Die Krise des spätmittelalterlichen Europa
Bevölkerungsentwicklung – Pestepidemien:
Von der Jahrtausendwende bis zur Mitte des 14. Jh.s hatte sich die Bevölkerung Europas beinahe verdoppelt. In den größten europäischen Städten lebten bereits an die 100.000 Menschen (Paris, London, Köln, Prag). Es gab einen ungeheuerlichen Aufschwung für Handwerk und Handel. Viele Landbewohner zogen in bisher verlassene und unbewohnte Gegenden. Es entstanden kleinere Bauernhöfe. Es kam immer wieder zu Hungersnöten. Durch Nahrungsmittelknappheit stiegen die Preise und sorgten für soziale und wirtschaftliche Spannungen. Das Bevölkerungswachstum kam zum Stillstand, ehe eine grässliche Seuche Millionen von Menschen in wenigen Jahrzehnten hinwegraffte – die Pest.
Den Ausgang nahm die Katastrophe 1347 im Schwarzmeergebiet. Matrosen schleppten die Krankheit in Italien ein. Angst und Schrecken machte sich in der Bevölkerung breit und bald zeigten sich bei vielen Menschen die ersten Symptome der heimtückischen Seuche: ein schwerer Kopf, Schwindelgefühl und Erbrechen, Schüttelfrost, brennender Durst und ein starrer Blick. Die Menschen waren dieser Seuche hilflos ausgeliefert. Pestknechte sorgten gegen Bezahlung für eine schnelle Beerdigung. Besonders betroffen waren die Menschen der städtischen Unterschicht.
Viele glaubten, die Pest sei die Geißel Gottes, die das Ende der Welt ankündigte. Es gab Judenverfolgungen weil man auch ihnen die Schuld an der Pest gab. Die Beulenpest wird durch Ratten und Menschenflöhen, die Lungenpest Tröpfcheninfektion übertragen. Es gab einen Bevölkerungsschwund bis zum Ende des 14. Jh.s auf 20 – 50 Prozent. Vierhundert Jahre kam die Seuche immer wieder zum Ausbruch. Erst seit zweihundert Jahren ist sie aus dem Abendland verschwunden.
Wirtschaftliche und soziale Folgen (Agrarkrise):
Durch den enormen Rückgang der Bevölkerung gab es jetzt Boden, Produktions- und Konsumgüter im Übermaß, dafür fehlten die Arbeitskräfte. Das hatte verschiedene Folgen:
- ganze Ortschaften starben aus. Felder wurden nicht mehr bebaut sondern als Weide benutzt oder der Verwilderung überlassen. Absturz der Getreidepreise,
- Das Einkommen der Grundherrn sank. Aufhebung der Leibeigenschaft
- Arbeitszwang wurde eingeführt.
Die wirtschaftl. Not wurde gelindert. Bauern konnten ihr Land vergrößern. Umstellung auf Viehzucht. Textilindustrie blühte auf.
Neues Aufblühen der Städte:
Den Überlebenden der Pest verblieben Geld und Güter. Es stieg die Nachfrage nach Luxusgütern. Preise und Löhne stiegen kräftig. Die Wirtschaftssituation lockte besonders Zuwanderer vom Lande an. Das Handwerk erlebte einen großen Aufschwung. Ausweitung der Produktion. Zusatzeinkommen als Nebenerwerbslandwirt oder städt. Beamter. Export und Import von Massenwaren. Handelsstädte schlossen miteinander Verträge ab. Kaufleute und Zunfthandwerker setzten sich gegen die Patrizier durch. Sie wurden endlich in die Stadtregierungen aufgenommen.
Entstehung eines modernen Systems zwischenstaatlicher Beziehungen:
Der florentinische Politiker Niccolo Machiavelli (1469-1527) brach mit seinem Buch "Der Fürst" gänzlich mit den politischen Wertvorstellungen früherer Jahrhunderte. Sein Buch ist ein klares Bekenntnis zur Allmacht und zum Vorrang des Staates, dem alle anderen Interessen unterzuordnen wären. Dieser Staatsraison erlaubt es alle Möglichkeiten zu nutzen um zum Erfolg zu kommen. Deshalb wollte er den Menschen beschreiben, wie er war, und nicht, wie er sein sollte. Sein Buch wurde nach seinem Tod veröffentlicht. Es wurde aber bald von der katholischen Kirche verboten.
Worin bestand die Krise der Kirche des 14. und 15. Jhdts.?
Für den Anspruch auf Weltherrschaft fehlten dem Papst die weltlichen Machtmittel. 1303 kam es zum Konflikt mit dem französischen König: Phillip IV., der Schöne, hatte seinen Klerus gegen den Willen des Papstes mit einer Kriegssteuer belegt. Der König erklärte den Papst für abgesetzt und ließ ihn gefangen nehmen. Nach schweren Kämpfen konnte Bonifaz VIII. befreit werden, doch schon Wochen später starb er. Die französische Partei konnte sich gegen die italienische durchsetzten. Der Erzbischof von Bordeaux wurde als Clemens V. zum Papst gewählt. In der Zeit der so genannten "Babylonischen Gefangenschaft" der Päpste (1309-1377) waren drei Viertel aller neu ernannten Kardinäle Franzosen. Die finanziellen Schwierigkeiten wurden bald behoben und der Kurie stieg damit zur ersten Finanzmacht in Europa auf. im römisch-deutschen Kaiserreich gab es Widerstand gegen die Päpste in Avignon.
Es gab neuerlich Streit im Kardinalskollegium. Als der neue Papst Urban VI. mit grundlegenden Reformen auch die Missstände in der Kurie beseitigen wollte, wählen die Franzosen einen Gegenpapst und kehrten bis 1414 wieder nach Avignon zurück. Damit war die Christenheit in zwei Lager gespalten. Die Spaltung setzte sich auch in den Bistümern, Städten, Orden, Klöstern fort. Sie zerriss Pfarren und Familien. Das Konzil von Pisa (1409) erklärte die beiden Päpste für abgesetzt und wählte ein neues Oberhaupt. Da die abgesetzten Päpsten den Konzilbeschluss missachteten, gab es nun drei Oberhirten in der katholischen Kirche. Eine Beendigung des Schismas erfolgte erst beim Konzil von Konzil (1414-1418). Es setzte kurzerhand alle drei Päpste ab und wählte ein neues, von allen anerkanntes Oberhaupt.
Wyclif und Hus – Die Hussitenkriege:
Der Engländer John Wyclif (1320-1384) wandte sich scharf gegen die korrupte Kurie und veröffentlichte seine neuen Lehren. Die Amtskirche sei schuld, dass die einfachen Gläubigen die Botschaft der Heiligen Schrift nicht kennen lernten. Seine Anhängerschaft wurde noch jahrelang verfolgt und fast ganz ausgerottet. Der tschechische Rektor Jan Hus (1370-1415) war Vertreter des Widerstandes und Reformer. Er wurde vom Prager Erzbischof exkommuniziert. auf Anraten des Königs zog er sich auf das Land zurück und gewann unter den Bauern neue Anhänger. Mit einem Geleitbrief Kaisers Sigismunds erschien er 1414 vor dem Konzil wo ihn das Konzil als Ketzer verurteilte durch Tod auf dem Scheiterhaufen.
Der Tod auf dem Scheiterhaufen löste in Böhmen einen Sturm der Entrüstung und Gewalt aus. Besonderer Hass sog sich Kaiser Sigismund zu. Als der Papst zum Kreuzzug und der Kaiser zum Reichskrieg gegen die Hussiten aufrief, griffen auch sie zu den Waffen (1419-1433). Die Hussiten besiegten die eindringenden Reiterheere, gingen zum Angriff über und verheerten die angrenzenden Reichsgebiete. Schließlich blieb Papst und Kaiser nichts anderes als Verhandlungen über. Die Hussiten spalteten sich in zwei Gruppen den Gemäßigten und den Radikalen. Letztere wurden vernichtend besiegt. Erst jetzt konnte Kaiser Sigismund als König von Böhmen in Prag einziehen.
Humanismus und Renaissance – Was ist darunter zu verstehen?
Schon in der Mitte des 15.Jh.s unterschied ein italienischer Gelehrter Zwischen dem Mittelalter und unserem Zeitalter. Im 14. und 15. Jh. entstanden in den italienischen Städten zunehmend private Schulen. Es wurde dort Philosophie , Rhetorik, Geschichte, Poesie und das klassische Latein unterrichtet. Altgriechisch, Hebräisch galten als Humanistisch. Die Vertreter des Humanismus kamen fast ausschließlich aus den bevorrechteten Ständen der Stadtgesellschaft. Die neuen Fächer vergrößerten den Abstand zum gemeinen Volk noch mehr. Fürsten, Könige und Päpste umgaben sich gerne mit berühmten Humanisten und Künstlern.
Renaissance ist ein Aufbegehren zugunsten der Menschen. Auf dem Programm stand schlicht die allmähliche Entdeckung des Eigenwerts der Persönlichkeit. Der Mensch und mit ihm die Welt und die Natur – nämlich seine Welt – wurden der anderen Welt, dem Jenseits gegenübergestellt. Der Mensch erdreistete sich plötzlich zu behaupten, er besitze mit seiner Vernunft etwas Ewiges. Die menschliche Persönlichkeit wurde ins Zentrum der Betrachtung gerückt. Die Künstler begannen, ihre Werke zu signieren. Die Kunst orientierte sich nach der Natur die Gott erschaffen hatte. Ein Zeichen der göttlichen Ordnung sahen die Renaissancekünstler in den richtigen Proportionen.
Fortschritte in der Naturwissenschaft – Technische Neuerungen:
Die Dynamik , mit der sich die technische Entwicklung in wenigen Jahrhunderten vollzog, führte zu einer Überlegenheit der Europäer in der landwirtschaftlichen Produktion und im Handwerk, aber auch zu einem Vorsprung in der Kriegsindustrie und in der Seefahrt. Der englische Franziskaner Roger Bacon hatte schon um 1260 eine Zukunftswelt mit Automobilen, U-Booten und Flugzeuge vorausgesehen. Um 1010 baute der englische Benediktinermönch Eilmer von Malmesbury ein Gleitflugzeug. Der Italiener Leonardo da Vinci entwarf Jahrhunderte später eine Art Hubschrauber und plante auch eine Art Flugmaschine. Die Erfindung der mechanischen Uhr am Ende des 13. Jh.s veränderte das Alltagsleben in den Städten.
Am Ende des 13.Jh.s tauchte aus China kommend das Spinnrad im Westen auf.
Der Buchdruck beschleunigte die Kommunikation (Gutenberg). Das Schießpulver kam wahrscheinlich aus China und wurde schon Mitte des 13.Jh.s in Köln ausprobiert. Gegen Ende des 15 Jh.s war die Artillerie eine eigene Waffengattung. Mit Ende des 12.Jh.s. wurde der Kompass von den Chinesen übernommen.
Über die Araber kam auch die Geographia eine Weltbeschreibung des Ptolemäus nach Europa die aber von Fehlern nur so strotze. Es gab Beschreibungen des mittleren und fernen Ostens von dem Kaufmann Marco Polo (1254-1324).
· Neues Staatsdenken: Machiavelli contra Erasmus.
Machiavelli Niccolo (1469-1527) war italienischer Schriftsteller und Diplomat, der die inneren und äußeren Schwächen der italienischen Stadtstaaten überwinden wollte. Er formte den Begriff der Staatsräson und für ihn war Macht ein wesentliches Element der Politik (= Machiavellismus).
Erasmus von Rotterdam (1466 – 1536) war niederländischer Humanist, Theologe und Philologe. Bedeutender Kritiker der geistigen und weltlichen Mächte. Er verfasste viele Briefe sowie wichtige Schriften über Ethik, Philosophie, die Kirchenväter u.a.
Neue Wirtschaftsform: Frühkapitalismus – Verlagwesen:
Die Entwicklung des Handels ging im Mittelalter von zwei ursprünglich nicht miteinander verbundenen Handelsgebiete aus: dem nordwesteuropäischen Raum mit Flandern sowie dem Mittelmeer mit Italien als Zentrum. Es kam zur Steigerung des Geldverkehrs. Die italienischen Kaufleute wurden zu den wichtigsten Finanziers Europas. Sie gewährten Königen, Fürsten und auch dem Papst Darlehen. Man begann in Florenz (Florentiner) in Genua und Venedig (Dukaten) Goldmünzen zu prägen. Sie ermöglichten erst einen internationalen Zahlungsverkehr. Es gab auch den Beruf des Geldwechslers da viele verschiedene Münzen im Umlauf waren. Mit dem Wechselbrief entwickelte sich der bargeldlose Zahlungsverkehr und auch Girokonten wurde eingerichtet. Um all diese Geschäfte abwickeln zu können musste der Kaufmann lese, schreiben und vor allem rechnen können. Eine Erleichterung bot dabei die Anwendung der arabischen Ziffern anstelle der komplizierten römischen.
Einzelhändler schlossen sich zu einer gleichberechtigten Gesellschaft zusammen, so richtete der Unternehmer neuen Stils seinen Ehrgeiz ganz auf die eigene Firma. Das Geschäftsleben entwickelte sich allmählich zum brutalen Wettbewerb.
Der Händler war zum "Verleger" der Waren geworden. Viele selbstständige Handwerksmeister jedoch waren zu lohnabhängigen Heimarbeitern abgesunken. Es verschwanden die alten persönlichen Bindungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, im Regelfall auch die soziale Fürsorge und die Unterstützung, die im alten Zunftsystem zur sittlichen Verpflichtung eines Meisters gegenüber seinen Mitarbeiter gehört hatte.
Das Beispiel der Fugger:
"Gewinn will ich machen, solang ich lebe!". Das war die Devise von Jakob Fugger dem Reichen (1459-1525), dem damals vermögendsten Mann der Welt. Der Fuggersche Familienbetrieb begann mit dem Handel von Textilien, weitete ihn auf Gewürzen aus und hatte innerhalb weniger Jahre in allen großen europäischen Handelsstädten Faktoreien (= Niederlassungen) eingerichtet. Aber erst durch die Geldgeschäfte mit den Habsburgern erlebte die Firma einen kometenhaften Aufschwung. Auch mit dem Kaiser Maximilian I. und der röm. Kirche machte Fugger gute Geschäfte.
Im Jahre 1550 wies der Handelsherr Anton Fugger, der Nachfolger Jakobs, ein Vermögen von 6 Millionen Goldgulden (= ca. 1,3 Milliarden Schilling) aus. Im Jahre 1519 buhlten der französische König Franz I. als auch der spanische König Karl buhlten um das Geld der Fugger, um damit die deutschen Kurfürsten bestechen zu können. Jakob entschied sich für die Habsburger. Für die Wahl wurden 851.918 Gulden davon 543.585 aus der Tasche Jakob Fuggers ausgegeben. Mit dieser Riesensumme wurde der ungeheuere politische Einfluss der Augsburger Konzernherrn gesichert. Die Bevölkerung kritisierte die Gewinnsucht und die Monopolstellung einzelner Firmen. Die Großen wurden immer reicher, die Kleinen immer ärmer.