Das dramatische Gedicht, in dem Grillparzer die Sage vom goldenen Vlies verarbeitet, besteht aus drei Teilen:
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Der Gastfreund
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Die Argonauten und
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Medea.
Der große Erfolg der “Sappho” hatte zu einer Besserung der äußeren Umstände Grillparzers geführt. Eine Anstellung als Theaterdichter des Burgtheaters ermutigte ihn zum Schaffen neuer Werke. Es bedrückte ihn die allgemeine Lage der deutschen Bühne. Die in Deutschland verbreitete Ideologie, zu der Grillparzer sich im Widerspruch sah, war die Romantik, besonders die heute längst vergessenen Seitentriebe, die Ritterstücke und die bürgerlichen Dramen. Diese Unsicherheit wirkte auf den empfindsamen Dichter so sehr zurück, daß seine Gesundheit angegriffen wurde. Auch seine Mutter war dringend erholungsbedürftig und so entschlossen sie sich zu einem Kuraufenthalt. Sie wählten Baden bei Wien. Dort entdeckte Grillparzer in seinem Zimmer im mythologisches Lexikon von Hederich einen Artikel über Medea.
Grillparzer kannte die Geschichte dieser berüchtigten Zauberin sehr wohl. Doch erst der recht trockene Artikel des Lexikons ließ schlagartig vor ihm das neue Werk erstehen. Sogleich aber war ihm auch klar, daß sich der ungeheuere Stoff nicht in einem einzigen Drama bewältigen ließ. Der Gedanke einer Trilogie tauchte in ihm auf. An sich liebte er diese ausgedehnte Form nicht, die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß man mit Stücken, die über einen einzigen Abend hinausgingen, Schwierigkeiten haben mußte. Aber er war auch überzeugt, daß sein Ruf und sein dichterisches Ansehen beim Theater und Publikum gefestigt genug waren, daß er erwarten konnte, man würde ihm auch ein solch ungewöhnliches Werk zubilligen. So entschloß er sich zur Trilogie.
Es hat sich eingebürgert, den dritten Teil, ,,Medea” allein zu spielen. So lange Grillparzer lebte, ist außerhalb Österreichs nur die ,,Medea” gespielt worden. Die ganze Trilogie wurde nur 9 mal, ,,Medea” aber 37 mal zu Grillparzers Lebzeiten am Burgtheater gespielt. Die anfänglichen Befürchtungen Grillparzers für seine Trilogie haben sich also bis zu einem gewissen Grad erfüllt.
Doch nun zum Inhalt:
Im ersten Teil, Der Gastfreund, landet der Grieche Phryxus, mit dem goldenen Flies bei den Kolchern. Dem Gegenstand, Kleid eines Gottes, werden magische Eigenschaften zugeschrieben, und er wird mit verschiedenen Sagen in Verbindung gebracht. Der König der Kolcher, Aietes, und Vater Medeas, tritt als habgieriger und hinterlistiger Barbarenfürst auf. Phryxus und seine Mannschaft erbitten von ihm den Schutz des Gastrechts, doch der König nimmt die Griechen gefangen und läßt sie ermorden. Als er Phryxus töten will, das heilige Gebot der Gastfreundschaft verletzend, verflucht ihn dieser. Dieser Fluch und die dadurch hervorgerufene Vision Medeas vom Untergang ihres Geschlechts beherrschen den weiteren Verlauf der Trilogie als Leitmotiv. Medea macht sich mitschuldig am Tod Phryxus, indem sie ihm unter einem Vorwand sein Schwert abnimmt und im Auftrag ihres Vaters ein Schlafmittel mischt.
Medea und Jason fliehen und irren vier Jahre umher. Während der Reise heiraten Jason und Medea. Als sie mit dem Vlies zu Jasons Oheim Pelias kommen werden sie kühl empfangen. Aufgrund der Greuel, die in Kolchis geschahen, meidet und verachtet man Medea. Als Pelias plötzlich stirbt, werden beide von rachsüchtigen Verwandten des Pelias dafür verantwortlich gemacht. Jason und Medea werden vertrieben, irren lange Zeit heimatlos umher, bis sie endlich nach Korinth gelangen, wo Jason bei seinem Freund, dem König Kreon, um Aufnahme bittet. Damit setzt der letzte Teil, die Medea-Tragödie, ein.
Der Herold der Amphiktyonen tritt auf und verkündet den Spruch, den das Gericht über Jason und Medea verhängt hat: Wegen des Mordes an Pelias sind sie aus Griechenland verbannt. Doch Kreon wird zum Beschützer Jasons und bürgt für dessen Unschuld. Medea aber gibt er Preis und verbannt sie aus den Grenzen seines Landes. Medea ist einsam, verlassen, verbannt, sie ist von Jason zurückgestoßen und von ihren Kindern gemieden. Jeder Anspruch auf Menschlichkeit, die Teilhabe an der Menschheit wird ihr verweigert. Da ihr dies streitig gemacht wird, verliert sie in ihrer Verzweiflung jegliches Maß. Da sogar ihre eigenen Kinder vor ihr zu Kreusa flüchten, beschließt sie alle drei mit Hilfe ihres Zaubers zu vernichten um so Jason zu strafen. Gora bringt in Medeas Auftrag ein Gefäß in den Pallast. Gleich darauf bricht Feuer aus und Kreusa und Medeas Kinder kommen in den Flammen um.
Medea geht am Ende nach Delphi, bringt das goldene Flies zurück und unterwirft sich dem Urteil der dortigen Priesterschaft. Jason wird des Landes verwiesen und steht allein und verlassen vor den Folgen seiner Gier und Ruhmsucht. Noch einmal treffen sich die beiden, doch Medea weißt ihn mit den Worten “Trage! Dulde! Büße!” von sich.
Das Werk beschäftigt sich mit dem Gegensatz von Griechen und Kolchern, von humaner Gesittung, menschenwürdiger Kultur und dunklem, zauberisch-magischem Barbarentum. Die Unterscheidung der zwei Gruppen setzt sich bis zur unterschiedlichen Sprachgestaltung der Verse fort. Für die Griechen verwendet Grillparzer vornehmlich den ebenmäßigen Jambus, den Blankvers; für die Kolcher den freien Vers und einen polymetrischen Rhythmus.
Doch nun zu den Charakteren:
Medea steht in ihrer Heimat hoch über ihrer Barbarischen Umgebung. Ihr Vater wird aus Gier nach dem goldenen Vlies zum Frevler am göttlichen Gebot. Medeas sittliches Bewußtsein und ihr fester Glaube an das ordnende Walten der göttlichen Mächte sind dadurch zutiefst erschüttert. Sie zieht sich in die Einsamkeit eines abgelegenen Turmes zurück. Aber sie hat sich doch aus Ergebenheit dem Wunsch des Vaters gefügt, sie hat ihre Hand zum Frevel geliehen, als sie dem Fremden das Schwert unter einem Vorwand abnahm. Damit ist sie in das Schicksal und Verhängnis verstrickt, das den Frevel ausgelößt hat. Jason findet sie und sogleich springt der Funke der Liebe über. Medea weiß zwar noch um Gut und Böse, aber die Liebe ist stärker als der eigene Wille und die bessere Einsicht. Erneut holt sie die Zauberkräfte hervor, verhilft Jason zum goldenen Flies, und wird dabei zur Vernichterin ihres Hauses. Im dritten Teil will sie mit ihrer Vergangenheit Schluß machen, damit will sie aber das Unmögliche. Sie will nur noch Griechin unter Griechen sein. In ihrer Hilflosigkeit schließt sie sich der korinthischen Königstochter Kreusa an, die ihr zum ersten mal menschliches Gefühl und Verständnis zeigt. Willig läßt sie sich von ihr führen, bis sie mit Schreck in ihr die Nebenbuhlerin entdeckt.
Wie auch bei Ein Traum ein Leben hat hier ein Unrecht viele weitere zur Folge. Das goldene Flies erweckt bei allen das Verlangen, es zu besitzen und führt schließlich alle ins Verderben. Weiters zeigt sich in diesem Werk, daß die Griechen aufgrund ihrer Unfähigkeit, das Fremde zu verstehen, mitschuldig an Medeas Verzweiflung sind. Die Triologie ist insofern ein Beispiel dafür, wie Nichtverstehen des Anderen, insbesondere des Fremden, direkt umschlägt in Gewalt.