann, weiteres schrieb er den Atomen eine Vielfalt von Formen, Gestalten und Größen zu.

Er stellte sich vor, daß die einen hakenartige Bogen sind, andere muldenartig eingebuchtet, oder nach außen gewölbt sind.

Demokrit und auch sein Vorgänger LEUKIPP behaupteten, daß alle Körper aus Atomen aufgebaut sind, und sich alle Veränderungen, die wir in unserer Umwelt beobachten, durch die Bewegung der Atome erklären lassen.
Die Hypothese vom atomaren Aufbau der Materie setzte sich aber nicht durch, weil sie im krassen Gegensatz zum großartigen System Aristoteles stand, denn ARISTOTELES war der Ansicht, daß im leeren Raum keinerlei Bewegung möglich ist. Somit war die „ewige Bewegung der Atome im leeren Raum“ unmöglich und absurd. Aber auch andere Ansichten der Atomisten, die vielfältigen Formen, ihre Ausbuchtungen, die vielfältigen Häckchen und Ösen, mit denen sie zusammengehalten werden sollten, widersprachen der Lehre Aristoteles.

In der christlichen Scholastik beschäfttigte man sich vor allem mit der antiken Naturphilosophie, und die Ernennung ARISTOTELES, unter dem Einfluß des heiligen THOMAS VON AQUIN, zum Philosophen schlechthin, dessen Widerlegung die Kirche nicht erlauben konnte, bedeutete die Niederlage der Atomisten. Die Ansicht vom atomaren Aufbau der Materie war gottlos und heidnisch, weil die Atomisten ein gottloses, mechanisches Universum lehrten, wenn sie behaupteten, „daß sich die Atome im leeren Raum so bewegen, wie es der Zufall gerade will, und von selber infolge eines jeder Ordnung baren Antriebes miteinander zusammenstoßen.“

Erst im Laufe des 17. Jhdt. wurde die Diskussion um die Atome neu entfacht, doch zunächst mußten die Atome in den „göttlichen Plan“ aufgenommen werden. PIERRE GASSENDI (1592-1655) benützte dazu folgende Argumente:
„Im folgenden müssen wir die Ansicht aufgeben, Atome würden von Ewigkeit her ziellos umherirren, und es immer noch tun. Wir können zwar zugeben, daß Atome in Bewegung sind: Sie werden bewegt durch eine treibende Kraft, die ihnen Gott bei der Schöpfung mitgegeben hat und durch die er mitwirkt, indem er bei allen Dingen so handelt, daß sie erhalten bleiben. Mit einem Schlag korrigiert das eine Fehlauffassung. Die Bewegung der Materie ist vom Schöpfer festgelegt worden.“ (8)
Durch diesen „geschickten Feldzug“ PIERRE GASSENDIS durfte man sogar diskutieren, aus wie vielen Atomen sich ein Weihrauchkorn zusammensetzt, wie dies bei JOHANN CHRYSOSTOMUS MAGNIEN geschieht.
Im 19.Jhdt. haben Chemiker und andere moderne Naturwissenschaftler die Geduld verloren und gesagt, daß Atome in das Reich der Metaphysik gehören, und sie als kleiner, als alles Vorstellbare bezeichnet.

 
3 Die Chemie entdeckt das Atom
Feuer, Luft, Wasser und Erde waren laut ARISTOTELES die 4 Elemente, aus denen die irdische Welt aufgebaut ist. Verschiedene Mischungen dieser Elemente sollten die Fülle der Stoffe und den Reichtum der Chemikalien ergeben, die in unserer Welt existieren.

Schwerwiegende Einwände gegen die alte Elementlehre wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jhdt. laut, als zahlreich Experimente bestätigten, daß es verschiedene „Lüfte“ gibt. Mit der Entdeckung des Wasserstoffes, des Sauerstoffes und des Chlorgases – wie wir sie heute bezeichnen – begann die Reform des alten Systems.

Den Durchbruch schaffte ANTOINE LAVOISIER (1743-1794), der im Jahre 1789 eine neue Theorie der chemischen Elemente veröffentlichte. In seiner Theorie unterschied der französische Chemiker schon 23 verschiedene Elemente und diese Theorie zeigte auch, daß nicht nur 4 Elemente, sondern weit mehr Grundstoffe durch ihre Mischung die Vielfalt unserer Welt ausmachen. Außerdem erkannten die Chemiker bereits zu dieser Zeit, daß sich die neuen Grundstoffe, die einigen der heutigen chemischen Elementen entsprechen, sich in stets gleichen Mengenverhältnissen verbinden, und daß sich bei einer chem. Reaktion konstante Mengenverhältnisse ergeben, wenn man diese in Volumina ausdrückt.

Es gelang AMADEO AVOGADRO (1776-1856) zu zeigen, „daß bei Gasen die Reaktionspartner stets in besonders einfachen Volumenverhältnissen stehen. Bei der Bildung von Wasser reagiert beispielsweise stets ein Volumen Sauerstoff mit dem doppelten Volumen Wasserstoff. Er vermutete, daß ein gegebenes Volumen eines Gases (bei konstanter Temperatur und konstantem Druck) stets die gleiche Anzahl von Atomen aufweist.“ (8)

Trotz dieser neuen Erkenntnisse gab es immer noch Chemiker, die nicht an die Existenz der Atome glaubten. So versuchte zum Beispiel Sir BENJAMIN COLLINS BRODIE (1817-1880), Professor der Chemie an der Universität Oxford, zu beweisen, daß die Atome in der Chemie gar nicht notwendig sind. Er empörte sich über die Molekülmodelle aus Draht und Kugeln, die um diese Zeit in der organischen Chemie entstanden, und er sah in ihnen ein „durch und durch materialistisches Tischlerprodukt.“

1887 hatte sich WILLHELM OSTWALD (1853-1932), als einer der ersten prominenten deutschen Chemiker, für den Antiatomismus ausgesprochen. Er war der Auffassung, alle wirklichen Phänomene ließen sich aus dem Wechselspiel der Energie und ohne Atome erklären. Erst in der Ausgabe seiner Allgemeinen Chemie hat er seine Theorie widerrufen, nachdem ihn J.J. Thomson und S.A. Arrhenius in seiner Überzeugung erschüttert hatten.

Doch erst 1860, nachdem die Anzahl der Moleküle in einem Mol gemessen worden waren, und sich die Vertreter der Atomlehre bei einem großen Kongreß der Chemiker in Karlsruhe durchgesetzt hatten, wurden die Atome zum unentbehrlichen Bestandteil der chemischen Lehre. Somit hatte die Chemie zu Beginn des 19.Jhdt. das Atom entdeckt, die Physik hingegen mußte ihren Weg erst suchen.

 
4. Die Physik des 19.Jahrhunderts
Obwohl die Chemie das Atom schon zu Beginn des 19. Jhdt. entdeckt hatte, mußte die Physik ihren Weg, der über die Wärmelehre führte, noch suchen.

FRANCIS BACON, Lord of Verulam (1561-1626) hatte bereits im 17. Jhdt. die ersten Anhaltspunkte gefunden, daß Wärme eine Form der Bewegung ist. Die antiken Atomisten hatten ja ebenfalls eine unaufhörliche Bewegung der Teilchen, der Atome, vermutet. Doch erst im Laufe des 19. Jhdt. konnten die Spekulationen von FRANCIS BACON, und seine unsystematischen Beobachtungen zu einer sinnvollen Theorie ausgedehnt werden.

Eine wichtige Theorie des 19. Jhdt., die die Existenz von Atomen voraussetzte, war die kinetische Gastheorie. Die ersten zaghaften Schritte in Richtung kinetische Gastheorie machten die deutschen Physiker 1856. In den folgenden Jahren wurde die kinetische Gastheorie rasch weiterentwickelt. In England bewies JAMES CLERK MAXWELL, daß nicht alle Moleküle eines Gases die gleiche Geschwindigkeit besitzen, und LUDWIG BOLTZMANN (1844-1906) schaffte es als erster, die Verteilung der Molekülgeschwindigkeit allgemein zu berechnen. So konnte die kinetische Gastheorie um 1870 viele wichtige Erfolge aufweisen, dennoch stand ein eindeutiger Beweis für die Existenz der Atome aus, weil die Theorie die Existenz von rasch bewegten Atomen als Hypothese annahm, und daraus die Eigenschaften der Gase herleitete.
Da niemand zeigen konnte, daß die Eigenschaften der Gase nur durch die Annahme von Atomen erklärt werden konnte, gab es zahlreiche Physiker, die die kinetische Gastheorie verfochten. Doch warum war der Krieg um das Atom noch immer nicht zu Ende gekämpft? Es hatten sich zahlreiche Widersprüche ergeben, die die gesamte atomare Weltordnung gefährdeten.
RUDOLF CLAUSIUS Theorie besagte, daß die Richtung aller Vorgänge der Wärmelehre mathematisch durch die Zunahme der Entropie[1] und physikalisch durch den Satz „Wärme kann stets nur vom heißeren Körper zum kühleren übergehen“ erklärbar ist. Das heißt also, daß die Vorgänge der Wärmelehre Beispiele für irreversible (nicht umkehrbare) Prozesse sind.

Die mechanische Bewegung der Atome mußte umkehrbar sein, doch aus dieser Annahme ergibt sich eine völlig widersinnige Welt, ja der ganze Weltablauf müßte sich umkehren lassen. Die Idee, daß das Weltgeschehen umkehrbar sein könnte, oder daß es eine ewige Wiederkehr zu dem gleichen Anfangszustand gibt, versetzte Physiker, Chemiker und Philosophen in Aufruhr. Umkehr und Wiederkehr waren prinzipielle Einwände gegen den Atomismus und natürlich auch gegen die kinetische Gastheorie.

Der Kampf um das Atom betraf bald nicht nur die Physik, den Umkehreinwand, den Wiederkehreinwand und andere fachliche Einwürfe der Kollegen, sondern jeder sprach über Atome, obwohl sie niemand gesehen hatte. Gehörten die Atome der reinen Spekulation an?

ERNST MACH, der in Mähren geboren war, in Wien studiert hatte und Professor für Mathematik in Graz wurde, hielt die Atome für metaphysischen Unsinn. Der ausgezeichnete Physiker Mach, der 1895 nach Wien zurückkehrte, erntete Anerkennung und Lob für seine Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Überschallströmungen. Für den Physiker und Philosophen Mach zählten nur meßbare Größen und Sinnesempfindungen, während die unmeßbaren und unsichtbaren Atome in das Reich der Dämonen, Engel, Feen und Hexen gehörten. Wurden Atome in Gegenwart Machs erwähnt, kam bald die höhnische Frage: „Habens‘ schon eins gesehen?“ Mach, der an der Universität lehrte, war der Hauptgegner LUDWIG BOLTZMANNS, der den Atomismus vertrat und ebenfalls an der Wiener Universität unterrichtete. Beide Parteien versuchten, für ihre Theorien Anhänger zu finden und zu einer Schlacht zu rüsten, deren Entscheidung schließlich auf der Lübecker Naturforscherversammlung am 17.9.1895 fiel.

Die Lübecker Versammlung beeinflußte das physikalische Geschehen weltweit und „Fortuna“ stand auf der Seite der Atomisten, doch der endgültige Durchbruch zur Anerkennung des Atoms sollte erst einige Jahre später gelingen.

Abb. 1: LUDWIG BOLTZMANN setzt sich besonders für die Atomistik ein. Physik, Politik, Philosophie und Theologie spielten eine entscheidende Rolle in der Frage um den Aufbau der Materie, die vor allem im letzten Drittel des 19. Jhdt. stattfand.

 
5. Neue Horizonte
Gegen Ende des 19. Jhdt. folgte ein wichtiges Ereignis dem anderen.

Im Jahre 1895 entdeckte WILHELM CONRAD RöNTGEN (1845-1923) in Würzburg unbekannte Strahlen. Aufgrund dieser Strahlen war es möglich Materie zu durchleuchten.

WILHELM CONRAD RöNTGEN, der Sohn einer Holländerin und eines Deutschen, studierte an der ETH und promovierte an der Universität Zürich. Anschließend kehrte er nach Deutschland zurück, wo er zunächst in Würzburg, später dann in Straßburg arbeitete.

Bevor RöNTGEN mit seiner Entdeckung über Nacht berühmt wurde, hatte er schon 48 Arbeiten, die heute praktisch vergessen sind, publiziert.

Am Abend des 8.11.1895, als RöNTGEN in einem absolut dunklen Raum die Kathodenstrahlen untersuchen wollte, wozu er die Hittorf-Crookesschen Röhre, die ganz in schwarzes Papier eingehüllt war, und ein Papier, das mit Bariumplatincyamid behandelt worden war und als fluoreszierender Schirm diente, verwendete, entdeckte er eine eigenartige Strahlung, die Dinge „durchsichtig“ erscheinen ließ.

Röntgens Behauptungen klangen unglaublich, doch die Handfotografien bildeten einen unantastbaren Beweis, den niemand ignorieren konnte.

Ein Jahr nach den X-Strahlen (=Röntgenstrahlen) wurden von HENRI ANTOINE BEQUEREL (1852-1908) in Paris ebenfalls neue Strahlen, die von Uranerzen stammten, und die nicht nur Materie, wie die X-Strahlen durchdringen konnten, sondern auch in der Lage waren, fotografische Platten zu schwärzen.

Als RÖNTGEN die X-Strahlen entdeckte, lehrte Henri, dessen Vater und Großvater bedeutende Physiker waren, am Museé d’Histoire Naturelle. Er war zu dieser Zeit bereits zum Professor der Physik an der Ecole Polytechnique ernannt worden und hatte schon einige Arbeiten über Phosphor- und Fluoreszenz geschrieben. BEQUEREL, der hinter das Phänomen der X-Strahlen kommen wollte, stellte Versuche an, bei denen er Uranylkaliumsulphat, das schon sein Vater untersucht hatte, verwendete. Bequerel war erfolgreich. Er entdeckte die Radioaktivität, doch Bequerels Entdeckung verursachte nicht die gleiche Aufregung wie die Sensation der X-Strahlen, viel mehr überließen die Zeitgenossen, die sich viel zu sehr für Röntgens Entdeckung und deren Untersuchung interessierten, „Bequerels Strahlen“ seinem Entdecker. 1896 stellte BEQUEREL fest, daß man mit der Uranstrahlung nicht nur fotografische Platten schwärzen, sondern auch Gase ionisieren und sie leitend machen kann.

Abb. 2: HENRI BECQUEREL (1852-1908)

Doch nicht nur RöNTGEN und BEQUEREL sorgten in dieser Zeit für Aufsehen, auch JOSEPH JOHN THOMSON (1856-1940) untersuchte, ein Jahr nach Bequerel, in England eine andere Art von Strahlung, die Kathodenstrahlung.

J. J. THOMSON war der Sohn einer Kaufmannsfamilie, die in Manchester lebte. Anstelle die Familientradition fortzuführen und ebenfalls Kaufmann zu werden, entschloß er sich, die wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Sein Studium beendete er als zweitbester, wie vor ihm schon Maxwell, bei dem er noch einige Vorlesungen hatte. Mit 28 Jahren bewarb er sich um den Professor-Posten am Cavendish-Laboratorium, den er zu seiner Überraschung auch bekam. J. J. THOMSON stattete das Labor neu aus, führte neue Lehrmethoden ein und war der Gründer einer höchst erfolgreichen Forschungsabteilung. In dieser Abteilung wurden sehr wichtige Entdeckungen gemacht: das Elektron, die Nebelkammer, erste Arbeiten über Radioaktivität und Isotope und natürlich viele, später sehr berühmte Schüler, wie RUTHERFORD, WILSON, G. P. THOMSON, arbeiteten in diesem Institut.

Im Jahre 1897 konnte THOMSON in einer Reihe sorgfältiger Versuche mit elektrischen und magnetischen Feldern beweisen, daß die Kathodenstrahlung aus Teilchen besteht, den „Elektronen“, die elektrisch geladen sind. Es gelang ihm auch durch verschiedene Messungen die Verhältnisse von Ladungen und Masse, sowie die Geschwindigkeit der Kathodenstrahlteilchen zu bestimmen.

Abb. 3: JOSEPH JOHN THOMSON (1856-1940)

Bei seinem Versuch erzeugte er mit einer Kathodenstrahlröhre und einem elektrischen (oder magnetischen) Feld eine seitliche Ablenkung, durch die er dann auf die Masse der Teilchen geschlossen hat. Außerdem schuf er das erste Atommodell. Bei seinem Modell, das auch „Rosinenkuchen“ genannt wird, sind die negativen Elektronen im positiven Atom eingebettet. Er glaubte, daß die Elektronen vom Mittelpunkt des Atoms sehr stark angezogen werden, daß sie sich aber gegenseitig abstoßen. Daraus schloß er nun, daß sich die Elektronen nur an ganz bestimmten Stellen des Atoms aufhalten können. Weiteres vermutete er, daß ein Elektron, oder sogar mehrere Elektronen am Rand des Atoms sitzen und somit leicht abgegeben oder aufgenommen werden können: aus dem Atom wird ein Ion.

Kurz nachdem Thomson das Elektron entdeckt hatte, stellte THOMSONS Freund und Partner RUTHERFORD, der ein sehr bedeutender Mann in der Physik war, in zahlreichen Forschungsarbeiten sehr wichtige Untersuchungen zur Radioaktivität an.

ERNEST RUTHERFORD, der Sohn einer schottischen Auswandererfamilie, wurde am 13. August 1871 in Neuseeland geboren. Die Familie, die sich aus Vater, Mutter und 12 Kindern, von denen aber drei in der Kindheit starben, zusammensetzte, war in dem subtropischen Klima, gleich den Pionieren, ganz auf sich gestellt. Bereits mit 10 Jahren las der junge RUTHERFORD die ersten Physikbücher, die ihn sehr faszinierten. Er besuchte dann das Canterbury College und widmete sich am Beginn seiner Karriere der Magnetisierung von Eisen. Mit 23 Jahren übersiedelte RUTHERFORD dann nach England, wo er als Forschungsstudent, unter den Fittichen des jungen J. J. THOMSON, anfangs seine Untersuchungen über den Magnetismus fortsetzte, doch nachdem RöNTGEN die X-Strahlen entdeckt hatte, wollte RUTHERFORD zusammen mit THOMSON diese neue Art von Strahlung „genauer unter die Lupe nehmen“.

Nachdem RUTHERFORD seine zeitaufwendigen Versuche beendet hatte, konnte er zwei verschiedene Strahlungsarten nachweisen, die von Uran emittiert werden, und er bezeichnete sie als Alpha- und Betastrahlen. RUTHERFORD und auch andere Physiker, die sich mit diesem Gebiet der Physik beschäftigten, kamen zum einstimmigen Entschluß, daß die Betastrahlen Kathodenstrahlen, also Elektronen sind.

In Frankreich wies P. V. VILLARD die Gamma-Strahlen, die den X-Strahlen sehr ähnelten, in der radioaktiven Strahlung nach.

Doch weder RUTHERFORD, noch die CURIES, noch VILLARD konnten das „Geheimnis der Alphastrahlen“ lüften.
RUTHERFORD hatte die Vermutung, daß die Alpha-Strahlen Teilchen sind, elektrisch geladene Atome, die mit einer sehr hohen Geschwinkigkeit ausgeschleudert werden, doch seine Vermutungen konnte er nicht beweisen. Bewiesen war nur, daß die Alpha-Strahlen ein Blatt Papier nicht durchdringen können, und daß sie von einem Magnetfeld leicht abgelenkt werden.

Obwohl RUTHERFORDS Karriere noch lange nicht zu Ende ist, und seine Erkenntnisse, in Bezug auf den Aufbau des Atoms, revolutionär und äußerst wichtig für die moderne Physik sind, möchte ich Rutherford für einige Kapitel verlassen, damit die historische Abfolge der Ereignisse nicht „durcheinandergerät.“

 
6 Planck und Einstein – Neue Wege der Physik
MAX PLANCK wurde am 23.4.1858 in Kiel geboren. Das „Geschlecht“ PLANCK setzte sich vor allem aus Juristen und protestantischen Geistlichen zusammen. Max‘ Eltern, die pflichtbewußt waren, vielleich auch eine gewisse charakterliche Steifheit besaßen, interessierten sich nicht nur für die geistige Ausbildung ihres Sohnes, sondern unterstützten auch seine musikalischen Fähigkeiten und sein großes Hobby, das Bergsteigen.

MAX PLANCK, der das Gymnasium in München besucht hatte, zog es vor, in Berlin Physik zu studieren, da er die Vorlesungen an der Münchner Universität für unbedeutend hielt. Nach Beendigung seines Studiums wurde PLANCK in Kiel, wo er sofort begann, die Strahlungsformel zu finden, angestellt. Am 14.Dezember 1900 stellte PLANCK sein Strahlungsgesetz der Deutschen Physikalischen Gesellschaft vor und begründete sein Gesetz, das in Übereinstimmung mit der Erfahrung stand.

PLANCK mußte, um seine Theorie begründen zu können, die Theorie BOLTZMANNS, mit der er ja anfangs gar nicht übereinstimmte, und die er für unvereinbar mit der Theorie der Wärmelehre hielt, anwenden. Die Strahlungsformel besagt, daß die Menge der Energie, die im Laufe des Strahlungsprozesses abgegeben wird, nicht gleichmäßig, sondern stoßweise, in „Energiepaketen“ anwächst. PLANCK bezeichnete die „Energiepakete“ als Quanten. Weiteres konnte er feststellen, daß die Quanten umso reicher an Energie sind, je höher die Frequenz einer Strahlung ist. Das heißt also, daß die Strahlenfrequenz in einem direkten, proportionalen Verhältnis zur Energie eines Quants steht. Und so würde es der Mathematiker formulieren:

E = h * f

E: Strahlungsenergie (in Joule)

h: Planksches Wirkungsquantum 6,62 10-34

f: Frequenz der Strahlung

Die Theorie von „Energiepaketen“ war einzigartig, etwas ganz Neues und erschien so manchem als technischer Trick. Daß diese jedoch keine Einbildung war, demonstrierte später sein langjähriger Freund Albert Einstein.

ALBERT EINSTEIN, der wahrscheinlich größte Physiker des 20. Jhdt., wurde am 14.März 1879 in Ulm geboren. Sein Vater, der Jude war, hatte in seinem Beruf als Ingenieur keinen großen Erfolg.

Seine Kinderjahre und auch die ersten Schuljahre verbrachte EINSTEIN in München, doch man könnte nicht sagen, daß er in der Schule besonders gut war, im Gegenteil, in der Oberschule kam es oft zu Streitigkeiten zwischen ihm und seinen Lehrern, weil er mit den Lernmethoden überhaupt nicht einverstanden war. Albert entschloß sich dann kurzfristig, ein „schulfreies“ Jahr in Italien zu verbringen, doch ohne Abitur konnte er nicht die Universität besuchen, denn sein Ziel war es ja, Physiker zu werden.

Er bewarb sich dann an der ETH in Zürich, doch diese Elitehochschule wies ihn ab, weil er weder das erforderliche Zeugnis besaß, noch die Aufnahmeprüfung bestanden hatte. So faßte er den Entschluß, seine Schulkarriere am Gymnasium in Aarau, in der Schweiz, zu beenden. Beim zweiten Anlauf schaffte Albert die Aufnahmeprüfung an der ETH, doch keiner seiner Professoren nahm ernsthaft Notiz von ihm. Nachdem er sein Studium beendet hatte und keine Anstellung fand, verdiente er sich sein Geld als Privatlehrer in Physik und schließlich landete er beim Bundespatentamt in Bern. Diese Anstellung war für ihn ideal, denn er hatte immer genügend Zeit, um nachzudenken.

In den Jahren 1901-1904 schrieb er vier Arbeiten, die sich mit der Thermodynamik und statistischer Mechanik beschäftigten, doch die drei wichtigsten Arbeiten, die ihn unsterblich machten, entstanden im Jahre 1905, in den „Annalen der Physik“:

Entdeckung der Lichtquanten

Theorie der Brownschen Bewegung

Spezielle Relativitätstheorie

Die Spezielle Relativitätstheorie ist meist die einzige Theorie EINSTEINS, die allgemein bekannt ist.

Obwohl die Relativitätstheorie eigentlich nichts mit dem Aufbau der Atome zu tun hat und sich auch nicht mit Atomen auseinandersetzt, sei sie nur kurz erwähnt, weil sie einerseits so populär ist, und weil sie andererseits auch etwas mit der Entwicklung der Atombombe zu tun hat- wobei ich dieses Kapitel erst weiter unten erwähnen möchte, zur Zeit Lise Meitners.

EINSTEINS Theorie beschäftigt sich mit dem Verhalten des Lichtes zu bewegten Körpern. Die Relativitätstheorie erklärt die Beziehungen, die zwischen Licht und Bewegungen bestehen. EINSTEIN setzt sich vor allem mit den Begriffen von Raum, Zeit und Gleichzeitigkeit auseinander und setzt für seine Theorie hohe Geschwindigkeiten – die Lichtgeschwindigkeit – voraus.

EINSTEIN war der erste Physiker, der die Abhängigkeit der physikalischen Aussage vom Standpunkt des Betrachters, klar beschrieben hat. EINSTEIN setzt für seine Theorie voraus, daß sich das Licht, egal ob man steht, oder sich bewegt, immer gleich ausbreitet und daß c eine universelle Konstante ist.
Er untersuchte die Konzepte von Raum und Zeit äußerst sorgfältig und logisch und erkannte zum Beispiel die Relativität der Gleichzeitigkeit: „Vorgänge an verschiedenen Orten, die einem Beobachter gleichzeitig erscheinen, erscheinen einem anderen, der sich in bezug auf den ersten bewegt, keineswegs gleichzeitig.“ (6)

Ein einfaches Beispiel, das diesen Satz erklärt: Wenn ich über das Deck eines riesigen Dampfers bei ruhiger See spaziere, dann merke ich gar nicht, daß sich das Schiff bewegt. Ich merke nur am Vorüberziehen der Landschaft, der Küsten, daß das Schiff in Bewegung ist.

Ein weiteres Beispiel für die Relativität der Gleichzeitigkeit ist das Zwillingsparadoxon: Ein Zwilling bewegt sich vom anderen gleichförmig geradlinig fort, während der andere stehenbleibt. Kehrt nun der Zwilling, der sich vom anderen fortbewegt hatte zurück, dann wird er merken, daß sein Bruder bzw. seine Schwester älter geworden ist als er. So paradox diese Theorie auch klingt, sie ist richtig und wurde u.a. durch die Hochenergiephysik nachgewiesen.

Aus der Relativitätstheorie ergeben sich nun viele wichtige Folgen: Nur die Lichtgeschwindigkeit c ist konstant, alle übrigen Größen, wie z.B Masse, Zeit und Länge sind veränderbar. Die Erhaltung der Masse kann nicht mehr als präzises Gesetz aufgefaßt werden, weil man Masse in Energie umwandeln kann. Somit gilt nun die Formel:

E = mc2

Diese neuen Ideen und Theorien bereiteten zahlreichen Physikern Verständnisprobleme, und sie konnten sich nur schwer mit EINSTEINS Ideen anfreunden. Und so sonderbar es auch heute klingen mag, Einstein bekam den Nobelpreis nicht für die heute so bekannte Relativitätstheorie, sondern für andere Theorien.

Viele Physiker halten aber nicht die Relativitätstheorie für Einsteins größte Leistung, sondern die Erkenntnis, daß Licht eine Welle und ein Teilchen zugleich ist. EINSTEIN störte die Vorstellung, daß Körper aus Atomen bestehen, daß Licht aber eine Welle sein sollte. Warum konnte nicht auch das Licht aus „Lichtatomen“ bestehen? EINSTEIN griff auf Planck zurück, der ja besagte, daß Wärme aufgrund der stoßweisen Abgage der Energiepakete (Quanten) entsteht, und er kam zum Entschluß, daß sich Licht so verhält, als ob es aus Energiequanten besteht.

Anfangs waren EINSTEINS Kollegen noch sehr skeptisch, und sie glaubten nicht daran, daß man Plancks Ideen so radikal deuten könnte, doch im Jahre 1921 hatte EINSTEIN endgültig gesiegt und bekam für seine Quantentheorie den Nobelpreis verliehen.

Doch nun noch kurz zu Einsteins dritter, bedeutender Arbeit, die ja ebenfalls 1905 entstanden ist. Schon 1827 hatte der schottische Botaniker ROBERT BROWN die Beobachtungen gemacht, daß sich Blütenstaubkörner oder andere kleine Teilchen, die in Wasser gelegt wurden, durch „Zittern“ bewegten. Einstein konnte nun klären, warum sich diese Teilchen bewegten: Der Grund für die Stöße sind die Flüssigkeitsmoleküle. Die Theorie der Brownschen Bewegung ist ein weiterer Hinweis für die Existenz von Atomen.

Wenden wir uns nun wieder der experimentellen Physik, konkret, ERNEST RUTHERFORD zu.

Abb. 4: ALBERT EINSTEIN (1879-1955)

 
7. Das Rutherfordsche – Bohrsche Atommodell
Im Jahre 1909 besuchte ERNEST MARSDEN, ein junger neuseeländischer Student, seinen berühmt gewordenen Kollegen RUTHERFORD. MARSDEN war aufgefallen, daß die Alphateilchen (das sind Teilchen, die beim radioaktiven Zerfall auftreten), anstelle geradeaus weiterzufliegen, manchmal, wenn man sie durch Materie schießt, abgelenkt werden und ihre Winkel stark ändern. Rutherford, der diese Beobachtung seines jungen Kollegen nicht ganz glauben konnte, ließ den Versuch, um ganz sicher zu gehen, wiederholen, doch er kam zum gleichen Ergebnis.

Warum wurden diese Teilchen abgelenkt? Zu dieser Zeit gab es mehrere Atommodelle, wie zum Beispiel das Thomsonsche Modell, das auch Rosinenkuchen-Modell genannt wird. Demnach sei das Atom eine Kugel, in der sich positive elektrische Ladungen diffus aufhalten, wobei dann die Elektronen wie Rosinen in einen Kuchen eingelagert sind. Dieses Atommodell konnte aber nicht richtig sein, denn nach diesem Modell konnten die Alpha-Teilchen nicht abgelenkt werden und ihre Bahn stark verändern.

Andere Naturwissenschaftler glaubten wiederum, daß ein Atom wie unser Planetensystem aufgebaut ist, doch diese Vermutungen waren rein spekulativ.

Abb. 5: Der Streuversuch von RUTHERFORD an der Goldfolie . Die positiv geladenen – Teilchen werden vom positiv geladenen Atomkern abgelenkt.

RUTHERFORD, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, die unbekannte Struktur der Atome zu erforschen, beschoß eine äußerst dünne Goldfolie mit Alpha-Teilchen. Da die Alpha-Teilchen viel schwerer sind als die Elektronen, vermutete Rutherford, daß die Elektronen nur leicht abgelenkt werden. Sein Versuch bewies aber das Gegenteil. Erst zwei Jahre später, im Jahre 1911, fand Rutherford eine Erklärung für dieses Phänomen. Er konnte sich die starke Ablenkung nur damit erklären, daß die positiven Ladungen nicht gleichmäßig im Kern verteilt sind, sondern in einem Atomkern konzentriert sind. Je näher die Teilchen nun dem Kern kommen, desto stärker werden sie abgelenkt. Die Entdeckung des Kerns änderte die Ansichten vom Aufbau der Atome.

Das Rutherfordsche Atommodell beruht darauf, daß die Elektronen viele hundert billionenmal pro Sekunde um den Kern kreisen, und durch den Ablenkungsradius der Alpha-Teilchen-Bahnen konnte man die Größe des Atoms bestimmen. Doch so einfach sollte die Lösung nicht sein:
Die Elektronen würden im Falle einer Kreisbahn um den Kern auf ihrer Bahn Lichtwellen aussenden, dadurch wäre der Energieverlust wiederum so groß, daß sie in einer Milliardstel Sekunde in den Kern stürzten.

Das Rutherfordsche Modell war also nicht ganz korrekt, doch Nils Bohr fand eine Lösung.
NIELS BOHR erblickte das Licht der Welt am 7. 10. 1885 in Kopenhagen. Niels Vater war ein bekannter Physiologe, Niels Mutter stammte aus einer reichen jüdischen Bankier-Familie. Sie legten großen Wert auf eine akademische und kulturelle Erziehung. Niels und sein Bruder Harald, die einerseits beide sehr erfolgreiche Sportler, andererseits aber auch „Genies“ in der Schule waren, wuchsen in der oberen Mittelschicht Dänemarks auf. Es war Niels Vater, der das Interesse an Physik bei seinem jüngeren Sprößling weckte, und so ist es nicht verwunderlich, daß Niels an der Universität in Kopenhagen Physik studierte. Er setzte sich vor allem mit Flüssigkeitsstrahlen und der Oberflächenspannung auseinander. In seiner Doktorarbeit behandelte er die Elektronentheorie der Metalle und ging kurz darauf in das Cavendish-Laboratorium, um dort bei J. J. THOMSON zu arbeiten.

Während seines Aufenthalts machte BOHR Bekanntschaft mit RUTHERFORD, der ihn dann 1911 nach Manchester einlud, um an einem Kurs, der sich mit radioaktiven Messungen beschäftigte, teilzunehmen. BOHR beschäftigte sich in RUTHERFORDS Labor zuerst mit dem Durchgang der Alpha-Teilchen durch Materie, und diesem Thema, das ihn so sehr interessierte blieb er bis an sein Lebensende treu.

Im Jahre 1913, im Alter von 27 Jahren, veröffentlichte BOHR sein quantentheoretisches Atommodell, das Auskunft über das Verhalten der Elektronen in der Atomhülle gab. Um sein Gesetz zu formulieren, griff er auf die Theorien der gequantelten Energie von Planck und Einstein zurück:
Abb. 6: Auf der „Energietreppe“ des Wasserstoffatoms werden die Quantensprünge, die das Elektron ausführen kann, deutlich gemacht. Pfeile nach unten () bedeuten ein Ausstrahlen, Pfeile nach oben () ein Absorbieren (Verschlucken) eines Lichtquants.

1. Die Elektronen kreisen so um den Atomkern, daß ihre Fliehkraft gleich groß ist wie die elektrostatische Anziehungskraft. Im Gegensatz zum Rutherfordschen Atommodell, bei dem sich die Elektronen auf beliebigen, kreisförmigen Bahnen bewegen, können sich die Elektronen beim Modell Bohrs nur auf ganz bestimmten Bahnen aufhalten, die er Quantenbahnen nennt.

2. Die Elektronen bewegen sich auf ihren Bahnen, ohne daß sie Energie verlieren.

3. Es ist möglich, daß die Elektronen von einer Quantenbahn auf eine andere springen, wobei sich dann die „Energiestufe“ des Atoms verändert. Springt ein Elektron auf eine Bahn, die weiter außen liegt, muß Energie aufgenommen werden. Das kann nur geschehen, wenn das Atom ein Lichtquant absorbiert. Springt das Elektron hingegen auf eine Bahn, die weiter innen, also dem Kern näher liegt, wird Energie in Form eines Lichtquants freigesetzt.

Wenn also das Atom Energie abgibt, bzw. absorbiert, dann geschieht das immer in Portionen von der Größe von E=h*f.

Somit hatte BOHR bei seinem Atommodell das Plancksche Wirkungsquantum eingebaut.

Betrachten wir nun BOHRS Theorie an einem einfachen Beispiel, dam Wasserstoffatom. Das H-Atom besitzt ein Proton im Kern, das von einem negativ geladenen Elektron umkreist wird. Diesem Elektron stehen nun durch die Quantenbedingungen zahlreiche Bahnen zur Verfügung, in denen es den Kern umkreisen kann. Die innerste Bahn, also das unterste Energieniveau des Atoms bezeichnet der Physiker als Grundzustand. Führt man nun von außen Energie zu, so kann das Elektron auf eine Bahn, die weiter außen liegt, springen. Dies nennt der Physiker Quantensprung des Elektrons. Auf dieser äußeren Bahn bleibt das Elektron nur für sehr kurze Zeit, genau gesagt für 1/108 Sekunden, dann springt es wieder auf eine innere Bahn, oder in den Grundzustand zurück. Die Energiepakete, die bei diesem Vorgang frei werden, werden als sichtbare oder unsichtbare Lichtquanten ausgestrahlt. So hatte BOHR
das RUTHERFORD-Modell erneuert, da dies Versuchsergebnisse notwendig gemacht hatten, und so erneuerten andere Physiker wiederum BOHRS Modell, weil ihre Experimente ganz neue Resultate mitsich brachten.

 
8. Eine französische Idee und ihre Weiterentwicklung
Der französische Prinz LOUIS DE BROGLIE, der 1892 geboren wurde und schon sehr früh seine Eltern verloren hatte, kam auf eine ganz neue Idee.

Ursprünglich widmete sich der junge DE BROGLIE dem Geschichtsstudium, doch bald interessierte ihn das Fach Physik viel mehr, da sein älterer Bruder, der nach dem Tod der Eltern die Vaterrolle übernommen hatte und selbst Physiker war, oft mit ihm über die Beschaffenheit des Lichtes, der Strahlung und der Quanten sprach.

Nach dem Ersten Weltkrieg entschloß er sich dann endgültig Physik zu studieren, wobei ihn die Doppelnatur des Lichts am meisten interessierte. Alle Experimente über Interferenz und Beugung hatten gezeigt, daß das Licht aus elektromagnetischen Wellen besteht, hingegen behauptete Einstein, daß auch das Licht aus „Lichtatomen“ aufgebaut ist. Für beide Theorien gab es hieb- und stichfeste Beweise. De Broglie stellte sich nun eine sehr wichtige Frage: Warum können nicht auch Körper, gleich dem Licht, aus Atomen bestehen, aber auch Welleneigenschaften aufweisen?

Durch diese Vermutung, die er leider nicht beweisen konnte, ergab sich nun, daß alle Materie, die Atome und auch die Elektronen nicht nur Teilchen, sondern auch Wellen sein könnten. Auf diese neuen Erkenntnisse gestützt, entwickelte er ein neues Atommodell, das BROGLIESCHE Wellenmodell.

DE BROGLIE behauptete nun, daß jedes bewegte Elektron eine bestimmte Wellenlänge besitzt, und somit wird die Bewegung der Elektronen um den Kern durch Wellen gesteuert. Daraus ergibt sich nun, daß jedes Elektron, das sich in einer kreis- oder ellipsenförmigen Bahn um den Kern bewegt, von einer stehenden Welle begleitet wird. Obwohl DE BROGLIE seine Theorie schon 1923 entwickelte, konnten erst zwei Amerikaner C. L. DAVISSON und L. G. GERMER, sowie unabhängig von den beiden GEORG P. THOMSON, der Sohn des legendären J. J. THOMSON im Jahre 1927 DE BROGLIES Theorie beweisen. DAVISSON und GERMER folgten dem Beispiel MAX VON LAUE, der Röntgenstrahlen durch Kristalle schickte und so nicht nur den atomaren Aufbau der Materie bewies, sondern auch erkannte, daß sich die Wellen wechselseitig überlagern und so der typische Interferenzstreifen entsteht, und sie schickten Elektronen durch Kristalle, wobei dann tatsächlich Interferenzstreifen entstanden. Somit war nun endgültig bewiesen, daß Materie zugleich Teilchen- und Wellennatur zeigte.

Doch nun kehren wir zurück in das Jahr 1925, denn der Österreicher ERWIN SCHRöDINGER entwickelte mit seiner „allgemeinen Wellenmechanik“ DE BROGLIES Theorie weiter und konstruierte ein neues Atommodell.

ERWIN SCHRöDINGER, der Sohn eines Wiener Wissenschaftlers und einer Engländerin, wurde 1887 geboren. Nachdem er Physik studiert hatte und aufgrund seiner Artikel über Wärmelehre, Relativitätstheorie und über die Bohrsche Theorie ziemlich bekannt geworden war, arbeitete er an der Universität Zürich, an der er im Jänner 1926 seine bedeutenste Theorie vollendete.

Er wollte eine neue physikalische Theorie formulieren, weil er sich, wie viele andere Physiker, nach einer einheitlichen Form der Weltbeschreibung sehnte. SCHRöDINGERS Theorie ist die mathematische Beschreibung von Elektronenwellen, die vor allem auf der Differentialgleichung basiert. Von Schrödingers Wellengleichung der Materie kann man alle Gleichungen der Schallwellen, elektromagnetischen Wellen usw. ableiten, weil sie der Schrödinger Gleichung sehr ähnlich sind.

Die Materiewelle besteht aus Wellenzügen, die sich einerseits verstärken andererseits auch abschwächen können. Diese Wellenzüge bilden ein sogenanntes Wellenpaket. Die einzelnen Wellen bilden sich ständig vor und hinter dem Elektron. Im Zwischengebiet verstärken sich die Wellen, sodaß stabile Strukturen entstehen, die über längere Zeit beibehalten werden. Dieses ziemlich stabile Gebilde bewegt sich nun genau mit der Geschwindigkeit des Elektrons.

Die Elektronenwellen, oder auch Psi-Wellen genannt, kann man sich wie Wellen vorstellen, die am Bug eines Bootes entstehen. Zwar können sich die einzelnen Wellen auf der Wasseroberfläche schneller oder langsamer als das Boot fortbewegen, dennoch bleibt das „ganze System“ ständig beim Boot. So kann uns vielleicht das Bild der Bugwellen helfen, die Materiewelle einigermaßen zu verstehen.

SCHRöDINGER behauptete, daß nur ganz bestimmte Schwingungsformen im Atom möglich sind, und jede dieser Schwingungsformen besitzt eine genau festgelegte Energie des Elektrons. Wenn ein Elektron von einer Schwingungsform in eine andere übertritt, dann wird entweder Energie frei, oder Energie benötigt.

Die Energie wird in „Energiepaketen“, in Form von elektromagnetischer Strahlung, aus dem Atom gesandt. Durch SCHRöDINGERS Theorie konnten auch die Gesetze von Bohr erklärt werden: Die Bahnen, auf denen sich laut Bohr die Elektronen aufhalten müssen, entsprechen den Eigenschwingungen der Elektronenwelle. Das „Bild“ des Atoms ist dadurch um einiges genauer geworden.


9 Pauli und Heisenberg – das Pauli Prinzip und die magischen Matrizen
WERNER HEISENBERG, der am 5. 12. 1901 in Würzburg geboren wurde, war der Sohn eines Universitätsprofessors für Griechisch. HEISENBERG, der in München Physik studierte, beschäftigte sich vor allem mit der Hydrodynamik und der Atomphysik. Wenn HEISENBERG einmal nicht arbeiten mußte, dann betrieb er leidenschaftlich gerne Sport. Er war ein ausgezeichneter Schiläufer und Bergsteiger. Während seines Studiums in München, lernte Heisenberg den gleichaltrigen WOLFGANG PAULI kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. PAULI, der Sport verabscheute und eher das Gegenteil von Heisenberg war, wurde aufgrund seines Artikels über die Relativitätstheorie schon im Alter von 21 Jahren sehr bewundert.

Eine seiner wichtigsten Entdeckungen ist sicher das sogenannte Pauli-Prinzip, das besagt, daß es in einem Atom nicht gleichzeitig zwei Elektronen mit gleichen Quantenzahlen geben kann, und daß sich in den kreis- bzw. ellipsenförmigen Quantenbahnen nie mehr als zwei Elektronen aufhalten können. Weiteres müssen die Elektronen entgegengesetzt kreiseln, d. h. , daß sie keinen gleichartigen Spin besitzen. Das Pauli-Prinzip, oder auch Ausschließungsprinzip genannt, lieferte die Erklärung über das Verhalten von Elektronen in Metallen, später spielte es auch in der Kernphysik eine entscheidende Rolle. Denn nicht nur ENRICO FERMI, sondern auch PAUL ADRIEN MAURICE DIRAC verarbeiteten das Pauli Prinzip in ihren Theorien.

Doch nicht nur PAULI beschäftigte sich mit den Elektronenbahnen im Atom, auch Heisenberg war daran interessiert.

Er versuchte eine Theorie zu formulieren, die nur auf beobachtbare Größen, wie zum Beispiel die Übergangswahrscheinlichkeiten für Quantensprünge aufgebaut ist und auf nicht beobachtbare Bahndarstellungen verzichtet. HEISENBERG rechnete nicht wie andere Phyysiker mit dem „Ort“ und der „Umlaufgeschwindigkeit“ des Elektrons in der Hülle, denn für ihn waren das „Scheinbegriffe“, die sinnlos sind. Das Ergebnis seiner neuen Quantenmechanik besaß eine außergewöhnliche mathematische Form, denn die physikalischen Größen wurden durch Zahlen ersetzt.

Das Geheimnis der komplizierten Zahlenanordnungen lüfteten MAX BORN und PASCUAL JORDAN, die erkannten, daß es sich dabei um Matrizen handelte. Matrizen sind komplexe Zahlen, die mit zwei Indizes versehen sind und in einem endlichen oder unendlichen Quadrat angeordnet sind. Sie werden ähnlich wie gewöhnliche Zahlen addiert und subtrahiert, nur für die Multiplikation gibt es eine spezielle Rechenregel.

Die Matrizen waren schon aus anderen Bereichen der Mathematik bekannt. Sie besaßen unzählige Reihen und Spalten und somit wurden nun klassische Größen, wie Ort oder der Impuls eines Teilchens durch sehr lange Zahlenkombinationen ersetzt. Der erste Physiker, der diese neue Mechanik erfolgreich anwendete, war der Wiener Wolfgang Pauli. Er konnte am Wasserstoffatom, dem einfachsten aller Atome, aufzeigen, daß die komplizierten Rechnungen mit den Beobachtungen übereinstimmen. Überlassen wir die mathematischen Operationen mit den Matrizen den Fachmännern und wenden wir uns dem zentralen Gedanken der neuen Quantenmechanik zu, der HEISENBERGSCHEN Unschärferelation.

Die HEISENBERGSCHE Unschärferelation liefert den Beweis, daß in der Tätigkeit eines Physikers gewaltige Einschränkungen existieren, die durch die experimentelle Apparatur entstehen. Will der Physiker zum Beispiel den Ort eines Elektrons bestimmen, so muß er das Elektron beleuchten und unter einem Mikroskop betrachten. Bei diesem Vorgang wird das Elektron von Lichtquanten getroffen und in seiner Bewegung, in seinem Impuls, gestört.

HEISENBERGS Theorie zeigt, daß der Impuls eines Teilchens umso ungenauer feststellbar wird, je genauer der Ort bestimmt wird und natürlich umgekehrt. Will man nämlich den Ort des Elektrons genau bestimmen, benötigt man sehr kurzwelliges Licht, das aus energiereichen Lichtquanten besteht und somit die Bewegung des Elektrons deutlich stört. Je genauer man den Ort mißt, desto mehr wird der Impuls gestört. Der Physiker kann also nur entweder Ort, oder Impuls des Elektrons genau bestimmen, wobei eine Genauigkeitsgrenze existiert, die die berühmte Unschärferelation ausdrückt. Nach HEISENBERG gibt es keine absolute Genauigkeit der Messung: Weil der Physiker durch seine Experimente in die Natur eingreift, wird diese gestört und es entsteht eine „Genauigkeitsbarriere“, die man nicht überschreiten kann, auch nicht mit den perfektesten Meßapparaturen.

Mathematisch ausgedrückt lautet seine Theorie folgendermaßen:

x * p h

x: Ort des Teilchens

p: Impuls des Teilchens

h: Planksche Wirkungsquantum

An dieser Formel kann man nun sehen, daß sich das HEISENBERGSCHE Prinzip umso stärker auswirkt, desto kleiner die Masse des Teilchens ist, das man beobachtet. Je schwerer ein Körper ist, desto größer ist sein „Beharrungsvermögen“ und desto kleiner ist die Unschärfe. Beim Elektron hingegen, das nur eine Masse von 1/1027 Gramm besitzt, hat die Unschärfe entscheidende Folgen:
+/- 1 Zentimeter kann sich die Position des Elektrons verändern, und um +/-1 Zentimeter pro Sekunde kann sich die Geschwindigkeit des Elektrons ändern. Somit ist es unmöglich ist, einem Elektron gleichzeitig einen genauen Ort und eine genaue Geschwindigkeit zuzuordnen.

 
10. Teilchen und Antiteilchen
Ein Jahr nachdem HEISENBERG seine berühmte Unschärferelation aufgestellt hatte, begründete der englische Physiker PAUL ADRIAN DIRAC eine merkwürdig klingende Theorie. Er versuchte nämlich die Quantenmechanik und die Relativitätstheorie miteinander zu verbinden. Weder HEISENBERGS noch SCHRöDINGERS Theorie stimmte mit den Prinzipien der Relativitätstheorie von Einstein überein. Ihre Theorien galten deshalb nur für Teilchen, die sich wesentlich langsamer als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Im Atom gibt es aber Teilchen, die z. B. aus dem Zerfall von Atomkernen stammen, oder die in Teilchenbeschleunigern erzeugt werden, bei denen die Relativitätstheorie eine große Rolle spielt.

Im Jahre 1928, nachdem GOUDSMITH und PAULI das Phämomen des Spins in ihren Arbeiten geklärt hatten, veröffentlichte DIRAC seine Wellengleichung des Elektrons. Seine Theorie erklärte den Spin bildhaft als Zitterbewegung eines punktförmigen Teichens um einen virtuellen Punkt.

DIRAC löste ein weiteres Rätsel: Er beobachtete, daß sich Teilchen auf wundersame Weise vermehren, aber auch verschwinden können, wenn sie in ein Gebiet mit starken Kraftfeldern gelangen.

DIRAC vermutete nun, daß es ein Teilchen gibt, das die gleiche Masse wie ein Elektron besitzt, doch dessen Ladung positiv ist. Er nannte das Teilchen, welches das Spiegelbild des Elektrons ist, Positron.

Wenn Elektronen in ein starkes Kraftfeld geraten, dann können sie, wenn sie mit Positronen zusammentreffen, vernichtet werden, wobei Masse und Energie „zerstrahlen“. Es ist aber genauso möglich, daß Paare von Elektronen und Positronen gleichsam aus dem Nichts entstehen, wenn die erforderliche Energie vom Kraftfeld geliefert wird. Der Physiker spricht von einer „Paarerzeugung“.

Dieser Entstehungsprozeß wird meistens durch Gammaquanten, die sehr energiereich sind, ausgelöst. Obwohl DIRAC mit seiner Annahme recht hatte, glaubte ihm anfangs niemand, da noch kein Mensch Positronen nachgewiesen hatte.

Nachdem aber CARL DAVID ANDERSON im Jahre 1932, den von DIRAC beschriebenen Prozeß experimentell in der kosmischen Strahlung nachgewiesen hatte, konnte niemand mehr an der Diracschen Theorie zweifeln.

Abb. 7: PAUL DIRAC (1902-1984)

 
11. Die Entdeckung des Neutrons
Im Gegensatz zu den X-Strahlen, die an einem Abend entdeckt wurden, zog sich die Entdeckung des Neutrons über zwei Jahre hin.

Schon RUTHERFORD glaubte, daß neutrale Teilchen, die die Masse eines Protons haben, existieren. Er stellte sich das Neutron wie ein Wasserstoffatom vor, bei dem das Elektron in den Kern gestürzt war und dessen Ladung somit neutral war.

WALTHER BOTHE und sein Student H. BECKER waren die ersten, die sich mit der Entdeckung des Neutrons beschäftigten. Sie beschossen Beryllium mit Polonium-Alphateilchen mit dem Ziel, die Theorie RUTHERFORDS zu bestätigen und herauszufinden, ob bei diesem Vorgang sehr energiereiche Strahlen emmitiert werden.

Die durchdringende Strahlung, die sie mit Hilfe von elektrischen Zählmethoden feststellen konnten, hielten sie für Gammastrahlen.

Die gleichen Versuche machten sie auch mit Litium und Bor, und sie kamen schlußendlich zum Ergebnis, daß die beobachtbaren Gammastrahlen mehr Energie ausstrahlten als die Alphateilchen, mit denen sie die Atome beschossen hatten. Es gab keinen Zweifel: Die Energie stammte aus der Kernspaltung.

Um 1931 rückten zwei neue bedeutende Wissenschaftler ins Rampenlicht: IRèNE CURIE und ihr Ehemann FRéDéRIC JOLIOT. Irène, die charakterlich ganz ihrer berühmten Mutter MARIE CURIE glich, arbeitete als Assistentin im Labor ihrer Mutter, wo sie dann auch FRéDéRIC JOLIOT, der außergewöhnliche technische Fähigkeiten besaß, kennenlernte.

Am 18.Jänner 1932 machten die JOLIOTS eine erstaunliche Beobachtung: Sie untersuchten Bothes neue Strahlung, indem sie eine unglaublich starke Poloniumprobe verwendeten.

Die neuen Strahlen waren imstande aus einer Paraffinschicht Protonen herauszuschlagen. Doch warum war es so unglaublich, daß BOTHES Gammastrahlen Protonen herausschlagen konnten? Die rückgestreuten Elektronen waren viel schwerer, dennoch wurden sie leicht zurückgeschleudert. Es war dann der Physiker JAMES CHADWICK (1891-1974), der den scheinbaren Widerspruch beseitigte.

In den zahlreichen Versuchen, die er machte, bestätigte er den JOLIOT-CURIESCHEN Kernschleuder-Effekt. Weiteres kam er zum Ergebnis, daß BOTHES Gammastrahlen ein Geschoßregen aus schnell bewegten Teilchen ist, die zwar die Masse eines Protons besitzen, elektrisch aber neutral geladen sind.

Somit war ein neues Elementarteilchen entdeckt: das Neutron.

 
12. Der siebte Solvay – Kongreß und seine Folgen
Anläßlich des siebten Solvay-Kongresses kamen die bedeutensten Physiker zusammen, um über das zentrale Thema der Physik, den Atomkern zu diskutieren. Die ältere Generation wurde von MARIE CURIE und ERNEST RUTHERFORD vertreten, die neue Physikergeneration von CHADWICK, IRèNE CURIE, BOTHE UND FERMI. Nicht alle Probleme konnten gelöst werden wie etwa das Rätsel des Betazerfalls.

Was ist ein Betazerfall? Es bedeutet die Abgabe von Elektronen aus instabilen (zerfallende) Kernen. Das Ehepaar JOLIOT-CURIE machte diese bedeutende Entdeckung:
Sie beschossen leichte Elemente wie Aluminium, Bor un Kalium mit Helionen (Alphateilchen) und beobachteten dabei, daß die Schicht, die mit Helionen bombadiert wurde auch dann noch Positronen abgab, als die Bestrahlung eingestellt wurde. Eine genaue Untersuchung lieferte das unbezweifelbare Ergebnis: Das Ehepaar JOLIOT-CURIE hatte die künstliche Radioaktivität entdeckt.

Das Ehepaar deutete ihre Versuchsergebnisse folgendermaßen: Indem das Neutron ein Elektron abgibt, kann es sich in ein Proton verwandeln und damit einen stabilen Kernzustand erreichen. Das gleiche funktioniert aber auch, wenn das Proton ein Positron abgibt und so zum Neutron wird. Natürlich wird bei solchen Prozessen Energie frei, aber eine Frage blieb im Raum stehen: Warum sind die Energiepakete bei gleichartigen Kernen nicht gleich groß? Warum besitzen die herausgeschleuderten Elektronen und Positronen sowohl sehr hohe als auch sehr niedrige Geschwindigkeiten und wohin geht die Energie, wenn es einen Unterschied zwischen dem Anfangs – und Endzustand der Energie gibt? Auf diese Fragen wußte das französische Ehepaar keine Antwort. Es war der italienische Physiker ENRICO FERMI, der den Betazerfall so zu deuten versuchte, daß der Satz von der Erhaltung der Energie, der besagt, daß Energie nicht neu entstehen oder verlorengehen kann, in jedem Falle erhalten bleibt.

ENRICO FERMI wurde am 29.September 1901, als Sohn eines Verwaltungsangestellten bei der Bahn und einer ehemaligen Lehrerin, geboren. Enrico wuchs in Rom auf und besuchte als ausgezeichneter Schüler die Oberschule. Schon bald zeigte sich sein großes Interesse für Mathematik und Physik. Nach der Matura beschloß FERMI, die Scuola Normale Superiore in Pisa zu besuchen, und natürlich war es für den ausgezeichneten Schüler kein Problem, die Aufnahmeprüfung zu bestehen.

Im Jahre 1922, nachdem er promoviert hatte, kehrte Fermi nach Rom zurück und baute mit FRANCO RASETTI, einem langjährigen Freund, ein Forschungsteam auf. Anfangs beschäftigten sie sich vor allem mit der optischen Spektroskopie und der Atomtheorie, doch bald erkannten die jungen Forscher, daß die Zukunft in der Kernphysik liegt, und sie änderten ihre Richtung.

Das Jahr 1933 war das große Jahr des ENRICO FERMI, denn es gelang ihm das Problem des Betazerfalls endgültig zu lösen. WOLFGANG PAULI und ENRICO FERMI erdachten sich ein hypothetisches Teilchen, dem sie den Namen Neutrino – kleines Neutron – gaben. Diese leichten neutralen Teilchen, die die Elektronen beim Betazerfall begleiteten, besitzen nur 1/1000 der Masse eines Elektrons, und können vom Beobachter gar nicht wahrgenommen werden. Dennoch sind die Neutrinos für die Erhaltung der Energie verantwortlich, weil sie die fehlende Energie auf eine nicht beobachtbare Weise abführen. FERMI hat aber nicht nur das
Neutrino postuliert, das übrigens erst am Beginn der 50-Jahre experimentell nachgewiesen wurde, er führte auch eine neue Naturkraft, die schwache Wechselwirkung, ein. Die schwache Wechselwirkung ist eine Naturkraft wie die Schwerkraft und die Elektrizität und für diese neue Kraft führte er die universelle Konstante g ein, die aus den Betazerfallsexperimenten bestimmt werden konnte. Kurz ausgedrückt: Die schwache Wechselwirkung ist dafür verantwortlich, daß ein Neutron in ein Proton und ein Elektron zerfallen kann.

Ein Jahr nachdem er das Problem des Betazerfalls gelöst hatte und die schwache Wechselwirkung eingeführt hatte, machte er im Jahre 1934 eine weitere, wichtige Entdeckung, die vor allem für die künstliche Radioaktivität entscheidend war.

Weil das Ehepaar JOLIOT bei ihren Pionierversuchen mit der künstlichen Radioaktivität Aluminium mit Alphateilchen beschossen hatten und dabei aber nur eine Atomspaltung erzielten, obwohl sie den Kern mit circa 1 Million Alphateilchen bombadierten, kam Fermi auf den Gedanken, den Kern mit Neutronen zu beschießen. Er glaubte nämlich, daß die Ausbeute des französischen Physikerehepaares so gering ausfiel, weil der Aluminiumkern die Alphateilchen elektrostatisch abstieß und so verhinderte, daß die Teilchen den Kern spalteten. Bei Neutronen hingegen, die ja bekanntlich keine elektrische Ladung besitzen, konnte dieses Problem nicht auftreten.

Fermi und seine Mitarbeiter begannen nun, alle Elemente, die sie auftreiben konnten, mit Neutronen zu beschießen, und das italienische Forscherteam war sehr erfolgreich. Sie entdeckten rund 40 neue radioaktive Substanzen und förderten mit dem erheblichen Materialzuwachs die Untersuchungen über die Kernenergie.

Durch Zufall entdeckten die italienischen Physiker im Herbst 1934, daß sich langsame Neutronen für Kernreaktionen viel besser eignen als schnelle. Schnelle Neutronen rasen aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit viel leichter am Kern vorbei, langsame Neutronen halten sich viel länger in Kernnähe auf und die Wahrscheinlichkeit, von den anziehenden Kräften eingefangen zu werden, ist daher bei langsamen Neutronen viel größer.

Diese Entdeckung war der Schlüssel zur Erforschung der Kernenergie.

Abb. 8: ENRICO FERMI (1901-1954)

 
13. Die japanische Idee
Für den japanischen Physiker HIDEKI YUKAWA war die Sache ganz einfach und klar: Es mußten Kräfte existieren, die Protonen und Neutronen zusammenhalten, denn wenn diese Kräfte nicht existierten, dann könnten die Teilchen auch keinen massiven Kern bilden.

Versuche zeigten, daß die Kernkräfte, die zwischen den Protonen und Neutronen existieren, eine äußerst geringe Reichweite besitzen, und sie sich deshalb von den elektrostatischen Kräften, die eine weitgreifendere Wirkung besitzen, grundsätzlich unterscheiden. Diese neuartigen Kernkräfte sind nur über eine Distanz von 1/1013 cm wirksam.

Außerdem konnten die Kräfte zwischen Protonen und Neutronen nicht elektrischer Natur sein, da sie zu stark waren. Um nun den Zusammenhalt zwischen Proton und Neutron zu erklären, erdachte sich HIDEKI YUKAWA ein neues Elementarteilchen, das Meson.

Das Meson bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit und jagt 5*1017 mal pro Sekunde zwischen Proton und Neutron hin und her.

YUKAWA führte dieses Teilchen aufgrund theoretischer Überlegungen im Jahre 1935 ein. Weiteres vermutete er, daß die Masse seines neuen Teilchens zwischen der Masse des Protons oder des Neutrons und der Masse eines Elektrons liegen müßte und somit erhielt das Teilchen den Namen Meson (griechisch mesos=zwischen). Das erste freie Meson wurde übrigens erst zwei Jahre,
nachdem YUKAWA es postuliert hatte, von einem Amerikaner namens CHARLES ANDERSON in der kosmischen Strahlung nachgewiesen. Es ist unmöglich, ein Meson zu beobachten oder zu messen, trotzdem können Mesonen mit Hilfe von Streuversuchen statistisch erfaßt werden. Der Atomkern ist von einem Mesonennebel umgeben, wobei die virtuellen Mesonen positiv oder negativ geladen, aber auch neutral sein können.

Wenden wir uns nun endgültig von diesem postulierten „Teilchenzoo“ ab und beschäftigen uns mit der Kernspaltung.

 
14. Die Kernspaltung
Zwei deutsche Chemiker, OTTO HAHN und sein Schüler FRITZ STRAßMANN, setzten im Jahre 1938 Versuche fort, die schon der Italiener ENRICO FERMI und das Ehepaar JOLIOT mit Uran Atomen gemacht hatten: Sie beschossen Uran-Atome mit Neutronen und erwarteten sich dabei die Bildung von Uran-Isotopen.

FERMI, der ja diesen Versuch auch schon gemacht hatte, behauptete fälschlicherweise, daß bei diesem Experiment Trans-Uranen entstehen, die eine höhere Ordnungszahl als das Uran haben und somit nicht natürlich vorkommen. Der neunundfünfzigjährige HAHN und sein Schüler STRAßMANN wiesen aber nach der Neutronenbestrahlung von Uran das Metall Barium, das die Kernladungszahl 56 besitzt, nach.

Es war eine österreichische Physikerin und langjährige Mitarbeiterin HAHNS, die gemeinsm mit ihrem Neffen, OTTO FRISCH, die unerwarteten Versuchsergebnisse richtig deutete. Leider konnte die Jüdin LISE MEITNER an den Untersuchungen Hahns nicht teilnehmen, da sie trotz aller Bemühungen HAHNS und anderer bekannter Wissenschaftler aus Österreich, das ja im Jahre 1938 zu existieren aufgehört hatte, fliehen mußte.

LISE MEITNER erkannte richtig, daß die in den Urankern eindringenden Neutronen, diesen in zwei ungefähr gleich große Teile spalten.

0n + 92U 56Ba + 36Kr

Es war den zwei deutschen Physikern gelungen, dem Kern nicht nur Protonen und Neutronen zu entreißen, sie hatten den Atomkern wirkungsvoll zertrümmert. Doch wie funktioniert nun dieser Vorgang? Versuchen wir den Prozeß am Scheinbild vom GAMOWSCHEN Kerntröpfchen zu erklären: Ein Neutron dringt zunächst in die „Kernflüssigkeit“ des Uran-238 Isotops ein, und es entsteht das Isotop Uran-239, das nun in einem angeregten Kernzustand ist.

Wenn diese Anregungsenergie groß genug ist, dann kann sich ein Kern in zwei Teile spalten: Zunächst beginnt das fast kugelförmige Tröpfchen zu schwingen. Das Tröpfchen, dessen Kugelgestalt sich mehr oder weniger verändert, wird schlußendlich zu einem abgeplatteten Ellipsoid. Es kommt zu einer Abschnürung, und der Kern spaltet sich. Dieses Tröpfchen – Modell schildert den Vorgang der Spaltung nur ganz grob, dennoch können wir uns nun ein anschaulicheres Bild der Kernspaltung machen.

Natürlich wiederholten die Physiker in der ganzen Welt die Versuche von HAHN und STRAßMANN, doch sie stießen auf Probleme, weil die Kernspaltung beim Uran 238 Isotop nur selten eintritt. Um ein Uran 238 Isotop zu spalten, müssen die Neutronen außergewöhnlich energierreich sein. Beschießt man ein Uran 238 Isotop mit normalen Neutronen, wird die Anregungsenergie ausgeglichen, indem ein anderes Neutron aus dem Kern geschleudert wird. Erfolgreicher verliefen die Versuche mit dem Uran 235 Isotop, das eine Lawine von Kernspaltungen auslösen kann. Bei diesem Vorgang werden gewaltige Mengen an Energie frei, und es eröffneten sich gigantische Perspektiven für die Energiewirtschaft, wenn die Reaktion unter Kontrolle und auf einen stationären Zustand gebracht werden kann. Es steht aber auch ein anderer Weg offen, der zur Atombombe. Der Prozeß der Kernreaktion wird voll wirksam, wenn dafür gesorgt ist, daß keine anderen Substanzen die freiwerdenden Neutronen verschlucken. Die Masse des 235-Uran-Isotops sollte so groß sein, daß die Neutronen nicht entweichen können, ohne auf einen Kern zu treffen. Diese Masse wird auch kritische Masse genannt, und beträgt bein Uran 235 rund 10 Kilogramm. Wenn die Zahl der zündenden Neutronen den Wert 1 übersteigt, dann kommt es zu einer gewaltigen Detonation und in einem Sekundenbruchteil wird eine ungeheure Energiemenge freigesetzt. Man spricht von einer „explosiven Kettenreaktion“:

Hiroshima, 6. August 1945

Abb. 9: Kettereaktion: Ein Neutron spaltet einen Atomkern. Die dabei freiwerdenden Neutronen spalten wiederum andere Kerne usw.

 
15. Die Atombombe
Der Gedanke, eine neue Energiequelle gefunden zu haben, bzw.die Möglichkeit, eine neue Bombe entwickeln zu können, ging verschiedenen Physikern durch den Kopf. Die einen versuchten, diesen Gedanken für sich zu behalten, andere wollten daraus Patente machen, wieder andere wollten die ganze Sache geheimhalten, da sie Angst vor den möglichen Folgen hatten.

Es war FERMI, der beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen, denn er wollte wissen, ob die Kettenreaktion nur ein Wunschtraum, oder eine ernstzunehmende Möglichkeit darstellte.

Er begann an der Columbia-Universität an seinem Projekt zu arbeiten, und es stellte sich bald heraus, daß die Herstellung von Kernwaffen, die eine unvorstellbare Sprengkraft besitzen, kein „Ding der Unmöglichkeit“, sondern viel mehr eine ernstzunehmende Möglichkeit war. Die ersten Physiker, die sich mit den Problemen der Atomenergie auseinandersetzten, waren die Ungarn LEO SZILARD, EUGENE WIGNER, EDWARD TELLER, der Österreicher V. WEISSKOPF und natürlich ENRICO FERMI.

Im August 1939 wurde ALBERT EINSTEIN von ungarischen Aktivisten, zu denen auch SZILARD gehörte, überredet, einen Brief an den Präsidenten Roosevelt zu unterschreiben, der den Präsidenten über die Situation und ihre Folgen unterrichtete. Ganz ähnlich ging FERMI bei den Vertretern der US-Navy vor, doch die zugesicherte Unterstützung des Regierungsapparats war nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Im Jahre 1940 identifizierten E. MCMILLLAN und P. ABELSON das erste Transuran, das sie Neptunium (239Np) nannten. Es war bereits klar, daß das Transuran in ein ziemlich langlebiges Isotop des Elements 94 zerfallen sollte. Im selben Jahr zerbrachen sich FERMI und EMILIO SEGRé die Köpfe, ob es eine Alternative zu 235U, das im natürlichen Uran im Verhältnis 1:137 – also sehr selten – vorkommt, gibt.

Denn wenn es ein künstliches Element gibt, das sich als Substitut für 235U eignet, dann mußte man genügend produzieren, um eine Bombe herstellen zu können. Das war keine Kleinigkeit, doch die Isotopentrennung war viel schwieriger und auch teurer. Schon nach wenigen Monaten, nachdem W. KENNEDY, G. T. SEABORG, A. C. WAHL und EMILIO SEGRé ein Mikrogramm 239Pu präpariert hatten, war der Nachweis geliefert, daß dieses Element als Kernbrennstoff verwendet werden konnte.
Nun konnte man eine Atombombe durch Trennung der Uranisotope oder durch Plutonium, das in Kernreaktoren hergestellt und anschließend von der chemischen Industrie separiert und gereinigt wird, herstellen. Wenn also genügend 235U oder 239Pu vorhanden ist, gilt es noch, die Bombe selbst zu bauen.

Mittlerweile war auch der Staat an diesem Projekt interessiert.

Es war der Physiker ROBERT OPPENHEIMER, der beauftragt wurde, die Bombe in einem speziell dafür eingerichteten Labor zu bauen.

ROBERT OPPENHEIMER wurde als Sohn einer jüdischen Familie, die aber deutsche Abstammung besaß, in New York geboren. Die Familie, die bald erkannte, daß Robert sehr begabt war, förderte ihn, indem sie ihn auf die besten Schulen, mit den besten Lehrern schickte.

OPPENHEIMER studierte nicht nur Naturwissenschaften, sondern auch Philosophie, Sprachen und Kunst. Nachdem er sein Physikstudium an der Harvard Universität absolviert hatte, ging er nach Europa, wo er am Cavendish-Laboratorium arbeitete und viele neue Kollegen kennenlernte. Er kehrte nach Amerika zurück und gründete zwei erstklassige Schulen für theoretische Physik. Obwohl dieser Mann so intelligent und gebildet war, verhielt er sich als junger Mann in Sachen Politik naiv. Er war ein Anhänger des Kommunismus – eine riskante Sache in den USA.

Es stellt sich bald heraus, daß OPPENHEIMER zwar ein eher weltfremder, geistesabwesender, theoretischer Physiker, aber dafür ein ausgezeichneter Labordirektor war, da er mit den verschiedensten Menschentypen zurechtkam. Das Laboratorium, das OPPENHEIMER leitete, wurde in Los Alamos errichtet, im Hochland von Neumexico, denn dieser Ort mußte gut geschützt und weit abgelegen sein. Das Laboratorium wurde im Eiltempo gebaut, in dem bald darauf die weltbekanntesten Physiker an der Atombombe arbeiteten. Anfangs lief der Bau der Atombombe unter dem Geheimcode „Manhatten Engineering District“, später nannte man das geheime Vorhaben „Projekt X“, dessen militärischer Befehlshaber General LESLIE GROVES war. Ursprünglich sollte die erste Bombe in Deutschland abgeworfen werden, doch da der Krieg in Europa schon zu Ende war, bevor das Los-Alamos-Team eine funktionstüchtige Bombe hergestellt hatte, fand die erst atomare Testexplosion am 16. Juli 1945 in der Wüste von New Mexiko statt. Kurz nach der ersten Testexplosion, bei Tagesanbruch des 6. August 1945, flogen sieben Bomber – 3 Wetter- und Aufklärungsflugzeuge, 2 Beobachtungsflugzeuge, eine Reservemaschine und die „Enola Gay“ mit der Atombombe in Richtung Hiroshima. Um 8.15 Ortszeit wurde die Bombe in einer Höhe von etwa 10.000 Meter abgeworfen und explodierte 580 Meter über dem Stadtzentrum. Der Himmel verschwand hinter dem gleißenden Licht eines Feuerballs. Tosendes Brausen begleitete die Druckwelle, die sich ausbreitete und Sekunden später erhob sich eine Rauchwolke, gleich einem Pilz, 17.000 Meter in die Höhe.
 
Menschen, die sich in den Straßen aufhielten, empfanden die Hitze, die bei der Explosion frei wurde, wie einen Peitschenhieb. Diejenigen, die sich im Umkreis von 3,5 Kilometern aufhielten, trugen Verbrennungen der Haare und Haut und der Netzhaut davon, wenn sie in den grellen Lichtblitz geschaut hatten. Eisen und Granitsteine, die einen Kilometer vom Explosionszentrum entfernt lagen, schmolzen, und Menschen in unmittelbarer Nähe verglühten. 80% der Häuser brannten, und die Druckwelle hatte in der Nähe des Explosionszentrums eine Gewalt von ca. 35 Tonnen/Quadratmeter. Insgesamt wurden 92% der Gebäude in Hiroshima dem Erdboden gleich gemacht. Das gleiche Schicksal wiederfuhr auch den Bewohnern der Stadt Nagasaki am 9. August 1945 um 11 Uhr vormittags.

Der Unterschied zwischen diesen zwei Bomben und allen bisher eingesetzten Waffen war die radioaktive Strahlung. Einige Sekunden nach der Explosion entstand eine Anfangsstrahlung, die im Umkreis von 2,3 Kilometern sogar dicke Betonwände durchdrang. Die Bombe verseuchte die Erdoberfläche, und jeder, der innerhalb der nächsten Tage in dieses Gebiet kam, um nach Opfern zu suchen, oder um zu helfen, wurde selbst zum Opfer. Tödlich war auch der Regen, der aufgrund der strahlenden Asche schwarz war und etwa eine halbe Stunde nach der Explosion einsetzte. Vergeblich versuchten Feuerwehrmänner und freiwillige Helfer das Feuer zu bekämpfen, doch die Feuerwehrrohre waren geschmolzen, sodaß die ganze Stadt lichterloh brannte. Binnen weniger Sekunden wurden diese zwei Städte in Orte der Folter und Qual, der Tränen, des Wimmerns und der Flüche verwandelt.

Abb. 10: Uranbombe „Little Boy“ (Abwurf über Hiroschima)

Abb. 11: Plutoniumbombe „Fat Man“ (Abwurf über Nagasaki).

Obwohl uns diese schrecklichen Tatsachen bekannt sind, lagert in den Arsenalen der Atommächte für jeden einzelnen Menschen eine Vernichtungskraft von vier Tonnen Sprengstoff, genug also, um die Erde nicht nur einmal, sondern gleich mehrere Male zu zerstören.

Die Spaltung des Atoms hat unsere Welt „unsicherer“ gemacht, doch wenn wir wollen, dann können wir die Bedrohung eines Atomkrieges überwinden, indem wir versuchen in Frieden miteinander zu leben.

16 Zusammenfassung – historischer Überblick:

440 v.Chr. Der Philosoph LEUKIPP vertrat die Meinung, daß alle Stoffe aus unteilbaren, beliebig geformten, unsichtbar winzigen Teilchen bestehen, und er nannte sie „Atome“.

um 400v. Chr. DEMOKRIT behauptete, daß die Atome zwar verschiedene Formen und Größen besitzen, aber alle aus dem gleichen Stoff aufgebaut sind. Der Raum zwischen den Atomen ist leer.

384 v.Chr ARISTOTELES war ein Gegner der Atomisten. Er stellt sich vor, daß der Raum kontinuierlich mit Materie erfüllt ist. Weiteres erklärte er die Vielfalt der irdischen Stoffe durch die verschieden Mischungen der vier Grundelemente: Feuer, Wasser, Erde und Luft.

um 1600 Die Chemiker begannen aufgrund ihrer praktischen Erfahrungen an der Theorie ARISTOTELES, die sich fast 2000 Jahre erhalten hatte, zu zweifeln. Diese Erfahrungen lieferten die Anregung zum atomistischen Denken.

1766 JOHN DALTON wandte die Atomvorstellung an, um viele bekannte chemische Vorgänge erfolgreich erklären zu können. Außerdem konnte er aufzeigen, daß sich Elemente aus gleichartigen Teilen zusammensetzen, und er untersuchte aus wievielen Atomen ein Molekül besteht.

um 1870 Der österreichische Physiker LUDWIG BOLTZMANN sah Atome als harte elastische Kugeln an, sodaß er mit dieser Vorstellung erstmals die Gastheorie auf statistischer Grundlage herleitete.

1896 HENRI BEQUEREL, ein französischer Physiker, entdeckte mit Hilfe eines Uransalzes die natürliche Radioaktivität.

1897 Der Physiker JOSEPH J. THOMSON konnte durch seine Experimente mit Kathodenstrahlen beweisen, daß es sich hierbei um Teilchen handelt, die kleiner als Atome sind. Anfangs nannte er sie „Korpuskel“, später erhielten sie den Namen „Elektron“. THOMSON schuf auch das erste Atommodell, das auch „Rosinenkuchen“ genannt wird, weil die negativ geladenen Elektronen im positiv geladenen Atom gleich den Rosinen in einem Kuchen eingebettet sind.

1898 MARIE und PIERRE CURIE konnten beweisen, daß auch Thorium radioaktiv ist.

1898 ERNEST RUTHERFORD wies in der radioaktiven Strahlung Teilchen nach, die Alpha- und Betastrahlen.

1900 MAX PLANCK, ein deutscher Physiker, formulierte als erster die Quantelung der Energieübertragung von Strahlung.

1900 PAUL VILLARD, ein Franzose, konnte beweisen, daß sich radioaktive Strahlung aus Alpha- Beta- und Gammastrahlen zusammensetzt.

1909 RUTHERFORD entdeckte den Atomkern

1911 Sir ERNEST RUTHERFORD und der neuseeländische Student ERNEST MARSDEN, konnten in Versuchen, bei denen die zwei Physiker hauchdünne Goldfolie mit Alphateilchen beschossen, feststellen, daß es zu einer starken Ablenkung der Alphateilchen kam. Aus diesem überraschenden Versuchsergebnis schloß RUTHERFORD, daß das Atom einen positiv geladenen Kern besitzt, um den die negativ geladenen Elektronen kreisen. Der Raum zwischen Kern und Elektronen ist leer.

1913 Der dänische Physiker Niels Bohr entwickelte ein Atommodell, das alle geltenden Vorstellungen vom Aufbau der Atome brach. Um den Aufbau eines Atoms erklären zu können, führte er, aufgrund zahlreicher Untersuchungen von Spektren, die strahlungsfreien Bahnen für die Elektronen ein. Diese Theorie widersprach den klassischen Vorstellungen, daß jede bewegte Ladung immer elektromagnetische Strahlung abgibt.

1924 Der Franzose LOUIS DE BROGLIE stellte seine Theorie der Materiewellen auf.

1925 Der Durchbruch des österreichischen Physiker WOLFGANG PAULI durch sein Ausschließungsprinzip für Elektronen (Pauli Prinzip). Dieses Prinzip legt fest, daß im selben Atom keine zwei Elektronen in allen ihren Quantenzahlen übereinstimmen können.

1925 ERWIN SCHRöDINGER baute DE BROGLIES Theorie zur Wellenmechanik aus. Auch im selben Jahr begründete HEISENBERG die Matrizenmechanik.

1927 WERNER HEISENBERG stellte die Unschärferelation auf.

1928 PAUL A. M. DIRAC versuchte, die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik zu verbinden. Außerdem Sagte er ein „Antiteilchen“ zum Elektron, das Positron voraus.

1932 JAMES CHADWICK entdeckte ein neutrales Kernteilchen, dem er aufgrund seiner Ladungsfreiheit, den den Namen Neutron gab.

1933 ENRICO FERMI erklärte einerseits den Betazerfall als Elektronenemission aus dem Kern durch Zerfall eines Protons in ein Elektron, ein Neutron und ein Neutrino, andererseits führte er eine neue Naturkraft, die schwache Wechselwirkung ein.

1934 IRENE und PIERRE JOLIOT-CURIE entdeckten die künstliche Radioaktivität.

1934 FERMI und seine Mitarbeiter hatten durch Zufall festgestellt, daß sich langsame Neutronen viel besser für Kettenreaktionen eigneten als schnelle.

1935 Eine weitere Naturkraft, die starke Wechselwirkung wird vom japanischen Physiker HIDEKI YUKAWA eingeführt, um den Zusammenhalt der Kernteilchen zu erklären. Die Mesonen, die erst 1937 nachgewiesen wurden, sollten diese Kraft übertragen.

1938 Die deutschen Chemiker OTTO HAHN und FRIEDRICH STRAßMANN beschossen Uran mit Neutronen und fanden als Reaktionsprodukt radioaktives Barium. Sie führten die erste Kernspaltung durch.

1939 LISE MEITNER, eine österreichische Physikerin, bestätigte die Ergebnisse von HAHN und STRAßMANN und erklärte diese.

ab 1939 ENRICO FERMI und andere bekannte Physiker versuchten die US-Regierung zu überzeugen, daß der Bau einer Atombombe notwendig sei. Der Brief EINSTEINS an den Präsidenten Roosevelt gab den Ausschlag zum Bau einer Atombombe.

1940 EDWIN M. MCMILLAN und PHILIPP H. ABELSON erzeugten erstmals ein Element, das in der Natur nicht vor kam und nannten es Neptunium.

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