Inhaltsverzeichnis
- Über den Autor Max Frisch
- Inhaltsangabe von „Stiller“
- Personenschema
- Thematik
- Eigene Meinung
- Quellenverzeichnis
Der Autor
Dr. phil. h.c. Max Frisch
Max Frisch wurde am 15. Mai 1911 in Zürich als Sohn eines Architekten geboren. Nach dem Kantonalen Realgymnasium in Zürich studierte er 1930-33 Germanistik an der Universität Zürich. Aus finanziellen Gründen brach er dieses Studium nach dem Tode seines Vaters 1933 ab. Später, von 1936-41, studierte er Architektur an der ETH Zürich. Geschrieben hatte Frisch schon als Schüler, ein erster Roman, „Jürg Reinhart“, war 1934 entstanden. 1937 verbrannte er, entschlossen mit eigener Literatur aufzuhören, alle bis dahin entstandenen Manuskripte.
Ab 1931 als freier Journalist tätig, verfasste Frisch vor allem für die „Neue Züricher Zeitung“ Berichte über Reisen durch Deutschland, die Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, die Türkei, Griechenland und Italien. 1942 eröffnete der diplomierte Architekt Frisch ein Büro in Zürich und gewann im selben Jahr den ersten Preis in einem städtischen Wettbewerb um eine große Freibadanlage „Letzigraben“ in Zürich. Das Schreiben hatte der Architekt Frisch nicht aufgegeben und als Autor in den 50er Jahren bereits soviel Beachtung gefunden, dass er 1955 sein Architektenbüro auflösen und als freier Schriftsteller leben konnte.
Seinen Durchbruch schaffte er mit der Veröffentlichung des Romans „Stiller“ im Jahre 1954.
In die Politik hatte sich Frisch nach 1945 oft eingemischt, von Selbstzweifeln war sein Engagement dabei nicht frei. Die fragende und kritische Haltung, die seine Literatur kennzeichnete, war auch der Gestus seiner Reden, Kommentare und Wortmeldungen.
Die letzten Jahre lebte Frisch, der an einem schmerzhaften Krebsleiden erkrankt war, zurückgezogen in Berzona im Tessin. Er nahm 1989/90 noch zustimmend an der Verfilmung seines Romans „Homo faber“ durch Volker Schlöndorff teil (Kinostart 1991) und wertete als eine seiner letzten Arbeiten voller Zorn seine Staatsschutzakten aus. Im Winter 1990, nach dem Abschied von Berzona, hatten Frischs Kräfte nachgelassen. Der Tumor, an dem er erkrankt war, nahm rasch an Bedrohlichkeit zu, immer weniger klare Momente waren ihm zuletzt vergönnt. Was seine nahen Freunde und Angehörigen seit langem schmerzlich erwarteten, wusste auch Frisch nur zu genau: dass er seinen 80. Geburtstag am 15. Mai 1991 nicht mehr erleben würde.
Frischs Werke wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Georg- Büchner-Preis 1958, dem Literaturpreis der Stadt Jerusalem, dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Heine-Preis 1989. Ebenso wurden ihm mehrere Ehrendoktortitel verliehen. 1980 wurde die Max-Frisch-Stiftung in Zürich ins Leben gerufen.
Am 4. April 1991 starb Frisch „ruhig in seiner Wohnung“ in Zürich, wie sein Sohn Peter mitteilte. Bis in die letzten Stunden seines Lebens sei er oft sehr heiter gewesen, ließ sein enger Freund, Michel Seigner, wissen. „Jetzt müend d ' Lüt sälber für sich luege“ war nach Seigner die letzte Frisch-Äußerung.
Aus der 1959 geschiedenen Ehe mit Gertrud von Meyenburg hatte Frisch 3 Kinder. 1969-79 war er mit Marianne Oehlers verheiratet. Seine letzte Lebensgefährtin hatte er in Karin Pilliod gefunden.
Aus der 1959 geschiedenen Ehe mit Gertrud von Meyenburg hatte Frisch 3 Kinder. 1969-79 war er mit Marianne Oehlers verheiratet. Seine letzte Lebensgefährtin hatte er in Karin Pilliod gefunden.
Sonstige Werke von Max Frisch:
- Graf Öderland. Ein Spiel in zehn Bildern. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1951.
- Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie. Komödie in fünf Akten. Frankfurt/M. 1953.
- Stiller. Roman. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1954. Französische Übersetzung: Je ne suis pas Stiller. Roman. Trad. de l'allemand par Solange de
- LalÜne. Paris (Grasset) 1957. Italienische Übersetzung: Stiller. Romanzo. Trad. di Amina Lezuo Pandolfi. Milano (Mondadori) 1959.
- Homo faber. Ein Bericht. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1957.
- iedermann und die Brandstifter. Ein Lehrstück ohne Lehre. (Mit einem Nachspiel). Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1958.
- Andorra. Stück in zwölf Bildern. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1961.
- Mein Name sei Gantenbein. Roman. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1964.
- Tagebuch 1966-1971. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1972.
- Montauk. Eine Erzählung. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1975.
- Triptychon. Drei szenische Bilder. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1978.
- Der Mensch erscheint im Holozän. Eine Erzählung. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1979. Französische Übersetzung: L'Homme apparaŒt au Quaternaire. R‚cit. Trad. de l'allemand par Gilberte Lambrichs. Paris (Gallimard) 1982. Italienische Übersetzung: L'Uomo nell'Olocene. Trad. di Bruna Bianchi. Torino (G. Einaudi) 1981. (= Nuovi coralli 316).
- Schweiz ohne Armee? Ein Palaver. Zürich (Limmat) 1989.
- Briefwechsel. (mit Friedrich Dürrenmatt). Leinen. Zürich (Diogenes) 1998. Nachwort und Herausgeber: Rüedi Peter.
- Ein Briefwechsel. (mit Uwe Johnson). Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1998.
Inhaltsangabe von „Stiller“
Roman von Max Frisch, erschienen 1954. – »Ich bin nicht Stiller« – mit diesem Satz beginnt Frischs erster bedeutender Roman. Aus dem darin enthaltenen Widerspruch entwickeln sich Handlung und Grundproblematik: der Kampf eines Menschen um seine Identität; das Werk entstand fast gleichzeitig mit dem Schauspiel Don Juan oder die Liebe zur Geometrie sowie mit dem Hörspiel Rip van Winkle. Ein Mann namens Jim Larkin White, angeblich Amerikaner, wird beim Grenzübertritt in die Schweiz festgenommen und verdächtigt, mit dem seit sieben Jahren verschollenen und in eine mysteriöse Agentenaffäre verwickelten Bildhauer Ludwig Anatol Stiller identisch zu sein. Seine Aufzeichnungen während der Untersuchungshaft – sie sollen seine Identität klären helfen – bilden den tagebuchartigen Hauptteil des Romans. Aus einzelnen Aussagen bildet sich allmählich eine Charakteristik des verschollenen Bildhauers: »Er will nicht er selbst sein . . . Er leidet an einer Minderwertigkeitsangst aus übertriebener Anforderung an sich selbst . Er entflieht der Wirklichkeit zumindest innerlich. Er scheitert als Bildhauer, und er versagt als Freiwilliger im Spanischen Bürgerkrieg. Seine Ehe mit Julika misslingt bei dem Versuch, Julika zu deuten und von ihr ein fertiges Bildnis anzufertigen. In der Hoffnung, ein neues Leben beginnen zu können, flieht Stiller nach Amerika. Er ergreift die Möglichkeit, noch einmal neu anzufangen und »kein anderes Leben zu suchen als dieses, das er nicht von sich werfen kann«. Nach seiner Rückkehr in die Heimat und während der Untersuchungshaft stellt sich diese Hoffnung jedoch als reine Illusion dar. Die Last der Beweise und ein gerichtlicher Beschluss zwingen »White« schließlich, seine
Identität mit dem Verschollenen zu akzeptieren, obwohl er innerlich ein Gewandelter ist. Im Nachwort, dem zweiten Teil des Romans, wird aus der Perspektive des Staatsanwalts Stillers weiterer Weg geschildert. Er zieht mit Julika in ein verlassenes Bauernhaus am Genfer See und arbeitet dort als einfacher Töpfer. Alles wiederholt sich nun. Noch einmal versucht er, Julika zu „erlösen“, wieder scheitert er. Erst als es zu spät ist und Julika an einem Lungenleiden stirbt, ist er bereit, sich selbst anzunehmen. Stiller lebt fortan ein einsames Leben. Das Ringen um seine Identität spielt in seinem Roman die wichtigste Rolle. Er sehnt sich mit Hilfe seiner Identitätskrise nach einem anderen Ich und einem erfüllterem Leben.
Thematik
Primär ist in diesem Roman sicher die Problematik der Identitätskrise des Herrn Stiller zu sehen. Ein Mann wird verhaftet, es wird ihm vorgeworfen jemand zu sein, der er selber in seinem Innern nicht ist bzw. nicht sein will. Er spaltet also seine Person in zwei Teile. In einen subjektiven Teil, und einen objektiven Teil. Dh. dass Stiller nach außen hin, zu seiner Umwelt, seinen Verwandten, Eltern, Freunden etc., objektiv gesehen, der Stiller ist, den alle kennen. Subjektiv sieht sich aber die betroffene Person nicht als denjenigen an, den alle in ihm sehen. Innerlich leugnet er seine wahre Identität und nimmt die Gestalt eines anderen an.
In diesem Werk sieht sich Stiller also selbst als Mr. White, die anderen jedoch, denen ein Einblick in sein Inneres nicht möglich ist, sehen in ihm den vermissten Bildhauer Stiller. Ich glaube der Autor hat dieser Figur nicht ohne Grund den Beruf eines Bildhauers gegeben. Denn ein Bildhauer fertig Bildnisse an – fertige Bildnisse. Und um genau solche Bildnisse geht es auch in der Krise die Stiller hat. Die Leute die ihn nach all den Jahren nun wieder sehen, habe sich ein Bildnis von im gemacht. Ein Bildnis, das fertig ist, und in das Stiller einfach hineinpassen muss. Doch dieser Mensch hat sich in all den Jahren verändert, er ist nicht mehr genau der Selbe, der er einmal war. Ihm ist das bewusst, dass ist auch der Grund warum er innerlich eine andere Identität angenommen hat. Nun kommt er zurück und alle seine Bekannten und Verwandten sehen in ihm nicht den gewandelten Menschen, sondern immer noch diesen Stiller, den sie von früher kennen. Sich ein Bildnis von jemandem zu machen, bedeutet nichts anderes, als ihn in eine „Schublade“ zu stecken. Das kennen wir nun wirklich alle, ist ein Mensch nun einmal in einer sogenannten „Schublade“, so ist es nicht gerade einfach für ihn, da wieder rauszukommen. Oft werden voreilig Schlüsse gezogen und über Menschen ein schnelles „Urteil“ gefällt. Doch genau das sollte jeder einzelne verhindern.
Genau darin liegt auch die Schwierigkeit – einen Menschen einfach als jemanden anzusehen, der einem immer wieder überraschen kann, der sich wandelt und verändert. In „Stiller“ haben dies die Menschen nicht getan, als er zurückkam hielten ihn alle – bis auf eine Ausnahme, dem Wärter Knobel – für den Menschen, den sie schon kannten. Sie begegneten ihm genau so, wie sie es gewohnt waren, einem bekannten Kollegen gegenüberzutreten. Doch Stiller war innerlich nicht mehr der, der er einmal war. Aus diesem Grund leugnet er seine „frühere“ Identität. Ebenso wie es sicher kein Zufall ist, dass Stiller Bildhauer ist, ist es auch kein Zufall – so denke ich – dass der Wärter Knobel {=knobeln – überlegen} heißt. Denn dieser Mann ist der einzige, der Stiller glaubt, dass er Mr. White sei. Er glaubt ihm, weil er nicht weiß, wie der frühere Stiller war, er geht auf diese Person zu, ohne schon ein fertiges Bildnis von ihm gemacht zu haben. Er lässt sich sozusagen überraschen, und wartet erst mal ab, was dieser Mensch ihm zu sagen hat. Im Gegensatz zu all den anderen, wie seinem Verteidiger, dem Staatsanwalt, Julika und seiner Verwandten, die den „alten“ Stiller kennen. Sie sehen ihn und erwarten von ihm selbstverständlich nichts anderes, als weiterhin der zu sein, als den sie ihn kennen. Sie registrieren zum Teil gar nicht, dass Stiller von sich selbst behauptet ein anderer zu sein.
Als man Stiller ein paar Fotos von sich zeigt sagt er folgendes:
„Es sind Fotos, zugegeben, und dass zwischen dem verschollenen Stiller und mir gewissen äußere Ähnlichkeiten vorliegen, will ich nicht bestreiten; trotzdem sehe ich mich selber sehr anders.“ (s. 65)
Er selbst sieht sich anders – genau das ist worauf es ankommt. Sein Umfeld nimmt ihn einfach als den Stiller war, doch dass er behauptet ein anderer zu sein , das wird zum Teil einfach überhört – sie geben ihm sozusagen überhaupt keine Chance zu Wort kommen zu lassen. In seiner Zelle erzählt er dem Wärter oft irgendwelche Geschichten, die er als Mr. White erlebt hat. Diese Geschichten sind jedoch aus der Luft gegriffen und keinesfalls wahr. Warum er jedoch diese Unwahrheiten erzählt, ist mir nicht ganz klar, denn er könnte doch zumindest wahre Geschichte erzählen, die er in dieser Zeit erlebt hat.
Das Buch beginnt mit den Worten „Ich bin nicht Stiller!“
Und genau so zieht es sich etliche Seiten weiter. Er muss immer wieder darauf beharren, nicht dieser Stiller zu sein. Er drückt dies einmal mit folgenden Worten durchaus passend aus:
„Unser Gespräch verläuft wie eine Grammophonplatte, wenn die Nadel an einer bestimmten Stelle immer wieder in die gleiche Rille rutscht.“ (S. 23)
Denn seine „nutzlosen“ Gespräche mit seinem Verteidiger laufen immer wieder auf das selbe hinaus, er glaubt ihm nicht, dieser Mr. White zu sein, und Stiller kann noch so oft beteuern nicht diese Person zu sein. Mir ist aufgefallen, dass ihn niemand fragt, wieso er denn nicht Stiller sei. Ich meine – ok – wenn man jemanden fragt, warum er nicht jemand anderes ist, klingt das komisch und eventuell stumpfsinnig. Doch wer weiß, vielleicht hätte Stiller dann irgendwas gesagt, was einem auf die richtige Spur bringt. Nämlich auf die Spur, die Ursachen für seinen Konflikt mit sich selbst herauszufinden.
Was mich beeindruck hat ist, dass Stiller wirklich auf alle Details geachtet hat. Was ich damit sagen will, ist, dass er als er zB. in mit seinem Anwalt in sein früheres Atelier ging, sich auch nicht im geringsten durch irgendetwas verraten hat. Er fragt zum Beispiel auch als sie vor dem Haus stehen, ob es die Treppe hinaufgeht, oder welche Türe es denn sei. Hätte er da nur eine Kleinigkeit als selbstverständlich betrachtet, wäre seine Glaubwürdigkeit sofort untergraben gewesen. Deshalb denke ich mir auch, dass man hierbei erkennen kann, dass er innerlich wirklich ein totaler anderer Mensch war, als dieser Stiller.
Die Hauptperson in diesem Roman verdrängt also seine Vergangenheit. Er will nicht derjenige sein, der er ist bzw. war. Er versucht also einfach ein neues Leben zu beginnen, praktisch erhält er durch diesen Mr. White eine neue Chance. Er löst also sein „Vergangenheitsbewältigungsproblem“ mit dem Verdrängen eines Lebensabschnittes. So was kommt durchaus vor, so gibt es viele Veteranen oder Menschen die Furchtbares erlebt haben, und nicht mehr daran denken möchten, was sie gesehen, erlebt oder durchgemacht haben. Ich bin kein Psychologe, doch ich kann mir vorstellen, dass Verdrängung nicht die beste Methode zur Vergangenheitsbewältigung ist. Meiner Meinung nach sollte man sich mit Ereignissen in der Vergangenheit auseinandersetzen, wenn es sein muss, auch mit Hilfe anderer. Denn früher oder später kommen solche Erinnerungen sicherlich wieder hoch, und man steht wieder am Anfang.
Stiller befindet sich in diesem Roman in einer schwerwiegenden Ehekrise. Er ist mit Julika verheiratet, die an Tuberkulose erkrankt ist, zudem ist sie Kettenraucherin. Julika ist leidenschaftliche Balletttänzerin und übt diesen Beruf auch kunstvoll und leidenschaftlich aus. Ihre schwere Krankheit wird ihr dann zum Verhängnis und sie muss ihren Traum vom Ballett schlussendlich aufgeben. Stiller sorgt sich um seine Frau, da sie teilweise auch ihre Gesundheit für das Ballett aufs Spiel setzt. So kommt es zu folgender Szene:
„Einmal als Julika trotz starkem Fieber ihr abendliches Auftreten nicht absagen wollte, weil sie doch wusste, wie viel von ihrem Part an diesem Abend abhing, tat Stiller es über ihren Kopf hinweg, sagte,, seine Frau könnte heute Abend leider nicht auftreten, eine Eigenmächtigkeit, welche die Künstlerin sich nicht gefallen lassen konnte. Was bildete Stiller sich eigentlich ein! Sie bestellte, indem sie ihrem Mann sogleich das Telefon aus der Hand nahm, ein Taxi und fuhr trotzdem zum Theater.“ (S. 93)
Hier erkennt man also durchaus, dass sich Stiller um seine Frau sorgte, zumindest noch anfänglich. Trotzdem macht er sich später vorwürfe, er hätte sie falsch behandelt. Er hätte ihr seine Liebe zu wenig gezeigt, und vor allem, er hätte zu hohe Anforderungen an Julika gestellt, die sie nie erfüllen konnte.
Die Ehe zwischen den beiden, fängt dann an innerlich zu zerbrechen, Stiller geht dann sogar fremd. Dieses angeknackste Verhältnis der beiden, blieb auch den Freunden von Stiller und Julika nicht unentdeckt. So heißt es folgendermaßen:
„Niemand geht gerne zu einem Ehepaar in Krise, versteht sich, es liegt in der Luft, selbst wenn man nichts davon weiß, und der Besucher hat das Gefühl einem Waffenstillstand beizuwohnen, er kommt sich als Notbrücke vor, er fühlt sich irgendwie missbraucht, zu einem Zweck eingesetzt, und das Gespräch wird unfrei, der Übermut in vorgerückten Stunden wird gefährlich, plötzlich wird mit Witzen geschossen, die etwas zu scharf sind, etwas vergiftet, der Besucher merkt mehr, als die Gastgeber preisgeben wollen; es ist gemütlich wie auf einem Minenfeld…..“ (S. 112)
Ich finde, dass man eine solche Situation kaum besser beschreiben könnte. In einer Ehe die zum Scheitern verurteilt ist, kommt es sicherlich zu genau solchen Situationen. Dann wird es immer schwieriger die Ehe doch noch zu retten. Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt wo die Entscheidung fallen muss, ob es nicht für beide vorteilhafter wäre, getrennte Wege zu gehen. In „Stiller“ jedoch, lässt er sich nicht scheiden – nein – er kriegt sogar eine neue Chance, nachdem er „geflüchtet“ ist, und im Gefängnis sitzt, kommt Julika zurück und sie kommen sich wieder näher. Auch als die Frau des Staatsanwaltes fremd geht, kommt es nicht zu einer endgültigen Scheidung – nein – auch diese zwei kommen wieder zusammen. Dabei wäre auch zu beachten, das der Roman kurz nach dem 2. Weltkrieg geschrieben wurde. Heutzutage ist man – so glaube ich – schneller beim Scheidungsanwalt. Damals war das vielleicht noch nicht ganz so alltäglich wie es heute leider ist.
Eigene Meinung
Als ich das Buch zu lesen begann, dachte ich mir schon, dass diese mysteriöse Person, die da am Anfang verhaftet wird schon Stiller sein wird. Ich zweifelte nie daran, dass er nicht Stiller sein könnte – ich denke mal, dass der Autor genau das erreichen wollte. Denn jeder andere (außer Knobel) zieht ja auch nie in Erwägung, dass er nicht Stiller sei. So beginnt man sich regelrecht in das Buch hineinzulesen. Man handelt genau so wie es die Figuren in diesem Roman auch tun.
Was ich nicht verstehe, ist der Sinn, der hinter den Geschichten steckt, die dieser Stiller in seiner Zelle dem Wärter Knobel und dem Verteidiger erzählt. Denn sie sind alle erlogen. Zudem finde ich das genau solche Passagen das Buch unnötig in die Länge ziehen. Die Geschichten sind zwar gut erzählt und anfangs auch noch recht interessant, doch diese – meiner Meinung nach – viel zu genauen Beschreibungen finde ich recht unnötig. Das macht das ganze Buch etwas langwierig. Vor allem darum weil er ca. 5 solcher „überflüssiger“ Geschichten bis aufs genaueste erzählt.
Was mich persönlich noch „stört“ an diesem Werk ist folgendes. Es kommen sehr viele Stellen vor, die eigentlich voll und ganz von Emotionen beherrscht werden. So geht Stiller fremd, mit der Frau des Staatsanwaltes Rolf. Julika liegt im sterben und Stiller gibt sich ziemlich gelassen. All diese Szenen sind relativ „kühl“ geschrieben. Dh. es wird nur relativ wenig mal geschrieen, geschimpft oder sonst irgendwie Wut, Trauer, Eifersucht etc. zur Geltung gebracht. Das brachte mich dazu, dass ich während des Lesens schon dachte, jetzt sag doch endlich mal laut und deutlich was Sache ist. Ich will damit nicht sagen dass es in einem Werk, Kraftausdrücke und vulgäre Ausdrücke unbedingt von Nöten sind. Doch so wie bestimmte Situationen in diesem Roman geschildert werden, sind sie mir persönlich einfach zu lasch. So kommt es als Rolf schon erfahren hat, dass seine Frau Sibylle fremd geht, zu folgender Szene, als sie sagt sie geht zu einer Freundin:
„Eine Wut mit präzisem Grund zu haben, so eine Wut, die man nicht zu sublimieren brauchte, so eine richtige und sogenannte Stinkwut…..“ (S. 229)
Hier kommt es, glaube ich, zum ersten mal vor, dass ein wenig Emotionen auch mal in klare Worte gefasst werden.
Im Großen und Ganzen möchte ich also sagen, dass in diesem Werk sehr viel gedacht, und relativ wenig ausgesprochen wird, eine Tatsache, die mir persönlich weniger zusagt.
Quellenverzeichnis
Daten über den Autor Max Frisch (26.12.00): http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/FrischMax/index.html