Biografie:
Am 4. Februar 1914 wurde Alfred Andersch im Nymphenburger Krankenhaus in München geboren. Er lebte zusammen mit seinen Eltern, Hedwig und Alfred Andersch senior, und seinem älteren Bruder, Rudolf, im Münchner Stadtteil Neuhausen. 1921 kam der dritte Sohn, Otto Martin, zur Welt.
Alfred Andersch hatte zu seiner Mutter bis zu ihren Tod im Alter von 92 Jahren eine herzliche Beziehung. Anders als zu seinem Vater, zu dem er ein eher zwiespältiges Verhältnis hatte. Alfred Andersch senior kam als Veterinär aus den ersten Weltkrieg zurück. Die Niederlage Deutschlands bedrückte ihn sehr und sein nationales Denken verstärkte sich immer mehr. Beruflich konnte er nicht mehr richtig Fuß fassen. Weder als Antiquariatsbuchhändler wie vor dem Krieg, noch als Immobilienhändler oder Versicherungsvertreter. Deshalb setzte er sich für nationale Belange ein und trat als einer der ersten in die 1290 ausgerufene NSDAP ein.
 
Alfred Andersch junior begeisterte die deutsche Militärgeschichte nie so richtig. Sein Interesse galt der sogenannten schöngeistigen Literatur, von der in der weitläufigen Bibliothek des Vaters reichlich vorhanden war.
Nach dem Besuch der Volkschule in München-Hausen von 1920-1924, wechselten die beiden ältere Söhne, dank der finanziellen Bemühungen des Vaters auf das angesehene Wittelbacher- Gymnasium. Die Lehrer erkannten zwar die Intelligenz des frühreifen Alfred, doch konnten sie in nie für die Schule begeistern. Wegen diesem Desinteresse, konnte Alfred Andersch die Erwartungen seines Vaters nicht erfüllen und musste die Schule am 29. April 1928 auf Grund unzureichender Noten verlassen. Sein Bruder Rudolf musste das Gymnasium schon ein Jahr früher verlassen.
 
Danach begannen beide ein Lehre als Buchhändler. Alfred Andersch junior arbeitete vom 1. September bis 31. August im WEGA- Verlag München. Dort hatte er die Möglichkeit sich mit sozialkritischen Literatur und den sozialistischen Klassikern zu beschäftigen. Er las u.a. Bücher von Berthold Brecht, Marx, Engels und Lenin.
Am 20. November 1929 starb sein Vater an den Spätfolgen seiner Kriegsverletzung.
Wenige Monate später trat Alfred Andersch dem kommunistischen Jungendverband bei und als er nach dem Ende seiner Lehre keine Arbeit fand, wandte er sich intensiver der KJV zu und wurde 1932 Organisationsleiter im Bereich Süd Bayern.
 
Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, war Andersch durch seine Arbeit für die Kommunisten gefährdet. Am 8. Mai wurde er dann schließlich verhaftet und seine gesamten Bücher beschlagnahmt. Andersch wurde in das Konzentrationslager in Dachau eingeliefert, kam aber Ende April wieder frei, da sich ein NS- Funktionär und ehemaliger  Freund der Familie für ihn verbürgte.
Das Zugehörigkeitsgefühl zu den Kommunisten verstärkte sich jetzt nur noch mehr, was eine weitere Verhaftung bei einer Razzia der Gestapo am 9. September zur Folge hatte. Als er in seiner Zelle auf das Verhör wartete berichteten seine Leidensgenossen von den brutalen Methoden der Nazis. Andersch kam zwar, wie durch ein Wunder als Einziger frei, doch hatte er nun eine solche Angst vor dem Konzentrationslager, dass er seine Arbeit für die kommunistische Partei aufgab.
Im Herbst bekam er eine Stelle bei J.F. Lehmanns’ Verlagsbücherei und beschäftigte sich mit europäischer Literaturgeschichte.
 
1934 unternahm er seine erste Italienreise und startete erste literarische Arbeiten. In Italien lernte er auch die Halbjüdin Angelika Albert kennen, mit der er ein Jahr später seine zweite Italienreise unternimmt. Am 15. Mai heiraten die beiden im Standesamt München III. 1937 ziehen die beiden nach Hamburg, wo Andersch eine Stelle bei der Werbeabteilung der Leonar-Werke bekommt. Die Arbeit dort erfüllte ihn zwar nicht, doch konnte er damit für den Lebendunterhalt seiner Familie sorgen- 1938 kam ihre Tochter Susanne zur Welt.
1939 lernte er die Malerin Gisela Groneuer kennen, mit der er ein Jahr später den Sohn Michael bekommt.
1940 wurde Andersch, der zu Kriegsbeginn wegen seiner schlechten Augen vorläufig ausgemustert wurde, als Bausoldat und später als Besatzungssoldat in Frankreich einberufen. Dort bekam er zufällig mit, dass die Wehrmachtsführung bekannt gab, dass alle ehemaligen KZ- Insassen ausgemustert werden mussten. So konnte er 1941 seine Entlassung durchsetzen und arbeite als Büroangestellter bei der Kosmetikfirma J.G. Mousen & Co in Frankfurt.
 
1943 lässt er sich von Angelika Albert scheiden und beginnt eine Ausbildung als Infanteriepionier in Siegen, nachdem er wieder einberufen wurde.
1944 kommt er als Obergrenadier nach Dänemark und Oberitalien. Am 6. Juni 1944 machte er einen lang gefassten Entschluss war: die Desertion nach Amerika. Dieser Schritt war auch gleichzeitig ein Ausbruch aus seiner Introvertiertheit. Es war ein Aufstand gegen das eigene Land, denn Andersch wollte die faschistische Vernichtungsmaschinerie nicht mehr länger unterstützen.
In Italien, ca. 60 km nördlich von Rom überquerte er die Frontlinie, fuhr mit dem Schiff in die USA und wurde in Louisiana von den Amerikanern gefangen genommen.
 
Doch Andersch bedauerte seine Gefangenschaft nicht wirklich, denn hier kam er endlich zum Gedankenaustausch mit Gleichgesinnten. Die Amerikaner legten großen Wert darauf, dass sie Antifaschisten von den übrigen Gefangenen getrennt waren, denn ihnen sollte das Prinzip der Demokratie nahe gelegt werden. Andersch hatte jetzt auch die Möglichkeit, Werke zu lesen, die in Deutschland verboten waren. Neben antifaschistischen Autoren, las Andersch auch aktuelle amerikanische Werke, wie z.B. Ernest Hemingway.
1945 wurde er nach Rhode Island verlegt, wo er  am 1 März das erste Exemplar des „Ruf“ herausbrachte. Es handelte sich dabei um eine Zeitschrift, die von den antifaschistischen Gefangenen für die anderen Gefangen herausgebracht wurde und u.a. zur Demokratisierung der Inhaftierten dienen sollte. Vom 15. April bis 15. August  arbeitet Andersch beim US-„Ruf“ mit. Und schrieb einige Artikel über amerikanische Gegenwartsliteratur.
 
Nach 500 Tagen Gefangenschaft wurde er Mitte September 1945 über Bosten, La Havre nach Darmstadt transportiert und frei gelassen. In diesem Jahr wurde auch der zweite Sohn, Martin geboren.
Die Rückkehr nach Deutschland war für Andersch mit widersprüchlichen Gefühlen versehen. In den USA hatte er ein abgeschirmtes, sicheres und geregeltes Leben geführt. Im zerstörten Deutschland musste er sich erst ein neues Leben aufbauen. Doch in den USA hatte er die Bestätigung seiner journalistischen Fähigkeiten gefunden, die ihm neues Selbstbewusstsein gab. Er fand schnell Arbeit bei der Neuen Zeitung in München und arbeitete dort mit Erich Kästner zusammen. Nach der anfänglichen Euphorie, merkte er jedoch bald, dass die Ziele der Zeitung und seine eigenen nicht identisch waren. Da die Neue Zeitung als offizielles Organ der US-Militärregierung fungierte, war man zur Loyalität gegenüber dieser Organisation verpflichtet.
 
Alfred Andersch stand der Arbeit der Amerikaner jedoch eher kritisch gegenüber. Er hielt die Durchführung der drei großen D´s (Demokratisierung, Denazifizierung und Dezentralisierung) für unzureichend. Auch mit dem Begriff der Kollektivschuld wollte sich Andersch nicht abfinden.  Andersch war der Meinung, dass dies nur davon ablenken sollte, dass der Aufstieg der NSDAP durch die Wirtschaft und große Unternehmen unterstützt wurde.
Für Andersch war bald klar, dass er nicht mehr lange mit Kästner zusammen arbeiten würden. Zwar entwickelte sich Andersch journalistisch weiter, doch waren ihre Meinungen zu verschieden. Andersch wollte seine eigene Zeitung mit dem Titel „Verlorene Generation. Kritische Blätter für junge Menschen“ herausbringen, doch dieses Projekt kam nie zu Stande.
Statt dessen traf er im Frühjahr 1946 seine ehemaligen Redaktionskollegen, Curt Vinz und Walter Kolbenhoff vom US-Ruf wieder. Die drei beschlossen auch in München einen „Ruf“ herauszubringen. Eine Redaktion war schnell gefunden und unter der Leitung von Andersch und Hans Werner Richter, erschien am 15. August die erste Ausgabe der Münchner Rufs.
 
Anders als alle bisherigen Nachkriegszeitungen verstanden sich alle Mitarbeiter und Redakteure als Sozialisten ohne Bindung an Parteiprogramme. Die Zeitschrift suchte nach der Synthese von Freiheit, Demokratie und Sozialismus. Sie wollten sich von jeglicher politischen, ideologischen und moralischen Bevormundung lossagen und der Generation der heimkehrenden jungen Soldaten, die sich betrogen fühlten und genug von Staat und Parteien hatten, ein Sprachrohr zu sein. Die aggressive Schreibweise, die den Ruf kennzeichnete, führte häufig zu Ermahnungen durch regierungsamtliche Stellen. Dies sorgte allerdings auch dafür, dass der Ruf schnell als wirklich unabhängige Zeitschrift in der Öffentlichkeit an Ansehen gewann. Der Ruf hatte bald mehr als 100 000 Abonnenten in den vier Besatzungszonen.
 
Nachdem die Redaktion auch nach mehreren Ermahnungen ihren kritisch aggressiven Stil gegen die Besatzungspolitik beibehielt, sorgte die amerikanische Aufsichtsbehörde, dass Andersch und Richter nach der 16. Ausgabe des Rufs ihres Amtes enthoben wurden. Der offizielle Grund lautete, dass sie nationalistischen Tendenzen Vorschub geleistet und nihilistische Parolen verbreitet hätten. Als neuer Herausgeber fungierte nun Walter von Cube, der die Zeitschrift auf den antikommunistischen Kurs führte. Mit Andersch und Richter verließ fast jeder, nach und nach die Redaktion.
Andersch und Richter waren nicht bereit aufzugeben. Sie wollten eine neue Zeitung mit dem Titel „Der Skorpion“ verfassen. So luden sie im August 1947 Freunde und ehemalige Mitarbeiter des Rufs ein, um an den ersten Proben zu arbeiten. Obwohl schnell klar war, dass "Der Skorpion" nie zustande kommen würde, trafen sich die Teilnehmer weiter, um über Literatur zu diskutieren und eigene Werke vorzulesen. Daraus entwickelte sich die wichtigste nachkriegsdeutsche Schriftstellervereinigung, die später als "Gruppe 47" betitelt wurde. Andersch nahm nur selten an diesen Tagungen teil, da er u. a. die Programmlosigkeit, die bis zur Theoriefeindlichkeit ging, nicht akzeptieren wollte.
 
In den kommenden Jahren machte Andersch fortschrittliche Arbeit beim Rundfunk und machte sich durch die Förderung begabter, doch unbekannter Schriftsteller verdient.
Im August 1947 zog er nach Frankfurt, wo er für die Zeitschrift „Frankfurter Hefte“ schrieb. Eugen Kogen, einer der Herausgeber, empfahl Andersch dem „Radio Frankfurt“, wo Andersch ein kulturell anspruchsvolles Nachtprogramm, das „Abendstudio“ schaffen sollte. Am 1. August 1948 arbeitet er also beim Rundfunk und seine erste Ausstrahlung am 19. Oktober mit einer Arbeit über Ernest Hemingway war ein voller Erfolg. Diese Projekte waren auch die Vorläufer der heutigen 3. Programme.
1950 heiratete er Gisela Groneuer und ihre gemeinsame Tochter Annette wurde geboren.
Als sich Andersch durch seine Erfolge einen Namen gemacht hatte, bekam er schließlich vom Nordwestdeutschen Rundfunk das Angebot, eine gemeinsame Feature- Redaktion des Hamburger und Frankfurter Senders zu übernehmen. Daraufhin zog er 1952 mit seiner Familie nach Hamburg.
1955 wechselte er zum süddeutschen Rundfunk nach Stuttgart, wo er Gründer und Leiter der Abteilung „radio-essay“ wurde. Aus dem Projekt „Frankfurter Hefte“ entstand der Ableger „studio frankfurt“, der auch von Andersch geleitet wurde. Andersch wollte hier einen Gegensatz zu den spießbürgerlichen  Kultur- und Literaturansichten schaffen. Es wurden hier Werke von unbekannten Autoren veröffentlicht, die sonst keine Chance gehabt hätten jemals gehört zu werden. Unter anderem von Heinrich Böll, Wolfgang Hildesheimer, Arno Schmidt, Hans Werner Henze und Ingeborg Bachmann mit ihrem ersten Gedichtband „Die gestundete Zeit“.
Andersch’ nächstes Projekt war die Zeitschrift „Texte und Zeichen“, in der viele deutsche Erstveröffentlichungen ausländischer Autoren und unbekannte Nachkriegsautoren ihren Platz fanden. Darunter waren auch Günter Grass und Hans Magnus Enzenberger.
 
1956 erscheint Andersch Werk „Sansibar oder der letzte Grund“, für den er 1957 auch den Deutschen Kritikerpreis bekam. Zu dieser Zeit hatte Andersch alle seine öffentlichen Ämter schon niedergelegt und ist nach Berzona in der Schweiz umgesiedelt. Die Arbeit war ihm einfach zu viel geworden und nachdem sich herausgestellt hatte, dass er seine Familie mit dem Erlös seines freien Schriftstellerdaseins erhalten konnten, war seine Entscheidung klar. Ihre Nachbarn waren Max Frisch und Golo Mann.
In Deutschland sah man den Umzug Andersch eher spöttisch an und es viele Wörter wie Flucht oder strategischer Rückzug. Andersch hatte sich mit seiner eigenwilligen Haltung ja immer wieder Feinde gemacht. Doch die Absichten Andersch hatten keinesfalls etwas mit aufgeben zu tun. Er sah jedoch nicht mehr genügend Wirkung in seiner journalistischen Arbeit, da sich diese nur auf Tagespolitik beschränkte. Andersch wollte zeitlose Werke, wie „Sansibar oder der letzte Grund“ schaffen.
Mit seinem zweiten Buch „Die Rote“ 1960 hatte er aber weniger Erfolg. Andersch begründete das damit, dass dieses Werk nicht die politische „Rechte“ in der Vergangenheit, sondern die aktuelle angriff. 1962 wird „Die Rote“ von Erich Kästner verfilmt.
 
In den nächsten zwei Jahre unternimmt Andersch längere Aufenthalte in Rom und West-Berlin und er beginnt mit der Niederschrift von seinem dritten Buch „Efraim“.
1965 leitet er eine Film-Expedition des Deutschen Fernsehens in der Arktis. Die erste Hörspielsammlung „Fahrerflucht“ und die erste Essaysammlung „Blindheit des Kunstwerkes“ erscheinen.
Nach der Veröffentlichung von „Efraim“ 1967 wurde Andersch auf den Vorschlag von Nelly Sachs, der nach ihr benannte Nelly Sachs Preis für sein Lebenswerk verliehen.
1970 folgte Andersch der Einladung des Goethe- Institutes und unternahm eine Vortragsreise nach Nordamerika.
1972 unternimmt Andersch ein Reise nach Mexiko und erhält später die Schweizer Staatsbürgerschaft.
1974 erscheint der umfangreichste Roman von Andersch, „Winterspelt“, der die Situation des Dorfes Winterspelt zu Kriegsende widerspiegelt. Kurz nach dem Erscheinen des Romans erkrankt Andersch an einer schweren Gürtelrose. Nachdem er sich wieder erholt hatte unternahm er 1975 Reisen nach Spanien, Portugal und die Sowhet-Union. In diesem Jahr erhielt er auch den Literaturpreis der Bayrischen Akademie der Schönen Künste.
1976 löste die Veröffentlichung des Gedichtes „artikel 3“, über die Berufsverbote eine bundesweite Diskussion aus. Im selben Jahr starb auch Andersch’ Mutter, was einen großen Verlust für ihn bedeutete.
1977 erschienen seine gesammelten Gedichte und Nachdichtungen unter dem Titel „empört euch der himmel ist blau“. In diesem Jahr erkrankte Andersch an einer chronischen Niereninsuffizienz und musste sich einer Dialyse-Behandlung unterziehen. Am 13. August musste er schließlich eine Nierentransplantation vernehmen lassen.
 
Zu seinem 65. Geburtstag 1979 erschien eine Studienausgabe seiner Werke in 15 Bänden. Trotz seiner Krankheit begann er noch sein Werk „Der Vater eines Mörders“ zu schreiben. Die Übergabe des Nachlasses an des Deutsche Literaturarchiv in Marbach erfolgte.
In der Nacht vom 20. auf den 21. Februar 1980 starb Alfred Andersch an Nierenversagen.
Im Herbst erscheint die  Arno Schmidt gewidmete Erzählung „Der Vater eines Mörders“, die er kurz vor seinem Tod fertiggestellt hatte. Sie befasst sich mit seiner Schulzeit am Wittelsbacher Gymnasium, dessen Direktor der Vater des Nazi-Himmlers war.
 
Weitere Werke:
  • Kirschen der Freiheit (1952)
  • Sansibar oder der letzte Grund (1957)
  • Fahrerflucht (1958, Hörspiel)
  • Die Rote (1960)
  • Efraim (1967)
  • Winterspelt (1974)
  • Der Vater eines Mörders (1980, Erzählung)

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