Stefan Zweig wurde am 28. 11. 1881 als zweiter Sohn des böhmischen Textilfabrikanten Moritz und der italienischen Bankierstochter Ida Zweig in Wien geboren und wuchs im wohlhabenden, jüdischen Bürgertum auf, in dem er von materiellen Dingen völlig unabhängig blieb. Gouvernante und Kindermädchen kümmerten sich um die Kinder und es wurde großen Wert auf gute Manieren gelegt.
Sein Interesse an der Literatur und vor allem an zeitgenössischen Autoren entwickelte sich durch die Unterbeschäftigung im Wiener Wasa-Gymnasium. Dort lernte er vor allem alte Sprachen, Geometrie und Physik. In Privatstunden lernte er Französisch, Englisch, Italienisch und Musik. Er beklagte später in seiner Biographie die Kälte und Unpersönlichkeit der Lehrer und die Jugendfeindlichkeit des Schulwesens. Es gab keine persönliche Beziehung zwischen Lehrern und Schülern und niemanden interessierte das Wohlbefinden der Schüler. Das die Schulzeit für Stefan Zweig nicht nur aus Langeweile bestand, verdankte er den Theatern, Museen und anderen künstlerischen Orten in Wien. Wie in einem Fieber jagten die Jugendlichen dieser Zeit allem Neuen hinterher, wobei ihre beste Bildungsstätte das Kaffeehaus war, wo die wichtigsten Zeitungen (auch ausländische) auflagen.
Kurze Zeit später erschien seine erste Buchveröffentlichung, das Gedichtband „Silberne Saiten“, das vor allem Gedichte, die in seiner Gymnasiumszeit entstanden, enthielt. 1906 erschien sein zweites Gedichtband „die frühen Kränze“, dessen Gedichte an die Werke von Goethe, Heine und Rilke erinnerten. Nach dem erscheinen galt er als hoffnungsvolles lyrisches Talent, er selbst sah seine Werke jedoch kritisch.
Unzufrieden mit seinen bisherigen literarischen Leistungen und auf der Suche nach seinem eigenem Stil, begann er Texte aus anderen Sprachen – er beherrschte englisch und französisch – ins Deutsche zu übersetzten, besonders Werke des belgischen Autors Emile Verhaeren, bei dem er einige Sommerurlaube verbrachte und mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband.
1906 reiste er nach London, er fand dort jedoch wenig gesellschaftlichen Kontakt, was an seinem eher schlechten Englisch lag.
Stefan Zweig war immer weltpolitisch eingestellt, obwohl er sich nur ungern aktiv beteiligte und lieber als stiller Beobachter im Hintergrund blieb. Sein Traum war ein Kultureuropa ohne Grenzen, wobei er aber trotzdem Wien als Mittelpunkt kulturellen Geschehens ansah und sich selber als „Österreicher, als Jude, als Schriftsteller, als Humanist und Pazifist“ bezeichnete. Erst 1907 mietete er sich seine erste eigene Wohnung in Wien.
In den folgenden Jahren versuchte er sich vor allem im Schreiben von Theaterstücken, wobei aber keines ein wirklicher Erfolg wurde, was jedoch auch daran liegen könnte, dass jeweils kurz vor der Premiere die Hauptdarsteller von zwei seiner Stücke starben. Auf Dauer hätten sich diese Stücke wahrscheinlich nicht behaupten können, da Zweig kein origineller Schreiber war.
Im November 1908 begann er eine fünfmonatige Reise nach Indien. Sein Erschrecken über das dort herrschende Elend, die starre Einteilung in Klassen und die verheerenden Auswirkungen des Imperialismus war groß. Drei Jahre später reiste er nach Amerika, wo er einerseits die Toleranz der Amerikaner bewunderte, jedoch andererseits von dem Mangel an Kultur und an Geschichte nicht sehr angetan war.
1912 reiste er zurück nach Wien und lernte dort die geschiedene Friderike Maria von Winternitz und deren zwei Töchter, Alix Elisabeth und Susanna Benedictine, kennen. Sie stammte aus einer jüdischen Familie, die zum Katholizismus konvergiert war. Zweig heiratete sie aber erst acht Jahre später, da eine Wiederverheiratung nach österreichischem Recht damals nicht möglich war. Allgemein ist zu sagen, dass Stefan Zweig ein ausgesprochener Freund der Frauen war und auf seinen vielen Reisen zahlreiche Affären hatte. 1914 reiste er nach Belgien, um mit Verhaeren die Sommermonate zu verbringen. Wegen dem Ausbruch des 1. Weltkrieges reiste er jedoch überstürzt wieder nach Wien ab.
Zweigs große Leidenschaft war seine Autographensammlung, die Handschriften vieler berühmter Schriftsteller und Musiker (von Goethe bis Mozart) enthielt. In der folgenden Zeit beschäftigte er sich viel mit den Leben verschiedener Künstler und brachte einige Biographien, die unter dem Titel „Baumeister der Welt“ erschienen, heraus. Darunter waren: Dickens, Dostojevskij, Kleist, Tolstoi, Nietzsche und viele andere.
In der Zwischenkriegszeit entstanden auch bekannte Novellen Zweigs, deren Hauptfiguren einer dominierenden Kraft, die allmählich ihr ganzes Fühlen, Handeln und Denken bestimmt, unterworfen sind. In „Sternstunden der Menschheit – Zwölf historische Miniaturen“ – neben der „Schachnovelle“ das wohl berühmteste Werk Zweigs – stehen prominente bzw. historisch wichtige Personen im Mittelpunkt, deren Handlungen weitreichende Folgen auf ihr weiteres Leben hatten.
Als 1930 die Nationalsozialisten die zweitgrößte politische Kraft wurden, sah Zweig darin keine große Bedrohung. Er bezeichnete dies als „vielleicht unkluge, aber im innersten natürliche und durchaus bejahende Revolte der Jugend gegen die Hohe Politik“, weshalb er – besonders von Klaus Mann- stark kritisiert wurde. Den Ernst der Lage erkannte er erst, als es zu antisemitischen Ausschreitungen kam, bezog jedoch nicht öffentlich Stellung dagegen. Die einzige Antwort auf den Faschismus war seiner Meinung nach die Literarische Leistung.
Ab 1933 entwickelte sich die Lage in Deutschland, aber auch in Österreich, immer kritischer. Seine Werke wurden von den Nationalsozialisten verbrannt und bisherige Freunde und Schriftstellerkollegen beschimpften ihn als „Kollaborateur der Nazis“. Als ein Jahr später nach Kämpfen in Wien zwischen der Heimwehr und den Sozialisten sein Haus am Kapuzinerberg nach Waffen durchsucht wurde, war er so entsetzt, dass er überstürzt nach London abreiste. Friderike blieb unterdessen mit ihren zwei Töchtern in Salzburg, wo sie gelegentlich von Zweig besucht wurden. Um seine schriftstellerische Arbeit fortsetzten zu können, benötigte er eine Sekretärin: Lotte Altmann, die ihm, im Gegensatz zu Friderike, völlig ergeben war und mit der er schließlich eine Affäre begann.
Die international bedrohliche Lage – er erkannte von Beginn an, dass Hitler auf einen neuen Krieg zusteuerte – und seine Ehekrise ließen ihn in eine schwere Depression fallen.
1936 nahm er die Einladung der brasilianischen Regierung, nach Südamerika zu kommen, freudig an. Er war von diesem Land wie verzaubert und sah nur seine positiven Seiten, was wohl auch zum Teil daran lag, dass die Brasilianer ihn wie einen Staatshelden feierten. Nach seiner Rückkehr holten ihn seine Probleme wieder ein. Seine Frau bestand darauf, dass er sich von seiner Sekretärin Lotte entlässt, wozu er jedoch nicht bereit war. Die Selbstständigkeit seiner Frau begann ihn zu stören und er dachte, dass dies seine letzte Chance wäre, ein neues Leben mit einer jüngeren Frau zu beginnen. Er trennte er sich von Friderike, sie hatten jedoch weiterhin eine freundschaftliche Beziehung. In der Folgezeit reiste er nach Portugal und arbeitete an einer Biografie über Magellan, welcher damals noch wenig bekannt war, und wollte ihm dadurch Gerechtigkeit widerfahren lassen.
Nach seinem Selbstmord wurde auf seinem Schreibtisch folgendes Schreiben an das Stadtoberhaupt von Petropolis gefunden:
Ehe ich aus freiem Willen und mit klaren Sinnen aus dem Leben scheide, drängt es mich, eine letzte Pflicht zu erfüllen: diesem wundervollen Land Brasilien innig zu danken, das mir und meiner Arbeit so gute und gastliche Rast gegeben.
Mit jedem Tage habe ich dies Land mehr lieben gelernt und nirgends hätte ich mir mein Leben lieber vom Grunde aus neu aufgebaut, nachdem die Welt meiner eigenen Sprache für mich untergegangen ist und meine geistige Heimat Europa sich selber vernichtet.
Aber nach dem sechzigsten Jahr bedurfte es besonderer Kräfte, um noch einmal neu zu beginnen. Und die meinen sind durch die langen Jahre heimatlosen Wanderns erschöpft. So halte ich es für besser, rechtzeitig und in aufrechter Haltung ein Leben abzuschließen, dem geistige Arbeit immer die lauterste Freude und persönliche Freiheit das höchste Gut dieser Erde gewesen.
Ich grüße alle meine Freunde! Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht! Ich allzu Ungeduldiger gehe ihnen voraus.
2. Wichtige Werke von Zweig
1901 – Silberne Seiten / Gedichte
1905 – Tersites
1908 – Das Haus am Meer
1910 – Émile Verhaeren / Biografie.
1911 – Brennendes Geheimnis
1911 – Erstes Erlebnis. Vier Geschichten aus Kinderland
1917 – Jeremias / Drama.
1920 – Angst/ Novelle
1920 – Der Zwang
1922 – Amok.
1925 – Der Kampf mit dem Dämon/ Essays über Baumeister der Welt.
1926 – Volpone / Überarbeitetes Bühnenstück.
1928 – Drei Dichter ihres Lebens / Essays über Baumeister der Welt.
1927 – Sternstunde der Menschheit
1927 – Verwirrung der Gefühle / Novelle
1929 – Das Lamm der Armen / Tragikomödie.
1932 – Marie Antoinette / Historisches Bildnis
1934 – Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam / Studie.
1935 – Die schweigsame Frau / Libretto.
1940 – Ungeduld des Herzens / Roman
1941 – Schachnovelle
1942 – Die Welt von gestern / Autobiographie
3. Inhalt der Wichtigsten Werke
3.1. Brennendes Geheimnis
Der zwölfjährige, kränkliche Edgar fährt mit seiner Mutter Mathilde auf den Semmering zur Erholung. Ein im gleichen Hotel wohnender Baron missbraucht den Jungen um mit dessen Mutter, auf die er ein Auge geworfen hat, bekannt zu werden. Zuerst ahnt Edgar jedoch nichts von den Absichten des Adeligen und betet ihn nahezu an, da er der erste Mensch in seiner Umgebung ist, der ihn wie einen Erwachsenen behandelt. Diese Bewunderung verwandelt sich aber in Hass, als er bemerkt, dass der fremde Mann „etwas“ mit seiner Mutter vorhat, wenngleich er mit seinen zwölf Jahren nicht genau definieren kann was es ist. Er versucht verzweifelt hinter dieses „schrecklich“ (wie er glaubt) Geheimnis zu kommen. Die trotzigen, kalten Augen und das verbissene Schweigen des Jungen stehen wie eine unüberwindbare Mauer zwischen seiner Mutter und dem Baron. Die Erwachsenen, im Besonderen seine Mutter, reagieren auf das Verhalten Edgars mit Aggressionen (es kommt zu Gewalthandlungen), belügen und verraten ihn. Als sich die Situation zuspitzt, sieht der Junge keinen Ausweg mehr und ergreift die Flucht zu seiner Großmutter, wo sein Vater als Richter auftritt und den Beweggrund seines Weglaufens wissen will. Edgar verrät seine Mutter nicht und nimmt die Schuld auf sich.
3.2. Ungeduld des Herzens
Der in einem langweiligen ungarischen Garnisonsstädtchen stationierte Leutnant Anton Hofmiller erhält eine Einladung in das Schloss des ungarischen Magnaten Lajos von Kekesfalva. Dessen gelähmte Tochter Edith verliebt sich in den jungen Offizier, Hofmiller aber empfindet nur Mitleid für das »kranke Kind«. Darum und aus Feigheit verschweigt er Edith seine wahren Gefühle, macht der Unheilbaren Hoffnung auf eine baldige Genesung, verlobt sich sogar mit ihr, steht aber in der Öffentlichkeit aus Angst vor Spott und Verachtung nicht zu seiner Verbindung mit der Gelähmten. Als diese seinen Verrat durchschaut, nimmt sie sich das Leben. Hofmiller flüchtet in den kurz darauf ausbrechenden Weltkrieg »wie ein Verbrecher ins Dunkel« und kehrt als »Held« zurück.
3.3. Der Amokläufer
Diese Novelle beginnt mit einer zufälligen Begegnung zweier Passagiere eines Überseedampfers. Der eine, ein Alkohol abhängiger Arzt, berichtet dem anderen, dem Erzähler, seine Lebensgeschichte.
Wegen eines kriminellen Vergehens musste der Arzt in einer holländischen Kolonie untertauchen. Als nach acht Jahren eine reiche Engländerin bei ihm auftaucht und ihn gegen eine hohe Summe Geld um eine Abtreibung – das Kind ist von einem Geliebten – bittet, erpresst er sie. Da er sich in sie verliebt hat, will er ihr nur helfen, wenn sie mit ihm schläft. Von der stolzen Aristokratin ist das jedoch zu viel verlangt. Daraufhin verfolgt sie der Arzt in seiner Besessenheit und findet sie schließlich halbtot bei einer Kurpfuscherin wieder. Kurz vor ihrem Tod verspricht er, ihr Geheimnis um jeden Preis zu wahren. Ihr Mann kann sich den plötzlichen Tod seiner Frau nicht erklären und will sie nach England bringen um eine Autopsie durchführen zu lassen. Auf dem Schiff gelingt es dem von Schuldgefühlen geplagten Arzt während eines Anlegemanövers den Sarg ins mehr zu stoßen, wobei aber auch er selbst stirbt.
3.4. Sternstunden der Menschheit
In 12 Essays erzählt Zweig von historisch und kulturell wichtigen Momenten in der Geschichte der Menschheit. Die Erzählungen sind so anschaulich und mitreißend, da wie Zweig sagte, die Geschichte selbst Dichterin und Dramatikerin war. Themen der Essays waren z.B. „der Kampf um den Südpol“, welches den Kampf von Scott und Amundsen um die erste Expedition zum Südpols zeigt, „Das erste Wort über den Ozean“, welches sich mit der Kabellegung durch den Atlantik beschäftigt und „Die Weltminute von Waterloo“, welches sich mit der schlacht von Waterloo beschäftigt.
4. Die Schachnovelle
4.1 Inhalt
An Bord eines Passagierdampfers der Linie New York/Buenos Aires begegnet der Ich-Erzähler dem Schachweltmeister Mirko Czentovic, dessen einzige Fähigkeiten das Schachspiel sind. Um an den arroganten und verschlossenen Meister des Schachspiels heranzukommen spielt der Ich-Erzähler eine Partie Schach mit seiner Frau im Rauchsalon des Schiffes. Ein Millionär namens McConnor kommt dazwischen und fordert den Ich-Erzähler zu einer Partie. Als McConnor erfährt das der Schachweltmeister an Bord sei, bittet er ihn um eine Simultanpartie. Czentovic verlangt 250 Dollar pro Spiel, was McConnor nicht davon abhält. Am nächsten Tag beginnt die Partie. Das erste Spiel wird von Czentovic ohne Probleme gewonnen. In der zweiten Partie rettet in aussichtslos verloren geglaubter Situation ein Unbekannter namens Dr. B noch ein Unentschieden. Czentovic wird unruhig und verlangt Revanche gegen den in Kreisen großer Schachspieler unbekannten Dr. B. Dr. B willigt nach einigem Zögern ein. Das Zögern kommt daher, weil er als Kriegsgefangener einer psychischen Foltermethode ausgesetzt war.
Als er beinahe verrückt wurde rettete ihn vorübergehend der Diebstahl eines Schachbuches in dem 150 Meisterpartien abgedruckt waren.
Diese lernte er auswendig. Das sinnlose Nachspielen der Partien wurde ihm aber bald zu langweilig. Er spaltete die Gedanken seines Gehirns in eine schwarze und eine weiße Hälfte und begann imaginär gegen sich selbst zu spielen. Dies machte ihn geisteskrank und er bekam die von ihm so genannte Schachvergiftung. Ein Arzt erklärte ihn für unzurechnungsfähig und erwirkte so seine Freilassung. Beim von Czentovic geforderten Spiel zwingt Dr. B den Schachweltmeister dazu, in der ersten Partie aufzugeben. Doch bei der Revanche erkennt der Weltmeister, dass Dr. B durch die langen Überlegungspausen zwischen den Zügen unruhig wird, schwitz, Unmengen von Wasser trinkt und nervös auf und ab geht. Darin erkennt er seine Chance ihn zu schlagen und lässt sich absichtlich zwischen seinen Zügen Zeit. Der Erzähler rettet Dr. B vor einem völligen Nervenzusammenbruch indem er ihn dazu bringt, die Partie zu beenden. Dr. B steht auf, entschuldigt sich und geht.
4.2 Charaktere der Novelle
In dieser Novelle werden nur die Hauptcharaktere genauer beschrieben: McConnor, Czentovic und Dr. B. Von dem Ich-Erzähler erfährt man nur sehr wenig. Die weiteren Personen wie die Frau des Ich-Erzählers und die weiteren Schachspieler werden höchstens in ein, zwei Sätzen erwähnt und sind damit nur Statisten.
Ich-Erzähler:
Das ganze Buch wird aus seiner Sicht erzählt. Er ist ein mäßiger Freizeitschachspieler, der von der „höheren“ Kunst des Schachspielens überhaupt keine Ahnung hat. Trotzdem ist er aber interessiert daran, was das für ein Mensch ist, der die Kunst des königlichen Spieles beherrscht. Im Leben des Erzählers gibt es eine Anzahl von Prinzipien, u. a. dass er sich immer korrekt gegenüber seinen Mitmenschen verhält. Er ist eine starke, gefestigte Persönlichkeit und Österreicher.
Zu Beginn des Buches nimmt er eine eher distanzierte Haltung zu Geschehen ein, er interpretiert und kommentiert.
Er bestimmt mehr oder weniger den Verlauf der Handlung, bis zum Spiel zwischen Czentovic und Dr. B., wo dessen Spielfieber die Kontrolle über die Ereignisse gewinnt. Czentovic gegenüber nimmt er eine distanzierte, wissenschaftliche Haltung an, während er mit Dr. B. gleichsam mitfühlt, ihn schließlich sogar vor seinem „Schachfieber“ rettet.
McConnor:
Er ist ein Tiefbauingenieur, der in Amerika zu beträchtlichem Wohlstand gekommen ist, wird schon am Anfang der Novelle mit eindeutig negativen Merkmalen eingeführt. Zweig beschreibt schon durch sein Aussehen, („… ein stämmiger Mensch mit starken, fast quadratisch harten Kinnbacken…), dass er eine Abneigung gegen dieser Sorte von Mensch hat. Sein Verhalten wird hier als rüde, seine Sprache als direkt und unqualifiziert dargestellt.
McConnor versucht sich in jeder Lebenslage ohne Rücksichtnahme durchzusetzen. Er ist ein sehr ehrgeiziger Mensch und kann deshalb eine Niederlage nicht so einfach hinnehmen. Deshalb fordert er Czentovic direkt nach seiner Niederlage zu einer Revanche heraus. McConnor vertritt die Großkapitalisten, die bis zu letzt glaubten Hitler für sich einspannen zu können; Sie verachteten zwar die Brutalität des Nationalsozialismus, wollten aber nichts desto trotz davon profitieren; Hitler deuteten sie als den Feind des drohenden Kommunismus.
Mirko Czentovic:
Mirko ist der Sohn eines armen, südslawischen Donauschiffers, der bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen ist. Der Ortspfarrer hat den Zwölfjährigen aus Mitleid aufgenommen und sich sehr um seine Bildung bemüht. Mirko jedoch kann keinen Sinn in den Buchstaben und Wörtern erkennen. Er wird als „maulfaules, dumpfes, breitstirniges Kind“ beschrieben. Sein Gehirn arbeitet nur schwerfällig. Willig verrichtet er häusliche Arbeiten, aber mit „totaler Teilnahmslosigkeit“. Abends, wenn der Pfarrer mit dem Polizisten Schach spielt, sitzt Mirko scheinbar schläfrig daneben. Sein Können, Schachpartien zu spielen, stellt sich heraus, als der Pfarrer zu einer Kranken gerufen wird, und Mirko mit dem Polizisten Schach spielt. In der Nachbarstadt stellt Mirko seine Fähigkeit, Schach zu spielen, im Schachclub unter Beweis. Die Mitglieder des Clubs sind von Mirkos Talent begeistert und fördern seine Karriere. So wird aus dem geistig zurückgebliebenen Schiffersohn im Alter von 21 Jahren der Schachweltmeister. Ihm fehlt die Gabe, „blind“ zu spielen. Er muss immer das Schachbrett vor sich haben. An seiner „zähen und kalten Logik“ sind viele intelligentere und ihm an Phantasie überlegene Champions gescheitert. Er ist immer der beschränkte, maulfaule Bauernjunge geblieben.
Mirko spielt nur gegen Geld. So ist es auch auf dem Passagierschiff, als er gegen den schottischen Tiefbauingenieur McConnor nur gegen ein Honorar Schach spielt. Hier wird Mirko als „unmenschlicher Schachautomat“, der nur einen „flüchtigen Blick“ aufs Schachbrett wirft und die Gegner von oben herab behandelt, beschrieben. Er führt die Schachpartie emotionslos und unpersönlich aus. Auf dem Schachbrett hat er Erfolg, doch im Leben ist er eine „groteske, beinahe komische Figur“. Er beobachtet seine Gegner genau und unauffällig, findet deren Schwächen heraus und nützt sie um zu gewinnen. So auch bei der 2. Partie gegen Dr. B. Er erkennt dessen Ungeduld und macht ihn damit mürbe, besiegt ihn.
Czentovic steht für Gewalt, Terror, Einfältigkeit und für die brutale Intelligenz des Nationalsozialismus.
Dr. B:
Dr. B., ein österreichischer Emigrant, befindet sich auf dem Passagierschiff von New York nach Buenos Aires. Nach dem ersten Drittel der Novelle tritt Dr. B. zum ersten Mal in der Handlung auf. Er wird beschrieben als ein 45 jähriger Mann, mit schmalem, scharfem Gesicht und kreidiger Blässe. Der Leser erfährt nicht seinen Namen, jedoch seine Herkunft. Dr. B. gehört einer altösterreichischen und Hochangesehenen Familie an. Sein Vater ist Mitglied in der klerikalen Partei gewesen und hat Verbindung zum Klerus und zum österreichischen Kaiserhaus gehabt. Dr. B. führt diese Familientradition fort und arbeitet in seiner Rechtsanwaltskanzlei in der Vermögensverwaltung der Klöster und der kaiserlichen Familie. Im Rahmen dieser Tätigkeit gelingt es ihm, den Klöstern und dem Hof beträchtliche Beträge vor der Habgier der Nationalsozialisten in Sicherheit zu bringen. Der Leser lernt Dr. B. als umsichtigen und überaus vorsichtigen Juristen kennen. Trotz all dieser Vorsicht ist es den Nazis gelungen, einen Spion in seine Kanzlei einzuschleusen, dem Dr. B. seine baldige Verhaftung zu verdanken hat. Im Hotel Metropole wird Dr. B. in raffinierter Isolationshaft gehalten, um Informationen über die verschwundenen Gelder zu erzwingen. Dem „psychologisch mörderischen System des Hotelzimmers“ kann Dr. B. einige Zeit standhalten, doch bald zermürbt ihn, den hochintelligenten Menschen, die „völlige Leere“, „das Nichts“, das ihn umgibt. In dem Hotelzimmer hat er immer auf etwas gewartet: was seine Peiniger mit ihm vorhaben, was er aussagen soll. Sein Geist hat angespannt gearbeitet, es fehlt jedoch die Abwechslung. In dieser Situation gelingt es ihm, ein Buch mit 150 Meisterschachpartien zu stehlen. Das Nachspielen der Schachpartien – natürlich ohne Brett – schult seine Vorstellungskraft und die Technik des Vorausdenkens und Kombinierens, sein Intellekt bekommt dadurch Nahrung. Nach einigen Monaten langweilt ihn das Nachspielen und er sinnt auf Neues. So kommt er auf die Idee, als Spieler Weiß gegen Spieler Schwarz zu spielen. Dies führt zu seinem geistigen Zusammenbruch. Mit der Bewusstseinsspaltung kann sein Geist nicht umgehen. Er bekommt Nervenfieber und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Von dort wird er als geheilter Mann entlassen. Der Arzt hat ihn jedoch vor Schachspielen gewarnt, da dies zu einem Rückfall führen kann.
Die Schachpartie, in die Dr. B. als „rettender Engel“ eingreift, bedeutet für ihn ein Test, ob er vom Wahnsinn, der ihn in der Isolierhaft ergriffen hat, völlig genesen ist. Die erste Schachpartie, in der er gegen den Schachweltmeister gewinnt, zeigt schon Ansätze seines wiederkehrenden Wahnsinns. Wider alle Vernunft stimmt er einer zweiten Partie zu. Er kann jedoch der Hinhaltetaktik des Weltmeisters nicht standhalten. Sein Geist fängt wieder fieberhaft zu arbeiten an. Er ist schon längst in einem anderen Spiel. Bevor sein völliger Zusammenbruch kommt, wird er von dem Ich-Erzähler wie aus einer Trance wachgerüttelt. Nach einiger Zeit hat Dr. B. wieder Kontrolle über sich gewonnen. Er ist wieder der kultivierte, höfliche Mann, den der Leser kennen gelernt hat. Schach wird er nie wieder spielen.
Dr. B. präsentiert die konservativen Gegner des Nationalsozialismus, die glaubten, alleine mit Hilfe des Geistes den Brutalen Faschismus aufhalten zu können. Klarerweise waren sie nicht sehr erfolgreich; das einzige Mittel das ihnen blieb, war der Rückzug und Resignation. Sein Protest war ein individuell-geistiger, ohne real-politische Folgen. Dr. B. konnte sich seiner Niederlage bzw. Vernichtung nur durch Flucht entziehen.
4.3 Unterschiede der beiden Hauptfiguren
Dr. B und Czentovic sind jeweils das genaue Gegenteil des anderen. Dr. B ist ein Intellektueller und übte einen akademischen Beruf aus, Czentovic ist Analphabet und besitzt keine Intellektuellen Fähigkeiten, seine einzige Fähigkeit ist das Schachspiel. Er ist im Gegensatz zu Dr. B nicht in der Lage, eine Partie blind zu spielen, da ihm dazu die nötige Phantasie fehlt. Dr. B gelingt es schon nach kurzer Zeit, das Spiel ohne Brett und Figuren perfekt zu beherrschen, was seinen Intellekt deutlich zeigt. Er begann das Schachspiel, um seinen Geist zu beschäftigen und seine Agilität zu schärfen. Czentovic begann das Schachspiel, um mit seiner einzigen Fähigkeit möglichst viel Geld zu verdienen. Er muss diese Fähigkeit einsetzen, um zu überleben, während Dr. B auch ohne Schach gut leben kann. Czentovic wird als kalt, unpersönlich und teilnahmslos beschrieben, während Dr. B als einfühlsam und lernfähig beschrieben wird. Obwohl Dr. B Czentovic in beinahe allen Punkten überlegen ist, schafft er es nicht, ihn zu besiegen.
4.4 Aufbau des Buches
In Dieser Novelle führt der Ich-Erzähler den Leser durch das Geschehen. Er nimmt jedoch eine untergeordnete, beobachtende Stellung ein, so dass über weite Abschnitte hinweg der Eindruck einer Er-Erzählung entsteht. Er beschreibt, charakterisiert und deutet, übernimmt damit also eine auktoriale(aus der sicht des Autors dargestellte) Erzählhaltung. Die Schachnovelle ist wie viele andere Novellen in Rahmen- und Binnenhandlungen gegliedert.
Der erste Teil der Rahmenhandlung ist die Einleitungsszene, in der zuerst ein kurzer Gesamtüberblick gegeben wird. Das Treiben auf dem Hafen vor der Abfahrt des Schiffes wird aus der Sicht des Ich-Erzählers präsentiert. Danach werden einzelne Personen herausgegriffen und beschrieben. In einer Rückblende wird die Biographie von Czentovic dargestellt, welche durch einen Erzähler vermittelt wird. Nun wird die Rahmenhandlung auf dem Schiff weitergeführt, wodurch Dr. B das erste Mal auftaucht. In einer weiteren Rückblende werden nun die Erlebnisse von Dr. B. während seiner Gefangenschaft vermittelt. Dies wird in Ich-Form vorgetragen. Nun wird die Handlung wieder in die Gegenwart zurückgeführt und endet mit dem dramatischen Spiel der beiden Hauptpersonen.
Beide Rückblenden zeigen einen ähnlichen Aufbau. Nachdem das Interesse an der jeweiligen Hauptperson geweckt ist, wird dessen Geschichte wiedergegeben – Czentovics Weg zum Erfolg bzw. Dr. B.s Gefangenschaft.
Die Teile unterscheiden sich durch den unterschiedlichen Gebrauch der Erzählform, der Personen, der Zeiten und des Ortes.
Dr. B.s Erzählung ist sehr ausführlich beschrieben (ca. 53 von 120 Seiten), während Czentovics Kindheit auf nur gut 12 Seiten dargestellt wird.
Dadurch wird deutlich, dass Stefan Zweig den Schwerpunkt der Novelle auf die grausamen Foltermethoden der Nazis und deren Nachwirkungen legt.
Eine typische Textstelle des Buches:
“Dass nun ein Weltmeister ein halbes Dutzend mittlerer oder unmittlerer Spieler mit der linken Hand niederlegt, war an sich wenig erstaunlich; verdrießlich wirkte eigentlich auf uns alle nur die präpotente Art, mit der Czentovic es uns allzu deutlich fühlen ließ, daß er uns mit der linken Hand erledigte. Er warf jedesmal nur einen scheinbar flüchtigen Blick auf das Brett, sah an uns so lässig vorbei, als ob wir selbst tote Holzfiguren wären, und diese impertinente Geste erinnerte unwillkürlich an die, mit der man einem räudigen Hund abgewendeten Blicks einen Brocken zuwirft.”
Der Ausschnitt ist im Prinzip so aufgebaut wie die Mehrzahl der Satzgefüge dieser Novelle. Der sachlichen Feststellung folgt als Beispiel ein ins Bild gehobener Vergleich. Auffällig an diesem Zitat ist aber die Häufigkeit von Pronomen und Adverbien, die dem Ganzen, trotz einiger hervorstehender, schlagkräftiger Adjektive und bedeutungsvoller Substantive das Flüssige, aber auch das Farblose der Alltagssprache geben. Dies ist ein Zug, der durch die ganze Novelle zu verfolgen ist, selten aber so offensichtlich wie hier.
Hervorgehoben werden muss neben der charakteristischen Neubildung “unmittlerer…” das Adjektiv “präpotent” (veraltet: übermächtig), das hervorstechend das Überhebliche und zugleich Ungeistige Czentovics bezeichnet. Ebenso charakteristisch für die geringschätzige Art des Weltmeisters ist die Wendung “mit der linken Hand”.
Die “Schachnovelle” besitzt wie alle anderen Novellen charakteristische Merkmale, die typisch für eine Novelle sind. Die Merkmale sind:
1. Authentizitätsnachweis
2. Geschlossene Form
3. Exposition
4. strammer Handlungsstrang
5. Höhe-/Wendepunkt
6. der “Zufall als Regent”
7. Dingsymbol
1.Authentizitätsnachweis
Der Autor Stefan Zweig lässt die “Schachnovelle” glaubwürdig erscheinen, indem er den Ort des Geschehens, die Zeit und die handelnden Personen genau bestimmt. Die Handlung findet auf einem Passagierschiff statt, das in New York gestartet ist und den Hafen von Buenos Aires als Ziel hat. Diese Schiffsreise findet in der Vorkriegszeit des zweiten Weltkrieges statt, die Personen werden namentlich vorgestellt; der Ich-Erzähler bewahrt jedoch seine Anonymität und gibt weder sein Alter noch seinen Namen oder seine Herkunft preis.
Von den Personen Dr. B. und Mirko Czentovic wird sogar ein Teil ihres Lebens erzählt – von Dr. B. erfährt man die Ursache seiner Schachkunst, von Mirko Czentovic wird die Kindheit geschildert.
2. Exposition
In der Exposition werden die Hauptpersonen, der Handlungsort und die Zeit, in der die Novelle spielt, dargestellt. Die Exposition in der “Schachnovelle” reicht von dem Beginn der Schiffsreise bis zu der Vorstellung der Person Mirko Czentovic. Näheres siehe “Authentizitätsnachweis”.
3. strammer Handlungsstrang
Der hauptsächliche Handlungsstrang, nämlich die Schifffahrt und die dort stattfindenden Begebenheiten, werden nur durch die Rückblicke unterbrochen, die dem Leser die Personen des Dr. B. und des Czentovic näher bringen sollen. Bis zum Ende der Novelle läuft die Handlung hintereinander ab, es gibt keine Nebenhandlungen, die sich parallel zu den Ereignissen mit Czentovic, Dr. B., McConnor und dem Erzähler entwickeln.
Die Form der Novelle ist in sich abgeschlossen. Sie beginnt mit dem Antritt der Schiffsreise und endet mit einem annähernden Nervenzusammenbruch von Dr. B. Fast die ganze Zeit wird auf Höhepunkt der Novelle, nämlich die Partie Czentovic – Dr. B., hingearbeitet. Durch das plötzliche Eintreten Dr. B’s bei dem Spiel zwischen McConnor und Czentovic wird der erste Teilnehmer vom “Kampf der Giganten” vorgestellt, vorher wurde Czentovic durch seine bloße Anwesenheit auf dem Schiff eingeführt.
Durch die Hilfestellung Dr. B’s bei dem fast schon verlorenen Kampf wird der Leser und auch Czentovic auf ihn aufmerksam und ist auf seine Fähigkeiten im abschließenden Spiel gegen den Weltmeister gespannt. Auch ist der Leser neugierig, wie sich der kühle Czentovic im Spiel gegen Dr. B. behaupten wird, da dieser ihm in einer schon gewonnen geglaubten Partie noch ein Unentschieden abringen konnte. Der Wendepunkt ist der Sieg von Dr. B in der ersten Partie. Er stimmt Czentovic einer Revanche zu, welche von Aggressivität bestimmt ist und der völlige Nervenzusammenbruch von Dr. B im letzten Moment noch verhindert werden kann.
5. der “Zufall als Regent”
Der Zufall spielt auch in dieser Novelle eine große Rolle. Die erste glückliche Begebenheit ist, dass sich sowohl der Schachweltmeister Czentovic auf dem selben Schiff befindet wie der Erzähler als auch Dr. B. Dazu kommt, dass McConnor – ein wohlhabender Millionär und Schachliebhaber, der es sich leisten kann, sich den Wunsch nach einem Match gegen den amtierenden Weltmeister zu erfüllen – auch an Bord ist.
6.Dingsymbol
Das Dingsymbol ist als Merkmal einer Novelle umstritten, da eine Novelle nicht zwingend ein Leitmotiv besitzen muss. In der “Schachnovelle” ist jedoch ein Dingsymbol, nämlich das Schachspiel, vorhanden. Es begleitet den Leser die gesamte Erzählung hindurch und tritt immer wieder in Erscheinung. Das Schachbrett mit seinen 64 Feldern soll hierbei den begrenzten Lebensraum der Menschen darstellen. Die Protagonisten können also nur in diesem begrenzten Raum agieren.
4.5 Deutung
Der Autor schildert in dieser Novelle die Begegnung zweier Schachgenies, von denen das eine, eine stumpfe, bäuerliche Natur und ein halber Analphabet ist, der seine einzige Begabung- das Schachspiel dazu nutzt, sich „schamlos plump“ (S.15) Zugang zu den materialistischen Werten wie Geld, Macht und Ansehen zu verschaffen. Im Gegensatz dazu steht Dr. B, ein Hochorganisierter, gebildeter Mensch, dem einst das „Spiel der Spiele“ in der Einsamkeit der Gestapo- Haft als Rettung vor dem Wahnsinn gedient hat.
Symbolisch steht dabei das Duell von Dr. B. gegen Czentovic für den Kampf zwischen der Welt der Kultur und des Geistes gegen den Nationalsozialismus, den Czentovic‘ verkörpert. Dr. B. erweist sich gegenüber seinem Gegner Czentovic fast immer als unendlich überlegen: Er ist klug, gebildet, geistreich, gewandt, aus gutem Hause und letztlich der bessere Schachspieler. Trotzdem gelingt es ihm nicht, Czentovic schlussendlich zu besiegen, genauso wie es den Gebildeten nicht gelang, sich gegen den Nationalsozialismus zu behaupten. Man kann das Schachspiel als eine Art Metapher für politische Mächte, die gegen einander kämpfen sehen. In diesem Fall ist das auf den Zweiten Weltkrieg bezogen. Czentovic könnte für Hitler, oder überhaupt für die Barbarei, den Terror und die brutale Intelligenz des Nationalsozialismus stehen. In dem Ich-Erzähler kann man Züge von Zweig erkennen: Sie sind beide Österreicher und mittelmäßige Schachspieler.
In der Novelle stellt der Autor Dr. B im Vergleich mit Czentovic eindeutig als Überlegener dar; aufgrund äußere Umstände (durch Vergangenheitsbedingte Gefährdung), muss er die Partie jedoch abbrechen, um nicht erneut in Gefahr zu geraten, wahnsinnig zu werden; womit er den Match verliert. Dr. B’s positive Eigenschaften erweisen sich als sein Verderben: seine Vorstellungskraft, seine Intelligenz, sein wacher Geist wenden sich gegen ihn selbst, machen ihn wahnsinnig. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma, den die Schachnovelle anbietet, ist der Rückzug.
Also bricht Dr. B. die Schachpartie abrupt ab und überlässt Czentovic das Feld. Dies symbolisiert letztlich die Kapitulation vor den Nationalsozialisten. Hier zeigt sich die Verzweiflung Zweigs, die schließlich zu seinem Selbstmord führte.
Stefan Zweig versucht hier zu erklären, dass das Gute in gewisser Hinsicht dem Bösen, – wie es Zweig als Flüchtling vor den Nationalsozialisten widerfahren ist, -unterliegt. Wie Zweig muss auch Dr. B vor einer Bedrohung (Wahnsinn) fliehen. Wäre Zweig in Österreich geblieben, hätten die Nazis sein Leben zerstört.
Hätte Dr. B die Partie fortgesetzt, wäre er erneut vom Wahnsinn heimgesucht worden. Sein Geist wäre gewissermaßen bis zur Funktionsunfähigkeit beeinträchtigt worden, was im Grunde genommen einer Zerstörung seines auf dem Geist basierenden Lebens gleichkommt.
In der Zeitgeschichte siegte der ideologische Automatismus der Nationalsozialisten, die alle Andersdenkenden durch physische Vernichtung ausschalten.
Der Autor verdeutlicht McConnor und Czentovics Weltanschauung, die sich nur auf das Materielle vertieft, im Buch sehr deutlich. Dr. B ist sehr gebildet und kulturell begabt, was die Nationalsozialisten verachteten und solche Art Menschen unerbittlich eliminieren wollten.
Die letzte Aussage von Czentovic das „Für einen Dilettanten ist dieser Herr eigentlich ungewöhnlich begabt“ kann jedoch so interpretiert werden, dass selbst die Nationalsozialisten die Intellektuellen in gewisser Weise respektierten.
5. Bedeutung von Zweig
Stefan Zweig fand als Erzähler, Lyriker und Essayist internationale Beachtung und Annerkennung. Er wurde der meistübersetzte deutsche Autor seiner Zeit, seine Werke wurden in mehr als 50 Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft. Dabei schrieb er seine Werke nicht nur für die kleine Schicht der Gebildeten. Sein Interesse war es, einer großen Lesergemeinschaft interessante Themen auf spannender Art nahe zu bringen.
Zweig war ebenfalls ein sehr produktiver Schriftsteller. Er schrieb Gedichte, Feuilletons, Übersetzungen und Novellen, einen Roman, Dramen und etwa 20000 bis 30000 Briefe.
Sein Wunsch war die Schaffung eines humanistischen Grundverständnisses in Europa, welches durch die Gesellschaft bis in die Politik reichen sollte, um damit dem Terror durch den Gedanken des Nationalistischen ein Ende zu setzen.
Obwohl seine Popolarität nach seinem Tod immer weiter abnahm und die Literaturwissenschaft wenig Notiz von ihm nahm, werden seine Hauptwerke immer noch einer zahlreichen Leserschaft angeboten.
-
- Hartmut Müller – Bildmonographie Stefan Zweig – Seite 56
- Hartmut Müller – Bildmonographie Stefan Zweig – Seite 129
- Stefan Zweig – Die Schachnovelle – Seite 33
- Walburga Freund-Spork – Königserläuterung Schachnovelle
- Kindlers Literatur Lexikon