„Homo faber“ ist eine Reihe von Berichten eines gewissen Walter Faber. Er ist als technischer Helfer für unterentwickelte Völker bei der Unesco angestellt und reist im Zuge seines Berufes durch die ganze Welt. Faber ist ein vollkommen rationaler Mensch – ein Techniker, der sich nur mit Fakten zufrieden gibt; ein Mensch, der nicht glaubt, sondern nur weiß. Doch sein routiniertes und perfekt geplantes Leben gerät aus den Fugen und plötzlich findet er sich mit Dingen konfrontiert, die sich nicht mit einer mathematischen Gleichung lösen lassen.
Das Buch beginnt mit dem Bericht einer Flugreise Fabers von New York nach Mexico. Sofort fallen die nüchternen Beschreibungen auf, mit denen Faber emotionslos die Situationen schildert. Alles ist sehr exakt und vollkommen wertfrei beschrieben und langweilt schon nach kurzem. Interessant wiederum ist Fabers Umgang mit seinem lästigen Sitznachbarn in der Maschine. Schnell wird dem Leser klar, dass Faber ein Alleingänger ist, ein Mensch der nicht gerne mit anderen zu tun hat. Er redet nur mit dem anderen, um nicht unhöflich zu sein, versucht jeden zusätzlichen Kontakt zu vermeiden und schmiedet Pläne, um nicht mehr mit dem Deutschen reden zu müssen.
Er macht den Eindruck eines exzentrischen und kalten Vernunftmenschs und dieses Bild wird mit jedem Satz erhärtet.
Oft schweift Faber in seinen Gedanken ab, doch nie hat man den Eindruck, dass er etwas nicht unter Kontrolle hat. Er beobachtet und erklärt alles vollkommen sachlich und lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Doch schon bald beginnt seine Fassade zu bröckeln, dem Leser wird klar, das er es hier mit einem Mann zu tun hat, der es nicht erträgt Dinge nicht zu verstehen und kontrollieren zu können. Sein Verhalten ist beinahe krankhaft, ständig auf der Suche nach Erklärungen und Möglichkeiten Dinge nüchtern umreissen zu können. Man fragt sich, ob er die Beschreibung seiner Gefühle absichtlich auslässt, es scheint aber nicht so.
Auch als eine Stunde vor Mexico City zwei Motoren des Flugzeuges ausfallen, bleibt Faber vollkommen gelassen. Ruhig und sachlich beschreibt er den knapp verhinderten Absturz und die gerade noch geglückte Notladung. Die Zeile „Eigentlich war man nur gespannt.“ beschreibt Fabers Wesen sehr genau: Er nimmt von seinen Gefühlen Abstand, obwohl er nicht einmal die Angst zulässt, nur die Spannung erlebt „man“.
Für Faber ist die Landung in der Wüste begreifbar, erklärlich, schließlich sind zwei Treibwerke ausgefallen, ein technischer Defekt und Faber ist ein Techniker. Also sieht er keinen Grund zur Beunruhigung, Faber stört nur die Hitze, er weiß ja, dass bald jemand kommen wird. Während der Wartezeit in der Wüste freundet er sich mit dem Düsseldorfer an, der ihm während des Fluges so auf die Nerven gegangen war. Sie entdecken ihre gemeinsame Leidenschaft für Schach und vertreiben sich so die Zeit. Wieder klammert sich Faber an das Rationale, an das Vernünftige, an Etwas, das er verstehen kann um die Extremsituation in der Wüste zu überstehen.
Er glaubt keinesfalls, dass der Absturz Schicksal oder Fügung war, er bleibt stur bei Formeln, berechnet Wahrscheinlichkeiten und besiegt so seine Ungewissheit. Auch als ihm der Deutsche, Herbert, eröffnet, dass er auf dem Weg zu der Tabak-Plantage seines Bruders sei, der zufällig einmal Fabers bester Freund war, glaubt Faber nicht an Bestimmung. Für ihn ist es nur ein purer Zufall und er klammert sich stur an seine Theorie, dass die Welt immer hundertprozentig nachvollziehbar funktioniert.
Doch der Vorfall beeinflusst Faber trotzdem: Er beschließt Herbert zu begleiten und mit ihm Joachim, seinen Jugendfreund, zu besuchen. Sie machen sich auf eine beschwerliche Reise durch den Südamerikanischen Dschungel und bleiben in einem Dorf in den Nähe von Palenque hängen, kommen nicht weiter. Es scheint absolut ungewöhnlich für Faber so impulsiv und spontan zu sein, denn bereits nach den wenigen bisher gelesenen Seiten ist dem Leser klar, dass Faber ein absolut gewissenhafter Arbeitnehmer ist, der sich nie durch etwas anderes als Vernunft bewegen lassen würde. Doch Faber denkt plötzlich an seine Beinahe-Ehefrau Hanna zurück, die jetzt mit Joachim verheiratet ist und beschließt wohl (man erfährt es nie genau, wie gesagt, über Gefühle verliert Faber keine Worte) noch einige Dinge zu klären.
Nach einer Woche können Herbert und er endlich ein Auto organisieren und fahren zu Joachims Tabakplantage. Dort erwartet die nur eine Gruppe von Indios und als sie in die Verwaltungshütte treten finden sie Joachim tot vor, an einem Drahtseil selbst erhängt. Unglaublich scheint auch hier Fabers Nüchternheit. Der Zustand der Leiche wird kurz und prägnant beschrieben nachdem Faber vorher seitenlang Fakten über die Geschichte zwischen ihm und Hanna auftischt. Kein Wort über seinen Schock seinen langjährigen Freund tot vorzufinden, nur der Beschluss nach New York zurückzukehren und dort seiner Arbeit nachzugehen.
In New York wartet bereits Ivy, seine Lebensgefährtin, auf ihn. Auch ihre Beziehung scheint durch Fabers Kälte nahe dem Zerbrechen, sie ist verzweifelt. Faber beschreibt seitenlang ihr Verhalten, ihr Jammern, ihre Stimmungsschwankungen, doch er bleibt ruhig, nüchtern, ignoriert sie einfach und verlässt das Haus, wenn sie ihm zu lästig wird. Mit jedem Absatz wird das Ausmaß von Fabers Geisteskrankheit dem Leser klarer, während seine Freundin beispielsweise über den Hummer schwärmt, erklärt Faber ihr, dass er sie hasse.
Faber beschließt, vollkommen rational, mit dem Schiff nach Paris zu fahren, er hat dort geschäftlich zu tun. Er beendet die Beziehung mit Ivy und macht sich auf den Weg. Die Schiffsreise dauert eine Woche und Faber verbringt viel Zeit damit herumzuspazieren und macht sich nicht besonders viel aus der Gesellschaft der Mitreisenden.
Doch eine Passagierin fällt ihm von Anfang an auf: Ein junges rothaariges Mädchen um die Zwanzig, das er bereits am ersten Abend bemerkt hatte. Er interessiert sich für sie, gibt es aber nicht zu, weder vor ihr, noch vor dem Leser. Seine Gefühle werden vollkommen ausgeklammert, er beginnt einfach sich mit ihr zu unterhalten, ohne im Geringsten Interesse zu zeigen.
Elisabeth, oder Sabeth, wie er sie nennt, ist das komplette Gegenteil von Faber: Sie ist aufgeweckt, lebensfroh, ein bisschen naiv und impulsiv. Sie unterhalten sich im Laufe der Schiffsreise immer öfter, obwohl Faber ihr nur technische Fakten als Gesprächsthema bieten kann. Sabeth ist jung und steckt voller Ideen und Sorglosigkeit. Sie plant von Paris aus nach Rom zu fahren, per Anhalter, doch Faber rät ihr dringend davon ab und ist besorgt um sie. Nach einer Woche haben sie sich angefreundet, doch die Schiffsreise ist zu Ende und sie trennen sich in Paris. Durch Zufall treffen sie sich aber wieder um Faber beschließt, Sabeth nach Rom zu begleiten.
Auch hier ist der Leser wieder verwundert, wie Faber zu so einer spontanen und naiven Entscheidung kommt. Doch wie auch bei seinem Abstecher nach Palenque kommen auch hier wieder seine unterdrückten Emotionen hoch, so stark, dass sie seine Vernunft und kaltes Denken ausschalten und er wieder seine Pläne ändert. Er selbst kann es sich nicht erklären, ist vollkommen verwirrt und versteht nicht, was mit ihm los ist.
Die Reise macht Faber glücklich. Zum ersten Mal seit langem ist er wieder zufrieden und er genießt die Zeit mit dem Mädchen, das das komplette Gegenteil von ihm ist, nicht nur durch den Altersunterschied. Sie verwirrt ihn, sie findet alles, was sie sehen wunderschön und lässt sich leicht begeistern, sie liebt die Kunst und freut sich auf jede Mahlzeit, singt einfach aus Freude heraus, alles Dinge, die Faber nicht kennt und versteht. Doch trotz dieser neuen Erfahrungen verbirgt er seine Gefühle, er kann nicht offen zugeben, dass er sich in das Mädchen verliebt hat. Sie erinnert ihn an seine Lebensgefährtin von früher, Hanna, die Ex-Frau seines toten Freundes. Er kann sich nie erklären warum, aber er findet jeden Tag neue Ähnlichkeiten zwischen Sabeth und Hanna, streitet sie jedoch ab.
Sie verbringen eine wunderschöne Zeit miteinander und eines Tages schlägt Sabeth vor mit Faber ihre Mutter in Athen zu besuchen. Faber fragt im Zuge dessen Sabeth einmal nach dem Namen ihrer Mutter, von der Sabeth sonst immer als „Mama“ gesprochen hat: Sie heißt Hanna. Er erzählt ihr, dass er Hanna gekannt hatte, verrät ihr aber nicht, dass er mit ihrer Mutter zusammen war.
In Griechenland passiert ein schrecklicher Unfall: Sabeth wird von einer Schlange gebissen und Faber trägt sie auf bloßen Armen ins Krankenhaus und bricht dort erschöpft zusammen. Als er wieder aufwacht, sitzt Hanna vor ihm und erzählt ihm, dass Sabeth bewusstlos sei, aber lebt. Sie lädt ihn zu sich nach Hause ein, doch sie können nicht miteinander sprechen, zu viel ist geschehen in den zwanzig Jahren, in denen sie sich nicht gesehen haben. Wieder macht Fabers Unfähigkeit einfühlsam zu sein und Gefühle zu zeigen ihre Kommunikationsversuche ungleich schwerer, bis Hanna schließlich aufgibt und ihm gesteht, dass Sabeth seine Tochter ist.
Am nächsten Tag bricht das Eis zwischen ihnen langsam und sie beschließen ihre gemeinsame Tochter im Krankenhaus zu besuchen. Als sie aber im Wartezimmer sitzen kommt eine Ärztin auf sie zu und berichtet ihnen vom Tod Sabeths. Nachdem sie die Schlange gebissen hatte, fiel sie eine Böschung herunter und sie erlag an einem nicht entdeckten Schädelbasisbruch.
Faber reagiert und berichtet wieder vollkommen rational: Er beschreibt den Leichnam seiner Tochter und ist froh darüber, als Hanna mit ihren Fäusten auf ihn einschlägt. Endlich etwas, dass er verstehen kann.
Hier beginnt eine neuer Teil des Buches, eine Abwechslung zwischen Berichten von Fabers Rückkehr nach New York und zeitlich später angesiedelten Tagebucheinträgen von Fabers Krankenhausaufenthalt. Beide Handlungen sind geschickt miteinander verknüpft, so dass der Leser immer neues erfährt, obwohl die Tagebucheintragungen eigentlich alles vorwegnehmen würden. Man weiß zuerst gar nicht, warum Faber im Krankenhaus ist, es könnte sogar eine Anstalt für Geisteskranke sein.
Nach und nach setzt sich das Puzzle zusammen und man erfährt von Fabers Magenkrebsdiagnose. Er fliegt wieder nach Athen und wartet dort im Krankenhaus zusammen mit Hanna auf seine Operation. Anhand der Tagebucheintragungen wird Fabers emotionaler Zustand das erste Mal klar, er beginnt zu bedauern und die Gefühle der vergangenen Ereignisse holen ihn ein. In seiner letzten Eintragung schreibt er über seine Angst vor der Operation, die am nächsten Tag stattfinden wird und er rekonstruiert noch einmal seine Trennung von Hanna, wie diese danach mit Joachim zusammenkam und dieser Sabeth aufzog und wie Joachim sie schließlich auch verließ und nach Südamerika ging.
Fabers letzter Satz im Tagebuch lautet: „Sie kommen.“, voller Gewissheit, dass er die Operation nicht überleben wird.
Für mich ist „Homo faber“ die Geschichte eines vollkommen zerstörten Menschen. Walter Faber ist jemand, der nur noch dadurch lebt, dass er die Dinge erklären, beschreiben und begreifen kann und sich durch diese Vernunft die Angst nimmt. Immer wieder klammert er sich an seine Berechnungen, Fakten und Gerätschaften und auch zwischenmenschlich versucht er immer den anderen völlig zu durchschauen und kühl zu berechnen, wie er mit ihm umgehen sollte. Als jedoch durch eine Reihe von unerklärlichen Zufällen, angefangen mit dem Flugzeugabsturz, seine Vergangenheit ihn einholt und er sich wieder seiner Gefühle von damals bewusst wird, bricht ein totales inneres Chaos in ihm aus.
Nachdem er seine komplizierten Emotionen so lange begraben hatte, brechen sie jetzt wieder hervor und er muss sich ihnen stellen. Seine Freundschaft zu Joachim, seine Liebe zu Hanna und seine neue Liebe zu seiner Tochter, alles stürzt auf ihn ein und Faber ist verwirrter denn je zuvor. Erst nach dem Tod seiner Tochter bemerkt er die Chance, die er gehabt hätte glücklich zu sein, doch es ist zu spät. Der Magenkrebs, den er so lange gespürt hat, aber immer ignoriert hat, ist ein Symbol für seine unterdrückten Gefühle, die erst jetzt ans Tageslicht kommen. Er baut eine Beziehung zu Hanna auf und lässt den Krebs operieren, doch er weiß, dass er nicht mehr geheilt werden kann: Weder emotional noch körperlich.
Das Buch von Max Frisch zeigt für mich, wie viel es brauchen kann um einen vollkommen vernunftsbesessenen Menschen endlich wieder zum Fühlen zu bringen. Der gesamte Schreibstil des Buches und Fabers ständiges Pochen auf die Technik und die Vernunft zeigen wie krank Faber ist, doch erst am Ende wird einem das Ausmaß des ganzen bewusst und man weiß, dass Faber nicht mehr gerettet werden kann.
Das Lesen war teilweise sehr anstrengend und ermüdend durch Fabers ständige kurze und berechnenden Gedankeneinschübe und ewig langen detailreichen und gefühlsarmen Beschreibungen, doch diese waren nur ein Mittel um Fabers Wesen hervorzuheben. Am Ende verstand ich, worauf Frisch hinauswollte und dass das Gefühl des Lesers, das die Geschichte nirgendwo hinführt, beabsichtigt und berechnet war. Ein großartiges und beklemmendes Werk.