Zum Autor:
Gerhart Hauptmann wurde geboren im Jahr 1862 in Obersalzbronn / Schlesien als Sohn eines Gastwirtes und ist einer der bedeutendsten deutschen Vertreter des Naturalismus.
1888 schrieb er seine erste und wohl bekannteste Novelle „Bahnwärter Thiel“, die in einer Zeitschrift veröffentlicht wurde und der man schon den Hang zum Naturalistischen entnehmen konnte.
Bald darauf, nämlich 1892, erschien sein wohl reifstes Stück „Die Weber“, welches gleichzeitig den Höhepunkt an Begeisterung und Empörung darstellte, da es das erste Mal in Deutschland war, dass man das Proletariat in künstlerisch gültiger Gestalt auf die Bühne brachte.
In der „Atriden-Tetralogie“ (1941 / 1946) setzte Hauptmann sich mit dem Zweiten Weltkrieg und dessen Folgen auseinander. Weitere bekannte Werke von ihm sind „Die Ratten“ (1911), „Der Biberpelz“ und „Rose Bernd“ (1903).
Das Drama „Vor Sonnenuntergang“ entstand in den Jahren 1928 und 1931.
Hauptmann war in erster Linie Dramatiker und Erzähler und schuf gesellschaftskritische Stücke mit tiefgründiger Gestaltung der Charaktere und des Milieus. Später wandte er sich jedoch eher idealistischen und mystischen Themen zu. Dennoch bewahrte er seinen Hang zum Humanismus.
Im Jahre 1946 starb Gerhart Hauptmann.
Wichtige Personen:
- Geheimrat Matthias Clause
- seine Kinder Wolfgang, Egmont, Bettine und Ottilie
- Inken Peters
- Justizrat Hanefeldt
- Professor Geiger
Zum Inhalt:
Der erste Akt des Dramas beginnt mit einer Gartenfeier im Anwesen von Geheimrat Matthias Clausen, da dieser geehrt werden soll. Es ist eigentlich der erste größere Auftritt des Geheimrats seit dem Tod seiner Frau vor 3 Jahren. Auf diesem Fest begegnet er der Nichte des Gärtners auf seinem Anwesen, Inken Peters. Zwischen den beiden stimmt es sofort.
Diese anfängliche Begegnung entwickelt sich nach und nach zu einer Beziehung. Da der Geheimrat schon etwas betagt ist und mittlerweile 70 Lenze zählt, machen sich seine Kinder immer mehr Sorgen darum, dass das bevorstehende Erbe vielleicht durch eine Nebenbuhlerin, Inken nämlich, nicht in ihre Hände fällt. So setzen sie alles daran, die Beziehung zwischen den beiden zu verhindern.
Der ohnehin schon labile Geheimrat droht an den Taten seiner Kinder zu zerbrechen, dennoch möchte er um seine späte Liebe kämpfen. Etwa ein halbes Jahr gelingt ihm das und Inken und er führen ein glückliches Leben ohne viel Kontakt zur Nachkommenschaft.
Doch dann kommt der Tag, an dem er erfährt, dass seine Kinder ihn entmündigen haben lassen, da sie ihn nicht mehr für ganz zurechnungsfähig halten. Der Geheimrat bricht zusammen und weiß danach kaum noch, was er tut, was er will und was er machen soll.
Eines nachts läutet er beim Gärtner und dessen Schwester, Inkens Mutter, an und fragt nach Inken, obwohl diese eigentlich bei ihm ist. Die Mutter ahnt sofort, dass mit diesem Manne etwas nicht stimmt, denn er kam allein und verwirrt durch die kalte und verregnete Nacht zu ihrem Haus. Deswegen holt sie den Pastor von nebenan.
Wenig später stößt auch Inken zum mütterlichen Hause und ist verzweifelt, weshalb man auch versucht, sie vom Geheimrat fernzuhalten, damit er zu etwas Ruhe kommt.
Währenddessen schüttet sich dieser ein Gift in ein Glas Wasser und stirbt kurz darauf.
Das Drama endet mit den Worten: „Die Familie Clausen hat ja jetzt, was sie will.“
Interpretation:
„Vor Sonnenuntergang“ ist ein Drama in fünf Akten und entstand in den Jahren 1928 und 1931. Uraufgeführt wurde es 1932 im Lessing Theater in Berlin.
Die Reihenfolge der Akte ist zwar chronologisch, aber die Geschehnisse eines Aktes knüpfen nicht gleich an den nächsten Akt an; es liegt immer ein gewisser Zeitraum dazwischen, seien es ein paar Monate, Wochen oder auch nur ein Tag.
Auch der Ort ist nicht immer derselbe, jedoch spielt sich alles in derselben Stadt ab.
Man kriegt hauptsächlich Einblick in die Charaktere durch die Dialoge und durch die Sprache, die sie benutzen, sowie durch ihre Handlungen, die vorher genau instruiert wurden. Hauptmann hat dieses Stück bis aufs kleinste Detail durchgeplant, so hat man zumindest den Eindruck. Es sind am Anfang eines Aktes Regieanleitungen vorhanden und auch während des Aktes kommen Anweisungen, wie sich die Schauspieler zu verhalten haben.
Wenn man die Inhaltsangabe auf der Rückseite des Buches liest, so steht da:
„Leitmotivisch handelt das Stück von der Auflösung der alten patriarchalischen
Ordnung, die im Zusammenhang mit dem Verfall bürgerlicher Lebensformen steht.“
Viel ist dem eigentlich nicht mehr hinzuzufügen, denn genau das drückt das Drama aus – den Verfall bürgerlicher Lebensformen und die Auflösung einer patriarchalischen Ordnung.
Ersteres ist so zu verstehen, dass immer mehr materielle Dinge wie Geld und Anwesen wichtig werden, obwohl doch die Bildung und der Charakter einen Menschen erst als Individuum auszeichnen. Geändert hat sich das bis zum heutigen Tage nicht.
Letzteres ist so zu deuten, dass die alte Ordnung, die besagt, dass man sich nach dem Vater zu richten hat und dass allein der Vater die Macht über alles, was das Familiäre angeht, hat, langsam, aber doch zugrunde geht.
Vor dem Beginn des ersten Aktes gibt Hauptmann noch den Hinweis, dass der Ort der Handlung eine größere deutsche Stadt ist, was meiner Meinung nach darauf hindeuten soll, dass diese Geschichte wirklich irgendwo passieren kann bzw. passiert sein könnte und es völlig egal ist, wo dieser Platz ist.
Zur Epoche:
Naturalismus und Realismus sind zwei Richtungen in der Literatur, die man kaum voneinander trennen kann, denn sie gehen beinahe nahtlos ineinander über.
In Deutschland legt man den Stil des Naturalismus, der von Frankreich ausging, in der Zeit zwischen 1880 und 1900 fest. Hauptmann gilt neben dem französischen Schriftsteller Zola als Hauptvertreter dieser Epoche.
Die Hauptmerkmale des Naturalismus sind die Darstellung von gesellschaftlichen Zusammenhängen, das Streben nach Naturtreue, vor allem im Elendsmilieu, und es ist eine Weltanschauung, die alles von der Natur ableitet.
Der Mensch gilt als Triebwesen sowohl durch Vererbung als auch durch seine Umgebung. Wenn es darum geht, ist der Charakter des jeweiligen Menschen irrelevant, denn dieser wird erst geformt durch bestimmte Einflüsse von außen. Des weiteren wurde das Proletariat zum ersten Mal auf die Bühne gebracht und dort als leidende Masse dargestellt.
Die Werke der Naturalisten enden meist mit einem offen Ende bzw. gibt es kaum Hoffnung auf ein positives Ende, das heißt, der Leser muss sich dies selbst denken. Alle Figuren werden realistisch dargestellt ohne Verschönerungen und ohne Emporhebung zum Heldentum und ohne Fall eines Menschen zum Bösewicht.
Der unnatürliche Monolog wird vermieden, damit auch die Situation als realistisch erscheint.
Charakterisierung:
Geheimrat Matthias Clausen:
Er ist ein Mann von 70 Jahren, seit 3 Jahren Witwer und Vater von 4 Kindern, der den Rest seines zuende gehenden Lebens genießen möchte, nachdem er von seiner Tochter Bettine aufopferungsvoll aus der Tristesse herausgeholt wurde. So kann es gar nicht anders kommen, als dass er sich noch einmal verliebt. Doch so hatten sich seine Kinder dies nicht vorgestellt – lieber hätten sie es gesehen, wenn der alte Mann ein paar Feste gibt oder öfters ins Theater geht.
Doch dass es da auf einmal jemanden gibt, der ihnen die Erbschaft streitig machen könnte und noch dazu die Ehre der geliebten Mutter in den Schmutz zieht, war nicht ihr Plan gewesen.
Doch der Geheimrat schert sich nicht darum, was seine Kinder von ihm oder von Inken halten; er weiß, dass das, was er tut, nicht falsch ist. Als er den Eindruck bekommt, dass seine Kinder mehr an seinem Erbe als an seinem Glück interessiert sind, pocht er auf seine Ehre und seinen Stolz und bricht mit seiner Familie.
Man könnte ihn auch einfach als Kavalier der alten Schule bezeichnen, denn das ist er auf jeden Fall. Er verhält sich zu allen freundlich, kann die richtigen Manieren zur richtigen Zeit aufbringen und steht auch sonst zu allem, was er tut und sagt.
Dass er sich umgebracht hat, war der letzte verzweifelte Schritt eines Mannes, der es wahrlich nicht leicht gehabt hat im Leben und der auf ein angenehmes Ende gehofft hat, aber bitter enttäuscht wurde.
Inken Peters:
Sie war immer ein tugendhaftes und braves junges Mädchen, das das tat, was man von ihm erwartete. Dies änderte sich jedoch, als sie sich gegen den Rat ihrer Mutter und diverser anderer außenstehender Personen und für eine Beziehung zum Geheimrat Clausen entschied. Dann war es plötzlich aus mit der Tugend: Sie wurde von den meisten Leuten, allen voran von den Kindern des Geheimrats, als eine Art Nestbeschmutzerin angesehen.
Inken ist eine Person, die zu dem steht, was sie tut oder sagt, und wenn sie Dinge für wichtig hält, dann engagiert sie sich auch dafür. In ihrer Liebe zum Geheimrat würde sie alles tun.
Vielleicht sucht sie auch nach einem Vater, der ihr all die Jahre ersetzen soll, die sie ohne Vater verbracht hat. Dieser ist nämlich unschuldig ins Gefängnis gekommen und hat sich dort selbst umgebracht, was Inken höchstwahrscheinlich nicht verkraftet hat. Jetzt sehnt sie sich nach einer Art Vaterfigur.
Kinder des Geheimrates:
Sie sind alle vier so unterschiedlich, wie man nur sein kann. Bettine ist diejenige, die sich um den Vater gekümmert hat nach dem Tod der Mutter und auch diejenige, die sich durch die Beziehung des Vaters mit Inken betrogen fühlt, denn immerhin war sie es, die immer für den Vater da war – abgöttische Liebe schlug in Hass um.
Egmont, der Jüngste, ist zwar nicht sehr begeistert von der Verbindung seines Vaters mit Inken, doch er akzeptiert es. Auch macht er nicht bei den Intrigen ihm gegenüber mit, höchstwahrscheinlich deshalb, weil er noch sehr jung ist und andere Dinge für ihn zählen.
Wolfgang und Ottilie, die restlichen Geschwister, handeln eher aus egoistischen Trieben und lassen sich auch leichter von außen manipulieren (durch die Ehefrau und den Ehemann und durch den Justizrat Hanefeldt). Ihnen geht es in erster Linie um das Geld des Vaters, danach kann man daran denken, wer dabei welchen Schaden nimmt.
Justizrat Hanefeldt:
Er ist ein nicht unbedingt angenehmer Zeitgenosse, aber hauptsächlich in der Hinsicht, dass er nicht gerade den stärksten Charakter aufweist und sich das nimmt, was er braucht, ohne Rücksicht auf Verluste. Hauptmann stellt ihn ein bisschen als einen Schmarotzer dar, aber trotzdem auch so realistisch wie möglich und dass dies durchaus nicht übertrieben ist, sieht man ja, wenn man sich die Menschen einmal genauer betrachtet.
Professor Geiger:
Der Professor ist ein alter Studienfreund des Geheimrats, den es nach Cambridge verschlagen hat. Die beiden schätzen sich gegenseitig sehr und wissen, dass sie aufeinander zählen können, wenn es hart auf hart kommt. So ist der Professor anwesend, wenn der Geheimrat ihn braucht und er ist es auch in der letzten Szene, als er stirbt.
Der Professor sagt seine Meinung geradeheraus und scheut sich auch nicht, dem Geheimrat zu widersprechen, dennoch verstehen sie sich die meiste Zeit. Die beiden verbindet einfach eine sehr alte und sehr gute Männerfreundschaft.
Persönliche Stellungnahme:
Mir hat das Drama ziemlich gut gefallen, vor allem, weil mir gleich beim Lesen klar geworden ist, was das Stück aussagen will. Trotzdem musste ich darüber noch länger nachdenken und so vollends kann man es auch nur verstehen, wenn man weiß, was die Ziele einer bestimmten Epoche, wie hier der Naturalismus, waren.
Die beiden Bücher werden höchstwahrscheinlich nichts miteinander zu tun haben, dennoch hat es mich an „Das Testament“ von John Grisham erinnert, so als ob es die Einleitung wäre zum Selbstmord des Vaters. Natürlich spielten hier auch noch andere Umstände eine große Rolle und die Situation war teilweise anders, schon allein deshalb, weil über 60 Jahre dazwischenliegen, aber dieser Gedanke wollte mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Es ist nicht so, dass ich begeistert bin von diesem Drama, wenngleich es mir doch gefallen hat, aber das Thema hat nicht unbedingt mein Interesse geweckt.
Den Anfang fand ich eigentlich ziemlich lustig, wo gewisse Personen als Paprikaschoten oder Glashauspflanzen und Bierkutscher bezeichnet werden und man hat noch nicht viel davon gemerkt, dass es sich um ein Drama handelt.