Autor:
Stefan Zweig (1881-1942)

Entstehungszeit:
1925

Textsorte:
Novelle (soll ein bedeutungsvolles Ereignis aus dem Alltagsleben darstellen und durch das Aufzeigen einer Krisensituation vermitteln, was Menschenleben überhaupt ist „Friedrich Theodor Vischer“).

Literarische Richtung:
Österreichische Literatur zwischen 1918 und 1938

Sprachliche u. stilistische Merkmale:
Die äußere Handlung dieser Erzählung ist gering, aber voller dramatischer Zuspitzungen.

Ort:
Wien

Biografie:
Stefan Zweig wurde 1881 in Wien geboren. Er studierte in Berlin und Wien und promovierte 1904 zum Dr. phil. Danach unternahm er ausgedehnte Reisen. Während des ersten Weltkrieges im Kriegsarchiv tätig, bekannte er sich 1917 öffentlich zum Pazifismus, lebte bis Kriegsende in Zürich und kehrte 1919 nach Salzburg zurück. 1938 emigrierte er nach England. 1940 übersiedelte Zweig in die USA, 1941 nach Brasilien. Dort beging er gemeinsam mit seiner Frau als innerlich zerbrochener Exilant 1942 Selbstmord.

Weitere Werke:

  • Der Amokläufer (1922)
  • Angst (1925)
  • Verwirrung der Gefühle (1927)
  • Drei Meister (1920)
  • Heilung durch den Geist (1931)
  • Sternstunden der Menschheit (1927)
  • Marie Antoinette (1932)
  • Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam (1934)
  • Maria Stuart (1935).
Personen:
Irene Wagner:
Sie ist seit acht Jahren verheiratet und hat zwei Kinder. Doch es scheint, als ob sie ihren Mann nicht sehr gut kennen würde:
Weiters erfolgte die Heirat auf Anregung der Eltern hin, was für die damalige Zeit durchaus noch üblich war. Eine Sympathie war zwar vorhanden, jedoch ist die Bindung nicht so intensiv, wie sie vielleicht wäre, wenn sie sich erst selbst richtig kennen gelernt, verliebt und schließlich dann erst geheiratet hätten. Als Irene der Erpressung nachgibt, steigert sie sich in einen sinnlose, lächerliche Angst hinein. Sie versucht zu entfliehen, aber in ihrer Hilflosigkeit sieht sie keinen Ausweg. Sie hat Alpträume, die ihre Schuld noch verstärken. Auch ihrem Mann kann sie sich nicht anvertrauen, obwohl sie weiß, dass er ihre Veränderung bemerkt. Das Einzige, das Irene noch klar beschließen kann, ist ihrem Leben ein Ende zu bereiten.

Fritz Wagner:
Er ist einer der bekanntesten Verteidiger der Residenz und will mit seiner Vergeltungsaktion seine Frau dazu bewegen, wieder zu ihm und seinen Kindern zurückzukommen. Er möchte, dass die Kinder Mutter und Vater haben und nicht als Scheidungskinder aufwachsen, da diese häufig darunter zu leiden haben. Außerdem sollen ihre Eltern den Kindern ein Vorbild sein. Deshalb will er sie auch dazu bringen, sich wieder den gesellschaftlichen Normen entsprechend zu verhalten:

Außerdem hat er Angst um sein Ansehen, denn als Anwalt hat er eine etwas höhere Stellung in der Gesellschaft und, wenn seine Frau ihn betrügt, wäre dies schädlich für sein Ansehen.
Er möchte, dass Irene ihm die Affäre selbst gesteht, doch dies zeigt nur, dass er anscheinend unfähig ist, mit seiner Frau offen zu sprechen. Darüber hinaus hat er eine psychologische Leidenschaft, die ihn weit über das Maß der juristischen Ansprüche an seinen Beruf fesselt. Mit seinem gesamten Handeln sorgt er letztendlich dafür, dass seine Frau so verstört und verzweifelt ist, dass sie sich das Leben nehmen will.

Erpresserin:
Sie wird als eine ungepflegt erscheinende Frau mit massigem Körper und schlechtem Atem beschrieben. Die Schauspielerin hat sicher nicht die Erlaubnis eigenhändig zu handeln, sondern muss das tun, wozu Fritz Wagner sie anweist. Sie ist Frau Irene gegenüber kalt und höhnisch und spielt ihre Rolle als Ex-Geliebte Eduards sehr glaubhaft.

Eduard:
iFrau Irene und er lernten sich bei einer gelegentlichen Abendunterhaltung kennen. Als sich Frau Irene wegen der Erpressung von ihm und der Affäre entfernt, ist er anfangs sprachlos und möchte wissen warum. Doch nach einigen Tagen hat er schon wieder eine neue Affäre.

Inhalt:
In der Novelle „Angst“ von Stefan Zweig geht es um Frau Irene Wagner, die trotz ihrer glücklichen Ehe, ihrer zwei Kinder und ihres Reichtums, oder vielleicht gerade wegen dieser Harmonie, einen Geliebten von gewöhnlichem Stande hat. Das ist weiter nicht schlimm, bis sich eines Tages ihre Angst von jemandem gesehen und erkannt zu werden, ausgerechnet in Person einer derben Proletarierin, die angibt die ehemalige Geliebte des Geliebten zu sein. Da Frau Irene wie erstarrt ist, greift sie zum Naheliegendsten, ihrer Brieftasche, und übergibt dem Gegenüber fast dem gesamten Inhalt. Mit der Beteuerung, den Geliebten nie mehr zu sehen, hetzt sei nach draußen. Obwohl sie Eduard, dem Verführer, dessen drängen die nur Langeweile nachgegeben hat, gleich darauf eine Absage der nächsten Treffen zukommen lässt, auf welche dieser unwissend des wahren Grundes, mit Liebesbeteuerungen antwortet, kann sie nicht umhin ihn noch einmal zu sehen.

 
Die erste erschreckende Angst ist verflogen und die Hilflosigkeit des anderen, den sie noch absichtlich auf Distanz hält, um den Spaß des Spiel noch zu steigern, beginnen sie zu reizen. Dieses neue Interesse ist jedoch nur von kurzer Dauer, da sie nach dem Treffen wieder von der Person aufgelauert und um Geld erleichtert wird. Frau Irene hat Angst und meidet die Öffentlichkeit. Sie sieht den Geliebten nicht wieder, was die Erpresserin nicht abhält, in einem Brief neue Forderungen zu stellen. Da die Forderungen immer weiter steigen sind, weiß Frau Irene nicht, wie lange sie noch bezahlen kann. Fritz, ihren Mann, der durch das auffällige Verhalten, die Alpträume in der Nacht und den Brief, den er nicht lesen durfte, schon misstrauisch geworden ist, kann sie natürlich nicht nach Geld fragen. Sie fragt sich immer öfter, wie er wohl reagieren würde, der Richter von Beruf, wenn er von ihrer Untreue erfahren würde. Sie sind zwar schon so lange verheiratet, doch eher verheiratet als zusammen.
 
Er hatte sie immer gut behandelt und war nie böse gewesen. Auch wenn eines der Kinder etwas anstellte, kam es vor den Richter, der das Geständnis mit allen Mitteln zu erzwingen suchte, in der Bestrafung aber eher mild war. Seiner Ansicht nach, ist das Verstecken und die Angst vor der Entdeckung die größte Last die man jemandem aufbürden kann, und damit Bestrafung genug. Frau Irene zweifelt jedoch, ob er auch mit ihr so verfahren würde. Ein weiterer Brief und sogar ein persönlicher Besuch der Person, bei dem sie Frau Irene ihren Ehering abnimmt, scheuchen sie immer mehr in die Enge und sie glaubt, schon das vorsichtige, sanfte, aber doch bestimmte Drängen ihres Mannes nach einem Geständnis zu spüren. Er bemerkt das Fehlen des Ringes und sie kann sich nur mit einer Notlüge über das Putzen des Ringes befreien.
 
Der Druck der Umwelt wächst ins Unermessliche und Frau Irene sieht bald nur noch einen Ausweg, falls sie den Ring nicht innerhalb der nächsten zwei Tage zurückerhält.
Bei einer früheren Krankheit hatte ein Arzt ihr Morphium verschrieben, welches in genügend hoher Dosis sicherlich tödlich ist. Da sie aber nicht mehr genug im Hause hat, beschließt sie, in einer Apotheke mehr zu kaufen. Vorher will sie aber noch einmal versuchen, die Person zu finden, um den Ring zu bekommen. Sie wandert die Straßen auf und ab, immer in der Hoffnung die Person zu finden. Als sie nirgends Glück hat, keimt der Verdacht, dass dies alles ein ausgemachtes Spiel des Geliebten sein könnte.
 
Also geht sie noch einmal zu ihm, wütend wird sie, als er sie nicht hereinlassen will und jede Kenntnis von einer früheren Freundin mit dieser Beschreibung abstreitet. Sie stürzt in die Wohnung, trifft aber zu ihrer Scham nur eine andere Dame der höheren Gesellschaft, der sich Eduard anscheinend an ihrer statt angenommen hatte. Enttäuscht und deprimiert geht sie langsam den Weg zur Apotheke und verlangt das Morphium. Als sie gerade bezahlen will, spürt sie ihren Arm weggedrückt, und sieht ihren Mann. Der nimmt sie mit sich nach Hause, vernichtet den Inhalt des kleinen Fläschchens und wirkt wütend. Erst mit der Zeit bemerkt Frau Irene, dass er ihr immer noch gut gesinnt ist und er gesteht seine Schuld, und dass die Erpresserin nur eine gemietete Schauspielerin war, während sie in Tränen ausbricht. Er trägt sie zu Bett, wo sie sofort einschläft. Am nächsten Morgen erwacht sie mit ihrem Ring am Finger.
 
Zusammenfassend kann man sagen, dass diese Vergeltungsaktion sicher auch als Vergeltung oder Rache gedacht war, denn ansonsten hätte er sie nicht so leiden lassen müssen.
Obwohl der Schluss optimistisch wirkt, ist es nicht sicher, dass sich dieser Optimismus fortsetzt, nach all dem, was vorgefallen ist. Die Frage ist hier, ob er ihr nach ihrem Ehebruch wirklich nachsehen kann und ob sie ihm seine beinahe unmenschliche Vergeltungsaktion verzeihen kann. Der Text lässt dies ziemlich offen, jedoch merkt man, dass ein Schatten über ihrer Beziehung bleiben wird.

Persönliche Stellungnahme:
Ich finde Stefan Zweig hat in dieser Novelle seine Ängste und die der Menschen genauestens ergründet. Er stellt die Gefühle der Charaktere leicht verständlich dar. Das Gefühl der Ausweglosigkeit ist gerade in der heutigen Zeit eine oft verharmloste Gefahr für die Psyche. Aber an wen sollen wir uns denn wenden, wenn jeder nur mehr Zeit für sich selbst hat? Wer hilft uns denn mit unseren Ängsten fertig zu werden?

Stefan Zweig hat schon damals die Gefahren der sogenannten Zivilisation gesehen. Ich finde wenn man sein Leben verfolgt bemerkt man auch die Angst, die in ihm war. Es sieht aus als wäre er ständig auf der Flucht gewesen. Auch er hat schließlich seinem Leben selbst ein Ende bereitet.

Dr. Freuds Theorien:
Freud beschäftigte sich in seiner Arbeit als Psychoanalytiker hauptsächlich mit der Ätiologie der Neurosen, wobei das Phänomen der Angst ein wichtige Rolle spielte. Diesem widmete er sich 1926, im Alter von ca. 70 Jahren noch einmal umfassend in einer theoretischen Auseinandersetzung. In der Schrift ,,Hemmung, Symptom und Angst“ und vor allem in den Nachträgen dieser Arbeit diskutierte Freud auch seine älteren Auffassungen zur Angst und zeigte die wesentlichen Veränderungen auf, die in dieser Abfassung vorgenommen wurden.

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