Das Leben (Charakteristik) des Autors:
Carl Zuckmayer wurde am 27. Dezember 1896 als Sohn eines Fabrikanten in Nackenheim (Rheinpfalz) geboren.
Von 1903 bis 1914 besuchte er das humanistische Gymnasium in Mainz, wohin er und seine Eltern bereits 1900 umgezogen ist. Da sie alle sehr heimatverbunden waren, verließen sie den Strom nicht. Zuckmayer hatte eine sehr lebhafte Phantasie und schon damals einen blühenden Sprachausdruck. Den Kriegsdienst leistete er an der Westfront. Während der ersten nKriegsjahre war seine dichterische Ausdrucksfähigkeit gehemmt, er schaffte den erneuten Durchbruch jedoch 1916, aus dem eine Reihe von Abhandlungen, Skizzen und Gedichte hervorgingen. Nach dem Krieg begann er ein Studium der Nationalökonomie, Philosophie und Biologie in Frankfurt am Main. Lehrer wie Friedrich Gundolf, Hans Driesch, Alfred Weber und Karl Jaspers unterrichteten ihn dort.
1920 ging Zuckmayer eine Studentenehe mit seiner Jugenliebe aus seiner Mainzer Gymnasialzeit ein. Doch schon nach einem Ehejahr ließ er sich wieder scheiden und brach sein Studium ab. In München traf er später mit Erich Engel und Bert Brecht zusammen. Seine Bearbeitung des ‘Eunuch’ wurde auch hier nicht angenommen, nachdem es in Kiel wegen ‘lasziver Erotik’ und politischer Aggressivität verboten worden war.
1925 heiratete er seine Lebensgefährtin Alice von Herdan. Ein Jahr später kam seine Tochter Winnetou zur Welt und der Dichter trifft erstmals Gerhart Hauptmann.
Im Herbst 1930 wurde ‘Der Hauptmann von Köpenick’ beendet und im März 1931 im Deutschen Theater in Berlin uraufgeführt.
Ein Aufführungsverbot, eine Folge seiner Angriffe gegen das System, bewirkte1933 seine Emigration nach Österreich. Von hier aus fuhr er häufig zu den Bühnen von London und Paris, wo er auch als Regisseur arbeitete. Seine Arbeit wurde durch den Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich unterbrochen. Das Haus bei Salzburg und seine Wiener Wohnung wurden von der Gestapo beschlagnahmt und verwüstet. Daraufhin floh er in die Schweiz. Ein Jahr später erreichte ihn die offizielle Ausbürgerung für ihn und seine Familie aus Deutschland. Filmarbeiten brachten genug Geld, dass die Familie in die Vereinigten Staaten übersiedeln konnte. Die Zeit des 2. Weltkrieges verbrachten sie dort. Er arbeitete in Hollywood und New York. Auf einer einsamen Farm entstand neben ‘Dem Hauptmann von Köpenick’ auch ‘Des Teufels General’, das wohl sein gelungenstes Stück ist. Mit viel Mühe gelang es ihm als Zivilangestellter der amerikanischen Regierung nach Deutschland zu kommen.
Durch seine anstrengenden Arbeiten zog sich Zuckmayer 1949 eine Herzkrankheit zu, die er in einem längeren Kuraufenthalt aber wieder ausheilte.
1951 zog er wieder nach Amerika, hielt sich jedoch auch zeitweise in Europa auf. 1952 erhielt er den Goethepreis der Stadt Frankfurt.
1958 übersiedelte Carl Zuckmayer nach Saas-Fee im Kanton Wallis in der Schweiz, wo er am 18. Jänner 1977 starb.
-Übersicht der Werke des Autors:
Carl Zuckmayers erstes Drama Kreuzweg , das 1920 in Berlin uraufgeführt wurde, wurde zu einem Misserfolg. Andere Werke sind Pankraz erwacht, Der fröhliche Weinberg, Schinderhannes, Katharina Knie, Der Schelm von Bergen, Belman, Des Teufels General, Barbara Blomberg, Der Gesang im Feuertofen, Das kalte Licht, Die Uhr schlägt eins, Das Leben des Horace A. W. Tabor, Der Kranichstanz und Der Rattenfänger.
Er schrieb nicht nur Theaterstücke sondern auch Erzählungen wie Der Bauer aus dem Taunus, Der Seelenbräu, Engele von Löwen, Die Fastnachtsbeichte und Romane wie Salwàre oder Die Magdalena von Bozen und Herr über Leben und Tod. Carl Zuckmayer schrieb auch eine Autobiographie, die er Als wär’s ein Stück von mir nennt.
-Entstehungsgeschichte des Werkes:
Carl Zuckmayer schwebte als Stoff ein ‘Eulenspiegel’vor, mit dem er sich jedoch ein Jahr herumplagte und nicht vom Fleck kam. Er wollte den ganzen Entwurf schon wegwerfen und sich an eine Tragikomödie machen, als er Fritz Kartner, einen alten Freund, traf, der ihn auf die Idee brachte, ‘den Hauptmann von Köpenick’ als Grundlage eines Stückes zu nehmen. Zuckmayer wusste nicht viel über ‘den Hauptmann von Köpenick’, obwohl er ihn
selbst einmal bei einer Mainzner Fastnacht im Jahr 1910 gesehen hatte. Von seinem Verlag ließ er sich die alten Zeitungsberichte und Prozessakten über den vorbestraften Wilhelm Voigt beschaffen. Fest entschlossen, das Stück zu schreiben, wusste er, das dies sein’Eulenspiegel’ war, ein armer Teufel, der durch Not Unfug treibt und sich somit Anerkennung schaffte. Die wahre Geschichte lag zwar 20 Jahre zurück, doch gerade 1930, als die Nationalsozialisten als zweitstärkste Partei in den Reichstag einzogen und die Nation in einen neuen Uniform Taumel versetzten, verkörperte ‘der Hauptmann von Köpenick’ ein Eulenspiegel-Bild des Unfugs und der Gefahren, die in Deutschland heranwuchsen. Zur Arbeit zog er sich ins ländliche Henndorf zurück. Ohne Hast und Stocken schaffte er es, das Manuskript in zwei Monaten fertigzustellen.
-Inhaltsangabe:
Zeit der Handlung ist vor dem ersten Weltkrieg. Der erste Akt spielt etwa um die Jahrhundertwende, der zweite und dritte zehn Jahre später.
Adolf Wormser ist der Besitzer eines Berliner Uniformgeschäftes und Königlich-Preußischer Heereslieferant zur Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Hauptmann von Schlettow, ein Gardeoffizier, lässt sich gerade eine neue Uniform von Zuschneider Wabschke anpassen. Da die Gesäßknöpfe aber nicht nach Vorschrift sitzen, muss Wabschke eine Änderung machen. Während dieses Gesprächs schaut Wilhelm Voigt, eine schmächtige, magere Gestalt, zweimal zur Tür herein. Er ist auf Arbeitssuche, wird jedoch gleich wieder vor die Tür gesetzt.
Kurz darauf taucht er im Potsdamer Polizeibüro auf, wo er um eine Aufenthaltsgenehmigung oder einen Pass bittet, da er sonst keine Arbeit bekommt. Da er aber erst kürzlich nach 15 Jahren Gefängnis entlassen wurde, wird ihm dies verweigert. Ohne Arbeit bekommt er keine Aufenthaltsgenehmigung und ohne Aufenthaltsgenehmigung keine Arbeit, so steckt er mitten in einem Teufelskreis.
Am nächsten Tag trifft er sich mit Kalle, seinem Kollegen und Pennbruder, im Café National. Auch Hauptmann Schlettow und Doktor Jellinek tauchen auf, um eine Stärkung zu sich zu nehmen. Schlettow ist in Zivil. Da das Lokal eines der zweifelhafteren Sorte ist, ist es für das Militär verboten. Schlettow fühlt sich sichtlich unwohl, besonders als er versucht, Kalle und einen Gardegrenadier, die sich wegen einer Frau prügeln, zu trennen. Schlettow versucht den Soldaten mit militärischen Kommandos zur Ruhe zu bringen, dieser lässt sich jedoch nichts von einem ‘normalen Zivilisten’ sagen. Daraus entsteht eine Schlägerei, bei dem die beiden von einem Polizisten abgeführt werden.
Später bewirbt sich Voigt bei einer Schuhfabrik namens ‘Axolotl’, wird aber abgelehnt, da er nicht ‘gedient’ hat.
Inzwischen muss Hauptmann Schlettow den Dienst quittieren und er bringt die bereits geänderte Uniform zu Wormsers Laden zurück.
Wilhelm Voigt hat andere Sorgen. Er braucht unbedingt einen Pass, denn sonst kommt er nicht mehr aus diesem Teufelskreis heraus. Beim Einschlafen in einer Trippelbrüderherberge überredet er seinen Freund Kalle zu einem Einbruch ins Potsdamer Polizeirevier, wo er sich einen Pass ausstellen und seine Vorgeschichte aus den Akten verschwinden lassen will. Der Anschlag misslingt jedoch, die beiden werden geschnappt.
Bürgermeister Obermüller, der gerade zum Leutnant befördert wird, kommt in Wormsers Laden, um sich schnellstens eine neue Uniform zu besorgen. Wormser ändert ein paar Kleinigkeiten an der von Schlettow und verkauft ihm diese.
Zehn Jahre sind vergangen. Voigt wird aus der Strafanstalt entlassen. Während seiner Gefangenschaft hat er viel über das preußische Militärwesen gelernt. Zunächst findet er bei seiner Schwester und ihrem Mann, den Hoprechts, Aufnahme. Doch auch sein Schwager, der Beamter ist, kann gegen die Übermacht der Behörde nichts ausrichten, und ihm somit auch keinen Pass besorgen.
Inzwischen herrscht helle Aufregung in der Wohnung des Bürgermeisters und jetzigen Hauptmanns Obermüller. Er muss um Punkt vier Uhr im Kaisermanöver sein, die neue Uniform, die ihm Wormser versprach, wurde aber noch nicht geliefert. Die Verzweiflung hat den Höhepunkt erreicht, als Wabschke in der letzten Minute doch noch mit der Uniform erscheint. Wabschke darf die alte Uniform als Anzahlung mitnehmen, die jedoch nur noch für einen Maskenball taugt.
Wilhelm Voigt ruht einige Tage bei seiner Schwester, bei denen auch noch ein lungenkrankes Mädchen zur Untermiete wohnt. Ihr geht es von Tag zu Tag schlechter und als er ihr gerade eine Geschichte vorliest, bringt ihm der Postbote die Nachricht von seiner Ausweisung. Wenige Tage darauf stirbt das Mädchen. Voigt deckt die Abgeschmacktheit des preußisch-deutschen Staats- und Militärsystems auf und deutet an, dass er einen ganz bestimmten Plan hat. Dann verabschiedet er sich.
In einem jüdischen Trödlerladen kauft er eine alte Hauptmannsuniform. In einem WC kleidet er sich um. Er probiert die Wirkung an einem verdutzten Dienstmann. Sie ist durchschlagend. Voigt erscheint mit einem Trupp ostpreußischer Grenadiere, die er auf seinem Weg getroffen und seinem Kommando unterstellt hat, im Köpenicker Rathaus und verhaftet Bürgermeister Obermüller und Stadtkämmerer Rosencrantz. Vom Polizeiinspektor lässt er sie auf die Neue Wache in Berlin bringen. Beiläufig fragt er nach einem Passamt, das zu seiner Enttäuschung in Teltow zu finden ist. Er lässt die Soldaten gehen, nimmt das Geld aus der Kasse und verschwindet.
Schon am nächsten Morgen kann man in jeder Zeiting vom ‘falschen Hauptmann von Köpenick’ lesen. Plötzlich erscheint im Polizeipräsidium ein Passkommissar, der behauptet, den falschen Hauptmann zu haben. Er bringt Wilhelm Voigt, der sich gestellt hat, nachdem ihm versprochen wurde, endlich einen Pass zu bekommen. Auch das Versteck der Uniform sagt er ihnen. Voigt wird bewirtet und noch nie ist er auf einer Behörde so gut behandelt worden. Er erzählt die ganze Geschichte, gibt fast das ganze Geld zurück und will nun seinen Teil des Versprechens. Als die Uniform gebracht wird, zieht er sie noch einmal an und betrachtet sich im Spiegel. Die Uniform schlottert ihm um den Leib, ein immer lauter werdendes Gelächter beginnt, das mit dem Wort ‘unmöglich’ endet.
-Personencharakteristik bzw. Zusammenhänge von Personen:
Wilhelm Voigt:
Die Hauptperson Wilhelm Voigt ist einer von unzähligen Handwerksgesellen. Er spricht, wie beinahe alle anderen Personen des Buches, im Berliner Dialekt. Er ist eine schmächtige Gestalt, mager , etwas gebückt, leichte O-Beine, hohles Gesicht mit starken Backenknochen, grauer Schnurrbart und fahle Hautfarbe. Durch sein Aussehen glauben die meisten, dass er ein Assozialer ist. In ihm steckt jedoch mehr als seine braven Mitbürger von ihm glauben. Er ist sehr heimatverbunden und das treibt ihn schlieslich zur Verzweiflung, da er keinen Pass und keine Aufenthaltsgenehmigung bekommt. Dies treibt ihn zu einer Kurzschlussreaktion- er bricht ins Polizeirevier ein, um einen Pass zu fälschen. Nachdem er von seiner erneuten Haft entlassen wurde, macht er nichts Unüberlegtes mehr. Wilhelm Voigt ist sehr schlagfertig und lernfähig- während seines Gefängnisaufenthaltes lernt er viel über Militärwesen. Er zeigt sehr viel Gefühl dem kranken Mädchen gegenüber.Das meiste seines Wissens ist nicht angelernt sondern im Kampf um seine Heimat erobert.
Kalle:
Kalle ist Wilhelms Freund und Knastbruder. Er ist ein Verbrechertyp, da er beim Einbruch nur an das Geld in der Kasse denkt.
Schlettow:
Schlettow ist das Gegenteil von Voigt. Er ist nicht zerlumpt sondern sauber-gestriegelt. Sein Interesse gilt dem Milität. Er ist ein aroganter Kerl, der keine Selbstbeherrschung hat-Scene im Café.
Marie und Friedrich Hoprecht:
Marie Hoprecht ist Wilhelm Voigts Schwester. Die Hoprechts sind brave Bürger und auch sehr menschlich, da sie sich um ein lungenkrankes Mädchen kümmern. Friedrich ist gutmütig und dem Staat treu. Marie fällt es schwerer als Friedrich Wilhelm zu vertrauen.
Bürgermeister Obermüller:
Er ist ca. 30 Jahre alt, gut gewachsen, etwas korpulent mit Zwicker und blondem Schnurrbart. Obwohl sein Gesicht immer einen besorgten Eindruck macht, ist er ernst und überzeugend. Jedoch versagt er in der wichtigsten Situation- als Wilhelm Voigt ihm in der Uniform gegenübersteht.
Wormser:
Wormser ist Besitzer eines Uniformladens und versteht die Wünsche und Launen seiner Kunden. Er ist Jude, aber keiner unterscheidet ihn von anderen Geshäftsleuten.
-Interpretationsversuch:
Wie im Märchen bahnt sich schlussendlich das Gute seine Bahn. Zuckmayer geht nicht an den sozialen Problemen vorbei, jedoch versucht er ihnen durch ein gutes Ende und die märchenhafte Form die Schärfe zu nehmen.
-Untersuchung des Stils, Sprache, Gattung:
-Sprache: Carl Zuckmayr ließ die Hauptpersonen im Berliner Dialekt sprechen, um das Menschliche in ihnen hervorzuheben und weil er Berlin liebt.
-Stil: …..
-Gattung: Der Untertitel des “Hauptmannes von Köpenick”lautet “ein deutsches Märchen”. Zuckmayer versucht seinem Drama etwas Märchenhaftes zu verleihen.
-Wirkung des Werkes ( damals und heute):
Dieses Stück hatte schon damals eine enorme Wirkung auf die Bevölkerung und war ein voller Publikumserfolg. In der Bundesrepublik Deutschland wurde es zum zweitbeliebtesten Schauspiel und 1931 wurde der Hauptmann von Köpenick sogar verfilmt. Das Stück hat bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt und wird noch immer gespielt.
Mir hat das Buch vom Inhalt her gut gefallen, da der Berliner Dialekt die Personen, vor allem aber Wilhelm Voigt, viel menschlicher darstellt und weil der ausgestoßene Wilhelm Voigt am Ende doch noch zu seinem größten Triumph gelangt.
-Epochencharakteristik
In Deutschland versuchte nach 1880 eine junge Dichtergeneration eine Literaturrevolution. Im Protest gegen die bestehenden sozialen Verhältnisse wollte man die problematische Wirklichkeit ungeschminkt darstellen. Die Naturalisten (allen voran Gerhsrt Hauptmann) wollten keine schönen Kunstwerke schaffen, sondern das Leben auch in seiner Hässlichkeit darstellen.
Neben dem Naturalismus entwickelten sich der Symbolismus und der Impressionismus als entschiedene Gegenbewegung.
-Querverbindungen (zu anderen Ländern, Künstlern, polit.-,geschichtl.-,sozialer Art):
Carl Zuckmayer erlebte beide Weltkriege. Er diente im ersten Weltkrieg als freiwilliger Soldat. Im “Hauptmann von Köpenick” äußert er seine Kritik am preußischen Militarismus.
Auch Heinrich Kleist, Heinrich Heine, Gerhart Hauptmann, Theodor Fontane und Theodor Storm setzen sich mit den Problemen des preußischen Staates und seinem Heer in ihren Gedichten, Novellen, Briefen und Stücken auseinander
-Quellenangaben:
– Carl Zuckmayer, Der Hauptmann von Köpenick, Fischer Taschenbuch;
– Hartmut Scheible, Erläuterungen und Dokumente zu Carl Zuckermayer`s Der Hauptmann von Köpenick, (Reclam);
– Werner Frizen, Oldenbourg Interpretationen;
– Siegfried Mews, Grundlagen und Gedanken zum Verständnis des Dramas, Diesterweg Verlag;
-Leseprobe:
Seite 142-144, (Zuckmayer, Carl: Der Hauptmann von Köpenick, Ein deutsches Märchen in drei Akten; Fischer Taschenbuch Verlag, 1961).