In einer Handvoll Erde, in unserem Mund oder auf unserer Haut gibt es mehr Prokaryoten als jemals Menschen gelebt haben. Prokaryoten sind nicht nur bei weitem die häufigsten Organismen, sondern sie haben auch nahezu jeden Lebensraum besiedelt. Überall wo man Leben findet, sind auch Prokaryoten.
In der derzeit angewandten biologischen Systematik wird das Reich der Prokaryoten durch die Bakterien gebildet. Oft wird der Begriff Prokaryoten synonym mit Bakterien verwendet!
Definition: Bakterien (griechisch bakterion: Stäbchen), grosse Gruppe mikroskopisch kleiner, einzelliger Organismen ohne echten, klar umrissenen Zellkern, die sich im Allgemeinen durch Zellteilung vermehren.
Diese Definition wird nachfolgend genauer erläutert.
1. Einleitung
Bakterien sind Organismen, in deren Zellen das Kernmaterial nicht von einer Membran umgeben ist. Das ist auch der wesentlichste Unterschied zu den Eukaryoten. Etwa 1 600 Arten sind bekannt. Im Allgemeinen werden Bakterien aufgrund bestimmter Eigenschaften systematisch zugeordnet, z. B. nach ihrer Form als Kokken (kugelförmig), Bazillen (stäbchenförmig) oder Spirochäten (spiralförmig); nach ihrer Zellwandstruktur. nach unterschiedlicher Färbbarkeit (Gram-Färbung); nach der Fähigkeit, in An- oder Abwesenheit von Luft zu leben und zu wachsen (aerob bzw. anaerob) sowie nach ihrer Nucleinsäureverwandtschaft.
2. Bewegung
Nicht alle Bakterien können sich bewegen, doch die mobilen unter ihnen sind im Allgemeinen mit schraubenartigen Fortsätzen versehen, den sogenannten Flagellen (Geisseln). Diese können rund um die Zelle verteilt, an einem oder zwei Enden, einzeln oder in Büscheln auftreten. Je nachdem, in welche Richtung die Flagellen schlagen, bewegen sich Bakterien entweder vorwärts oder drehen sich auf der Stelle. Ob sich das Bakterium fortbewegt oder dreht, hängt von Rezeptoren in der Membran ab. Mit Hilfe dieser unterschiedlichen Bewegungsarten können sich Bakterien z. B. auf Nahrungsquellen bewegen und von ungünstigen Umweltbedingungen entfernen. Bei einigen im Wasser lebenden Bakterien, die eisenreiche Partikel enthalten, wurde festgestellt, dass ihre Bewegung am Magnetfeld der Erde orientiert ist.
3. Aufbau
Die meisten Bakterien sind einzellig. Einige Arten neigen aber dazu, sich zu zwei- oder mehrzelligen Verbänden zusammen zu schliessen. Andere bilden Kolonien, die aus gleichartigen Zellen bestehen. In solchen Kolonien kann es zu einer Arbeitsteilung zwischen zwei oder mehr spezialisierten Zelltypen kommen. Nahezu alle Bakterien besitzen eine Zellwand, die sich aussen auf der Plasmamembran befindet. Die Zellwand stabilisiert die Form der Zelle, bildet einen mechanischen Schutz und bewahrt die Zelle vor dem Platzen. Die Gene sind in einem ringförmigen Strang angeordnet, der nicht von einer Membran umgeben ist. Der Durchmesser eines „normalen“ Bakteriums beträgt ca. 0,5 mm (1mm = 1/1 000 000 000 Meter). (vgl. Grafik)
In der prokaryotischen Evolution gibt es zwei Hauptzweige: Archaebacteria und Eubacteria
Archaebakterien
oder Archaea:
Der Name bezieht sich auf den sehr frühen Zeitpunkt, zu dem diese Gruppe entstanden sein muss (vom griechischen archaios für „ursprünglich“). Archaea leben unter extremen Bedingungen, wie sie früher auf der Erde herrschten. Man unterscheidet drei Hauptgruppen von Archaebakterien.
Methanogene
Tragen ihren Namen wegen ihrer spezifischen Form der Energiegewinnung. Sie gehören zu den Anaerobiern, die durch Sauerstoff getötet werden. Sie leben in Sümpfen und Sedimenten stehender Gewässer. Das an diesen Orten durch die Aktivität der Archaebakterien unter Blasenbildung aufsteigende Methan nennt man Sumpfgas.
Halophile
Vom griechischen hals für „Salz“ und philos für „Freund“. Sie leben an sehr salzhaltigen Orten wie dem Toten Meer in Israel. Einige Arten tolerieren den hohen Salzgehalt lediglich, während andere für ihr Wachstum tatsächlich eine Umgebung brauchen, die zehnmal salziger als Meerwasser ist.
Thermophile
Leben an heissen Standorten. Die optimalen Bedingungen für diese Archaebakterien sind Temperaturen von 60°C bis 80°C. Zum Beispiel treten sie in vulkanischen Thermalquellen des Yellowstone Nationalparks auf.
Eubakterien
oder „echte“ Bakterien: Unterscheiden sich in vielen Strukturdetails und ebenso in biochemischen und physiologischen Eigenschaften grundlegend von den Archaebakterien. Zu den Eubakterien gehören die meisten herkömmlich als Bakterien angesehenen Organismen. Zahlreiche Eubakterien sind zwar pathogen (krankheitserregend), die meisten sind jedoch harmlos oder sogar nützlich. Die meisten im Boden, im Wasser und in der Luft vorkommenden Bakterien sind Eubakterien. Man unterscheidet fünf Hauptgruppen.
Proteobakterien
Vielfältigste Gruppe der Bakterien, mit Untergruppen
- Purpurbakterien: Organismen mit Bakterienchlorophyll, welches sich in Einstülpungen der Plasmamembran befindet, gewinnen Elektronen nicht aus H20, sondern aus solchen Verbindungen wie H2S und setzen deshalb keinen Sauerstoff frei (die gelben Kügelchen in den Zellen bestehen aus Schwefel, der als Abfallprodukt der H2S-Spaltung entsteht). Die meisten Arten sind Anaerobier in Teichen, Seen und Schlammflächen; viele Arten besitzen Flagellen.
- Chemoautotrophe Proteobakterien: Meist aerob, besiedeln Lebensräume im Boden und im Wasser; Bakterien der Gattung Nitrobacter sind wichtig für die Abwasserbehandlung.
- Chemoheterotrophe Proteobakterien: Umfassen aerobe und anaerobe Arten. Viele spielen im Stickstoffkreislauf von Ökosystemen eine Schlüsselrolle. Beispielsweise lebt die aerobe Gattung Rhizobium symbiotisch in Wurzelknöllchen von Bohnen und trägt durch Stickstoffixierung zur Nährstoffversorgung dieser Pflanze bei. Rhizobium selbst lebt von organischen Säuren der Wirtspflanze.
Andere Formen dieser Gruppe sind die Enterobakterien, welche im Darmtrakt von Tieren leben, die meisten Enterobakterien sind stäbchenförmige Anaerobier. Viele sind harmlos, wie die meisten Stämme von E. coli, andere sind generell gefährlich – so verursacht die Gattung Salmonella Lebensmittelvergiftungen.
Gram-positive
Eubakterien
Viele wie Clostridium und Bacillus bilden
Endosporen (eingerahmter Teil der Abbildung), die gegenüber widrigen Umwelbedingungen resistent sind.
Zu den Gram-positiven, die keine Sporen bilden, gehören die Mycoplasmen. Sie zählen zu den kleinsten bekannten Zellen. Ihnen fehlt als einzigen Eubakterien die Zellwand. Sie leben verbreitet im Boden und einige sind gefährlich (beispielsweise verursacht die Art Mycoplasma pneumoniae eine Form der Lungenentzündung beim Menschen).
Aktinomyceten gehören auch zu den Gram – positiven. Es sind Bodenbakterien, die häufig verzweigte Kolonien bilden. Viele Aktinomyceten, einschliesslich Streptomyces sind wichtige Antibiotikumproduzenten.
Cyanobakterien
Bakterien mit pflanzenähnlichem photosynthetischem Apparat. Die meisten besiedeln Süsswasser, aber es gibt auch Meeresarten und Symbionten, die gemeinsam mit Pilzen als Flechten leben. Geisseln fehlen, bewegliche Arten gleiten. Unter den Cyanobakterien gibt es einzellige, kolonienbildende und vielzellige Formen (Bild) mit einer Arbeitsteilung zwischen spezialisierten Zellen.
Spirochaeten
Schraubenförmige Zellen, die manchmal sehr lang sind (bis zu 0,25 Millimeter), aber zu dünn um mit blossem Auge erkannt zu werden. Einige Arten wie zum Beispiel Treponema pallidum (Erreger des Syphilis) können pathogen sein.
Chlamyden
Leben in Zellen von Tieren und erhalten Nährstoffe von der Wirtszelle (Parasiten). Die Art Chlamydia trachomatis ist die weltweit häufigste Ursache für Erblindungen und verursacht auch häufig, durch sexuellen Kontakt übertragene Krankheit.
Gram-Färbung
Eines der wertvollsten Werkzeuge für die Identifizierung der Eubakterien ist die Gram-Färbung (benannt nach dem dänischen Arzt Hans Christian Gram). Sie ist geeignet, viele Eubakterien in zwei Gruppen einzuteilen, die sich in ihrem Zellwandaufbau unterscheiden. Gram-positive Bakterien besitzen einfachere Zellwände mit einem relativ hohen Anteil an Murein. Die Wände der Gram-negativen Bakterien enthalten weniger Murein und sind komplexer in ihrer Struktur. Eine äussere Membran umhüllt die Zellwand der Gram-negativen Bakterien. In Zellwänden von Archaebakterien ist kein Murein anzutreffen.
Genetik und Fortpflanzung
Das Erbmaterial von Bakterienzellen liegt in Form eines DNA-Doppelstranges vor. Viele Bakterien besitzen auch kleinere kreisrunde DNA-Abschnitte, so genannte Plasmide, die ebenfalls Erbinformation enthalten, welche allerdings für die Fortpflanzung nicht wesentlich ist.
Den sexuellen Zyklus von Meiose und Befruchtung, der bei den Eukaryoten eine grosse Bedeutung für die genetische Variabilität hat, gibt es bei den Bakterien nicht. Dafür existieren drei andere Mechanismen zur genetischen Rekombination:
Transformation:
Gene aus der Umgebung werden in die Zelle aufgenommen.
Konjugation:
Gene (Plasmide) werden dabei direkt von einem Bakterium auf das andere Übertragen.
Transduktion:
Gene zwischen Bakterien werden durch Viren übertragen.
Bakterien vermehren sich durch Zellteilung. Dabei verdoppelt sich das genetische Material, das Bakterium dehnt sich aus, schnürt sich etwa in der Mitte ab und teilt sich vollständig. Es entstehen zwei Tochterzellen, die im Wesentlichen mit der Mutterzelle identisch sind. Einige Bakterien teilen sich alle 20 bis 40 Minuten. Unter günstigen Bedingungen, bei einer Zellteilung alle 30 Minuten, kann nach 15 Stunden aus einer einzigen Zelle eine Nachkommenschaft von etwa einer Milliarde entstehen. Eine solche Kolonie ist mit bloßem Auge wahrzunehmen.
Da die Generationszeiten meist sehr klein sind, kann sich eine vorteilhafte Mutation rasch in einer Population ausbreiten. Ebenso können sich Bakterien schnell an Umweltveränderungen anpassen.
Mit Wachstum bei Bakterien meint man meistens die Teilung von Zellen und damit eine Vergrösserung der Population und nicht eine Vergrösserung einzelner Zellen. Kühlung schützt Lebensmittel vor dem Verderben, weil die meisten Bakterien bei niedrigen Temperaturen nur sehr langsam wachsen (sich kaum vermehren).
Wirkung der Bakterien
Bakterien lassen sich hinsichtlich ihrer Lebensweise in zwei Hauptgruppen unterscheiden: Saprophyten, die auf totem tierischen oder pflanzlichen Material leben, und Symbionten, die lebende Organismen besiedeln. Saprophyten sind für die Zersetzung toter Tiere und Pflanzen verantwortlich (Destruenten) und führen damit dem Boden wieder Nährstoffe zu. Symbiontische Bakterien kommen in vielen menschlichen Gewebearten vor, z. B. im gesamten Verdauungstrakt und in der Haut. Dort sind sie für einige physiologische Prozesse unerlässlich. Eine solche Beziehung wird als mutualistisch bezeichnet, d. h. sie beruht auf Gegenseitigkeit. Andere Symbionten versorgen sich bei ihren lebenden Wirten mit Nährstoffen, ohne ernsten Schaden anzurichten. Diese Form des Zusammenlebens wird Kommensalismus genannt. Eine dritte Art, die Parasiten, kann die Pflanzen oder Tiere, die sie besiedeln, zerstören.
Bakterien verursachen das Verderben von Fleisch, Wein, Gemüse, Milch und Milchprodukten. Sie verändern die Zusammensetzung solcher Lebensmittel, so dass diese ungenießbar werden. Bakterienwachstum in Nahrungsmitteln kann auch zu Lebensmittelvergiftung führen. Andererseits sind Bakterien in manchen Industriezweigen von großer Bedeutung. Die Fähigkeit einiger Arten zur Fermentation wird für die Herstellung von Käse, Joghurt, Sauerkraut und anderem sauer eingelegtem Gemüse genutzt. Bakterien sind auch für die Produktion von gegerbtem Leder, Tabak, Textilien, Pharmazeutika, verschiedenen Enzymen und Waschmitteln von Bedeutung.
Bakterien befinden sich in nahezu jeder Umgebung und tragen dort zu den unterschiedlichsten biologischen Abläufen bei. Beispielsweise können sie Licht erzeugen. Sie sind auch in der Lage, ausreichende Temperaturen für eine spontane Entzündung in Heusilos zu erzeugen.
Bakterien haben immensen Einfluss auf Art und Zusammensetzung des Bodens. Mit ihrer Hilfe werden organische pflanzliche und tierische Überreste vollständig zersetzt. Dadurch werden ungeheure Mengen an Pflanzennährstoffen gewonnen. Es gilt ebenso als gesichert, dass die Photosynthese, auf der das Pflanzenleben basiert, ursprünglich von Bakterien entwickelt wurde.
Pathogene Bakterien
Ungefähr 200 Bakterienarten sind pathogen (krankheitserregend) für den Menschen. Die Pathogenität der einzelnen Arten ist sehr unterschiedlich und hängt sowohl von der Virulenz (der schädlichen Aktivität) der einzelnen Art als auch vom Zustand des Wirtsorganismus ab. Zu den virulenteren Bakterien zählen beispielsweise die Erreger von Cholera, Tetanus, Lepra, Pest, Tuberkulose, Syphilis, Typhus und einigen Formen der Lungenentzündung. Bis zur Entdeckung der Viren hielt man Bakterien für die Erreger aller Infektionskrankheiten.
Die pathogenen Wirkungen von Bakterien auf Körpergewebe lassen sich in vier Klassen einteilen:
- Direkte örtliche Wirkung auf das betroffene Gewebe
- Mechanische Wirkung, beispielsweise wenn eine Vielzahl von Bakterien ein Blutgefäß blockiert und somit einen infektiösen Gefäßpfropf bildet
- Wirkungen durch eine Körperreaktion aufgrund der bakteriellen Infektion von Körpergeweben, z. B. Gewebszerstörung am Herzen durch Antikörper bei rheumatischem Fieber
- Wirkungen bakterieller Toxine (Gifte): chemischer Stoffe, die für manche Gewebe giftig sind.
Beispiele für ein bakterielles Toxin findet man bei der Gattung Salmonella. Salmonella typhi verursacht den Typhus und einige andere Arten der Gattung, die häufig bei Geflügel vorkommen, verursachen Lebensmittelvergiftungen.
Antibiotika
In der Natur müssen Bakterien um Raum und Nahrung konkurrieren. Eine Eigenschaft der Prokaryoten ist die Freisetzung von Antibiotika. Das sind chemische Verbindungen, die das Wachstum anderer Mikroorganismen hemmen. Die Menschen nutzen einige dieser Substanzen im Kampf gegen pathogen Bakterien. Antibiotika töten Bakterien entweder ab oder verhindern ihre Vermehrung.
Durch Bakterien verursachte Krankheiten wurden bisher sicher nicht ausgerottet. Aber ihr Rückgang seit dem letzten Jahrhundert, der eher durch Hygiene als durch „Wunderarznei“ verursacht wurde, ist eine der grössten Leistungen der medizinischen Forschung und ihrer Anwendung. Auf der anderen Seite ist die häufige Entstehung von Stämmen pathogener Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind, eine schwerwiegende gesundheitliche Bedrohung, die durch unvorsichtige und übermässige Verwendung von Antibiotika noch verschlimmert wird.
Escherichia coli
Eubakterium, gehört zur Hauptgruppe der Proteobakterien, Untergruppe Enterobakterien, Gattung Escherichia (vgl. Stammbaum). Die Wildform dieses Bakteriums lebt im Darm von Säugetieren und Menschen. Escherichia coli ist der am besten bekannteste Organismus. Er ist harmlos für den Menschen, kann jedoch durch Freisetzung von Toxinen Reisedurchfall verursachen.
Eigenschaften:
- Unter sterilen Bedingungen lassen sich mit wenig Aufwand grosse Mengen züchten. Wenige Millimeter einer Escherichia coli Kultur können so viele Zellen enthalten, wie es Menschen auf der Erde gibt.
- Sie haben eine kurze Generationsdauer. Unter günstigen Bedingungen teilen sie sich alle 20 bis 30 Minuten.
- Sie haben einfach gebaute Zellen und liefern viele Mutanten.
- Gene können wie bei vielen Bakterienarten von einem Individuum zum anderen übertragen werden (Rekombination).