Allgemeines:
Der innere Monolog ist ein Darstellungsmittel in Romanen, Erzählungen und Hörspielen. Es wird versucht den Bewusstseinszustand einer Person unmittelbar wiederzugeben. Dies erfolgt ohne Einbindung einer dritten Person. Der innere Monolog ist eine subjektive Darstellungsform welche verschiedenste Entfaltungsmöglichkeiten für Phantasie und sprachliche Ausdrucksformen bietet. Seine typische Charakteristik erhält er durch die Wiedergabe des Bewusstseinsstromes. Dabei handelt es sich um eine vielschichtige Folge von Bewusstseininhalten (grob gesagt Gedanken), in denen Wahrnehmung, Empfindung und subjektive Reaktion in ihrer reinen Form vorliegen. Man kann dies leicht mit seinen eigenen Gedanken vergleichen. Man denkt selbst ja auch nicht nach einer strikten Vorlage. Der Mensch verbindet beim Nachdenken einen Gedanken sofort mit irgendeinem anderen Gedanken. Diese Gedankensprünge sind oft für Außenstehende nur schwer bis gar nicht nachvollziehbar. Betrachtet man aber den gesamten Gedankengang, kann man trotzdem einen Grundgedanken erkennen, auch wenn dabei Einzelheiten unklar sind. Das Nachdenken als solches kann als Bewusstseinstrom bezeichnet werden. Im englischen wird dieser Begriff und damit auch im weitesten Sinne der "Innere Monolog" selbst als "stream of consciousness" bezeichnet.
Der innere Monolog ist der erlebten Rede ähnlich. Er unterscheidet von ihr aber dadurch, dass das erzählerische Imperfekt und die dritte Erzählperson fehlen. Im inneren Monolog werden diese durch das Präsens und die erste Person (ICH- Form) ersetzt. Der innere Monolog erweckt den Anschein, als ob er als stummer Monolog von niemandem gehört würde. Natürlich gilt er jedoch dem Leser oder dem Zuhörer.
Typisch für den inneren Monolog sind die detaillierte Darstellung der Einzelheiten des Gedankenganges, sowie unvollständige, gebrochene Teilsätze. Auch das kann man wieder mit den seinen eigenen Gedanken vergleichen. Auch dort kommt es öfter vor das man durch irgendetwas abgelenkt oder unterbrochen wird und plötzlich seinen Gedanken verliert. Im inneren Monolog wird dies durch Punkte oder Gedankenstriche angezeigt.
Im inneren Monolog ist die erzählte Zeit länger als die Erzählzeit wodurch die geschlossene Form der Erzählung und des Dramas aufgegeben wird.
Mit dieser Textgattung wird die Welt als Reflexion im Inneren dargestellt. Diese Tendenz wird auch weitgehend als "Verinnerlichung" bezeichnet. Diese Darstellungsform wird im Impressionismus bevorzugt, wie zum Beispiel Arthur Schnitzler in seinem "Leutnant Gustl" der später noch genauer behandelt wird

Entwicklung:
Der Begriff "stream of consciousness" wurde erstmals von dem amerikanischen Psychologen William James in dessen 1890 erschienen Werk "The principles of psychology" verwendet. Er beschrieb mit diesem Begriff den Roman "Leslauriers sont coupés" des französischen Schriftstellers Edouard Dujardin welcher 1888 erschienen ist. In die Literaturkritik fand der Begriff "stream of consciousness" erstmals in einer Kritik der Autorin May Sinclair (1863-1946) Verwendung, um das Werk "Pilgrimage" von Dorothy Richardson (1873-1957) zu charakterisieren.

Die Technik fand besonderen Anklang im englischen und amerikanischen Modernismus, der sich im späten 19. Jahrhundert als Gegenbewegung zum literarischen Realismus und Naturalismus etablierte. Im deutschen Sprachraum wurde dieses Stilmittel erstmals von Arthur Schnitzler in dessen Novellen "Leutnant Gustl" und "Fräulein Else" konsequent eingesetzt.

Technik:
Der Autor versucht, den Ablauf von Bewusstseinsvorgängen (Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle, Reflexionen seiner Umgebung) einer Person so wiederzugeben, wie sie im menschlichen Bewusstsein ablaufen. Hierbei tritt der Autor ganz hinter seine Romanfigur und setzt deren Bewusstsein dem Leser ohne die durch den Erzähler geschaffene Distanz aus. Der Eindruck entsteht, der Autor verschmelze mit der Romanfigur. Dabei wird fälschlicher Weise oft angenommen, dass die Meinung der Romanfigur der Meinung des Autors entspreche. Der Verzicht auf Satzzeichen oder der Einhaltung grammatischer Regeln lässt den Eindruck eines authentischen Gedankenflusses entstehen.

Kennzeichen des Inneren Monologs:

  • Kette von Gedanken, Erinnerungen, Einfällen, Wünschen usw.
  • Kette folgt dem Prinzip der Assoziation, ein Inhalt löst den anderen aus.
  • Sinnesreize werden registriert und lösen neue Gedankenketten aus.
  • Sprunghafter Themenwechsel
  • Keine Distanz zwischen Figur und Bewusstseinsstrom
  • Keine voll ausgeformte Sprache
  • Lockerer Satzbau
  • Einfache Sätze
  • Ungebundene Reihung von Aussagen
  • Direkte Charakterisierung der Erzählfigur
  • Viele Fragen und Ausrufe
  • Reflexion der Umgebung durch die Erzählfigur
Vertreter:
Autoren verwenden den Inneren Monolog sehr gern in Romanen um ihre Romanfiguren besser charakterisieren und deren Denkensweise besser aufzeigen zu können. So ist er zum Beispiel Bestandteil der großen Romane bei James Joyce, Marcel Proust, Thomas Mann, Alexander Döblin. Der erste deutsche Vertreter, welcher dieses Stilmittel eingesetzt hat war Arthur Schnitzler mit seiner Novelle "Leutnant Gustl". Auf Arthur Schnitzler und seinen "Leutnant Gustl" wird nun in den folgenden Zeilen näher eingegangen.

Arthur Schnitzler:
Arthur Schnitzler wurde in Wien als Sohn des berühmten Laryngologen (Facharztes für Kehlkopferkrankungen) Johann Schnitzler am 15.05.1862 geboren. Von 1871 bis 1879 besuchte er das Akademische Gymnasium. Danach studierte er in seiner Heimatstadt Medizin und erhielt 1885 seine Zulassung als Arzt. Bis 1894 praktizierte er als Arzt, betätigte sich aber bereits in dieser Zeit nebenbei als Schriftsteller. Seinen ersten literarischen Durchbruch erreichte er mit "Liebeslied der Ballerine" in der Zeitschrift "Der freie Landbote".
Seit Anfang des 20. Jahrhundert gehört der Literat zu den meistgespielten Dramatikern auf deutschen Bühnen. Nach der Veröffentlichung von "Leutnant Gustl", in dem er den Ehrenkodex des österreichischen Militärs angreift, wird ihm der Offiziersrang als Oberarzt der Reserve aberkannt.

 
Als Schnitzler 1903 die 21-jährige Schauspielerin Olga Gussmann heiratet, ist der gemeinsame Sohn Heinrich bereits ein Jahr alt.
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges ging das Interesse an seinen Werken zurück. Dies hing auch damit zusammen, dass er sich als einer der wenigen österreichischen Intellektuellen nicht für die Kriegstreiberei begeistern konnte. 1921 wurde ihm anlässlich der Uraufführung des "Reigens" ein Prozess wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses gemacht. Er zog daraufhin seine Aufführungsgenehmigung zurück. Im selben Jahr wurde er von seiner Frau geschieden und erzog von da an seine Kinder Heinrich und Lili allein. Der Sohn arbeitete später als Regisseur. In der Folgezeit isolierte sich der Schriftsteller wegen physischer und psychischer Probleme zunehmend. In seinen letzten Lebensjahren schrieb er vor allem Erzählungen, in denen er Einzelschicksale um die Jahrhundertwende aus psychologischer Sicht darstellte. Am 21. Oktober 1931 starb Schnitzler im Alter von 69 Jahren an einer Gehirnblutung.

Leutnant Gustl:
Leutnant Gustl hat von einem Freund Karten für ein Konzert bekommen. Nun sitzt er in einem Wiener Konzertsaal und langweilt sich. Anstatt sich auf das schöne Oratorium zu konzentrieren, wirft er lieber wildfremden Mädchen Blicke zu und denkt an alles mögliche, nur nicht an die Musik. Als das Konzert endlich aus ist, drängt er sich zur Garderobe wo es durch das Drängen und Stoßen des jungen Offiziers zu einer Auseinandersetzung mit einem Bäckermeister, den Gustl aus seinem Stammcafé kennt, kommt. Der junge Gustl kann seinen Säbel nicht ziehen, da der wesentlich stärkere Bäckermeister seine Waffe in der Scheide hält und dem jungen Offizier droht das Schwert zu zerbrechen, wenn er nicht Ruhe gebe. Doch damit nicht genug. Er nennt ihn auch noch einen "dummen Bub".

 
Als Gustl ganz verwirrt vor dem Konzerthaus steht und die vorangegangenen Ereignisse analysiert überkommt es ihn plötzlich: Er wurde in seiner Ehre beleidigt! Deshalb beschließt er sich umzubringen. Er spaziert ziellos herum und denkt nach, was er tun könnte damit er nicht Selbstmord begehen muss. Gustl überlegt sogar nach Amerika auszuwandern. Er kommt in den Prater und erkennt, dass es keinen anderen Ausweg aus dieser verzwickten Lage gibt, außer dass er sich umbringt. Er setzt sich auf eine Bank und schläft ein.
Als er am nächsten Morgen erwacht spaziert er wieder zurück in die Stadt. Er kommt zum Nordbahnhof, wo er einen Freund vom Militär trifft, der gerade mit einer Kompanie zum Schießplatz marschiert. Gustl denkt über seine letzten Tage und Wochen nach, über seine Familie (ob sie sich wohl kränken werden; über seine Schwester Klara die keinen Mann bekommt) über seine Freunde, über seine heimliche Geliebte namens Steffi und über das, was er hätte machen können, um diese ausweglose Situation zu verhindern. Als er an einer Kirche vorbeikommt macht er einen kurzen Abstecher hinein. Dann nimmt er Kurs auf sein Stammcafé um noch einmal zu frühstücken. Dort angelangt erfährt er vom Ober Rudolf, dass vergangene Nacht den Bäckermeister der Schlag getroffen hat und gestorben sei. Gustl kann es gar nicht fassen und ist überglücklich. Der junge Offizier muss sich nicht umbringen.

Problematik:
Der in seiner Ehre verletzte Offizier wird durch den Ehrenkodex des k. u. k. Offizierskorps dazu verpflichtet durch ein Duell seine Ehre wiederherzustellen. Doch Gustl konnte sich nicht mit dem Bäckermeister duellieren, da dieser ja den Säbel des jungen Offiziers hielt. Ein späteres Duell verbietet der Kodex und so war Gustl für alle Zeit gebrandmarkt. Wenn seine Vorgesetzten von diesem peinlichen Zwischenfall erfahren hätten, wäre aus dem Militärdienst entlassen worden und für eine andere Arbeit außer diese soll Gustl, wie er selber sagt, "zu dumm" sein. Er steigert sich auch immer mehr in die Sache hinein und verstrickt sich in Widersprüchen. Auch zeigt Arthur Schnitzler (der ja Jude war) in der Person der Leutnant stark den Antisemitismus der zu jener Zeit (um die Jahrhundertwende) in Wien, einem Schmelztiegel der Kulturen dieses großen Kaiserreiches Österreich, geherrscht haben muss.

Leseprobe:
Wie lange wird denn das noch dauern? Ich muss auf die Uhr schauen…schickt sich wahrscheinlich nicht in einem so ernsten Konzert. Aber wer sieht's denn? Wenn's einer sieht, so passt er gerade so wenig auf, wie ich, und vor dem brauch' ich mich nicht zu genieren…Erst viertel auf zehn?…Mir kommt vor, ich sitz' schon drei Stunden in dem Konzert. Ich muss das Programm anschauen…Ja, richtig: Oratorium? Ich hab' gemeint: Messe. Solche Sachen gehören doch nur in die Kirche. Die Kirche hat auch das Gute, dass man jeden Augenblick fortgehen kann. – Wenn ich wenigstens einen Ecksitz hätt'! – Also Geduld, Geduld! Auch Oratorien nehmen ein End'! Vielleicht ist es sehr schön, und ich bin nur nicht in der Laune.

 
Woher sollt' mir auch die Laune kommen? Wenn ich denke, dass ich hergekommen bin, um mich zu zerstreuen… Hätt' ich die Karte lieber dem Benedek geschenkt, dem machen solche Sachen Spaß; er spielt ja selber Violine. Aber da wär' der Kopetzky beleidigt gewesen. Es war ja sehr lieb von ihm, wenigstens gut gemeint. Ein braver Kerl, der Kopetzky! Der einzige, auf den man sich verlassen kann…Seine Schwester singt ja mit unter denen da oben. Mindestens hundert Jungfrauen, alle schwarz gekleidet; wie soll ich sie da herausfinden? Weil sie mitsingt, hat er auch das Billett gehabt, der Kopetzky…Warum ist er denn nicht selber gegangen? – Sie singen übrigens sehr schön. Es ist sehr erhebend – sicher! Bravo! bravo!… Ja, applaudieren wir mit. Der neben mir klatscht wie verrückt. Ob's ihm wirklich so gut gefällt? – Das Mädel drüben in der Loge ist sehr hübsch. Sieht sie mich an oder den Herrn dort mit dem blonden Vollbart?…

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