(von griech.: bromos = Gestank). Chem. Symbol Br. Einziges bei gewöhnlicher Temp. flüssiges nichtmetall. Element, Ordnungszahl 35, Atomgewicht 79,904. Natürliche Isotope: 79 (50,54%) u. 81 (49,46%); daneben kennt man künstliche Isotope mit HWZ zwischen 1,6 s u. 57 Std. Wertigkeiten: –1,0, +1, +3 u. +5. Br gehört zu den Halogenen u. steht in der 7. Hauptgruppe des Periodensystems zwischen Chlor u. Iod, mit denen es in seiner hohen Reaktionsfähigkeit, der Wertigkeit u. dem elektroneg. Charakter nahe Verwandtschaft zeigt. Br ist eine dunkelrotbraune, schwere Flüssigkeit, die an der Luft lebhaft rotbraune, beißend unangenehm riechende, giftige Dämpfe entwickelt, D. 3,12 (20°).
 
Flüssiges, reines Br siedet bei 58,78°; es erstarrt bei –7,2° zu einer braunen, schwach metall. glänzenden Kristallmasse, die bei weiterem Abkühlen auf –252° farblos wird. Die Br-Dämpfe sind gewöhnlich zweiatomig (Br2); durch starkes Erhitzen od. Belichten werden die Br2-Moleküle in Atome gespalten: z.B. bei 1500° rund 30%. Brom-Dämpfe sind mehr als 5mal so schwer wie Luft, sammeln sich daher am Boden von Gefäßen an u. können bequem umgegossen werden. In Wasser ist Br wenig löslich: 100 g lösen bei 20° nur 3,55 g Br mit braunroter Farbe auf (Bromwasser). Es ist auch ein sog. Bromhydrat bekannt, dem die Formeln Br2·8H2O od. 6Br2·46H2O zugeschrieben werden . Bei längerem Stehen im Sonnenlicht entwickelt das Br-Wasser O2 unter Bildung von Bromwasserstoff:
 
Br2+H2O ® 2HBr+1/2 O2. Br-Wasser ist ein im Laboratorioum häufig benutztes Oxidationsmittel. In Alkohol, Ether, Chloroform u. Schwefelkohlenstoff ist Br leicht lösl.; die Lsg. sind braun. Br ist ähnlich wie Chlor ein sehr reaktionsfähiges Element, das sich fast mit allen anderen Elementen (ausgenommen O u. C) leicht vereinigt. Zinn u. Aluminium reagieren mit Br unter Feuererscheinungen, K sogar unter Explosion; Gold wird ohne weiteres aufgelöst. Org. Stoffe aller Art (manche Farbstoffe, Fette, Holz, Kork, Papier, Stärke) fallen rascher Zerstörung anheim; die Neigung des Br, sich an Doppelbindungen zu addieren (s. Bromierung), wird zur Best. des ungesätt. Charakters z.B. von Mineralölen ausgenutzt (Brom-Zahl, s. DIN 51774 T1–3, Aug. 1975). Wasserfreies Brom (unter 0,03 Gew.-% Wasser) greift Lager- u. Transportgefäße von Kupfer, Blei, Nickel, Teflon u. Silber nicht od. nur unwesentlich an; gegen feuchtes Br sind nur Hastelloy u. Ta beständig.
 
Physiolog.: Auf der Haut ruft flüssiges Br schmerzhafte, tiefe Wunden hervor. Br-Dämpfe werden in 100000facher Verdünnung noch leicht gerochen; bei 10000facher Verdünnung sind nach längerem Einatmen Bronchienverätzungen zu befürchten (MAK 0,7–mg/m3; Best. mit Dräger-Prüfröhrchen im Bereich 0,2 bis 30ppm). Über den Umgang mit Br informiert das Merkblatt f. gefährl. Arbeitsstoffe M003 (12/81) der BG Chemie, über Maßnahmen bei Vergiftungen s. Lit. . Br ist in Form seiner Verb. ein Sedativum (vgl. Brom-Präparate): es setzt die Erregbarkeit des ZNS herab, ohne direkt einschläfernd zu wirken. Zur Bekämpfung der Epilepsie wurden 1864 Tagesgaben von 4–6 g Br-Salz mit Erfolg angewendet. Bei häufigem Gebrauch reichert sich das Br im Körper an, u. das NaCl im Körper wird bis zu einem gewissen Grad durch NaBr ersetzt, umgekehrt führt die Zufuhr von NaCl zu schneller Ausscheidung des Br. Als Quellen von Br-Rückständen in Lebensmitteln kommen bes. Antiklopfmittel, Fumigantien (Dibromethan, Methylbromid) u. Flammschutzmittel in Frage.
 
Nachw.: Qual. läßt sich Br als schwerlösl. Silberbromid nachweisen; zur quant. Best. wird Bromid zu Bromat oxidiert, u. dieses setzt aus hinzugefügtem Kaliumiodid Iod in Freiheit, das mit Thiosulfat titriert wird.
Vork.: Br tritt wegen seiner großen Reaktionsfähigkeit in der Natur nicht frei auf, wohl aber als Bromwasserstoff (in Vesuvgasen) u. in Form einfacher Bromide, wie z.B. des südamerikan. Bromits. Das techn. wichtigste deutsche Vork. ist im Staßfurter Abraumsalz der Bromcarnallit
 
(MgBr2·KBr·6H2O). Meerwasser enthält im Durchschnitt 0,0065% Br, zumeist in Form von Magnesiumbromid: im Toten Meer steigt der MgBr2-Gehalt auf etwa 1,5% (Gesamt-Br-Vorrat ca. 850 Mio. t). In den USA gibt es salzhaltige Quellen mit erheblichen Mengen von gelösten Br-Verbindungen. Etwa 99% der irdischen Br-Vorräte dürfte in den Ozeanen enthalten sein, wo Br auch in org. Bindung in Meeresorganismen aufgefunden wurde , z.B. in Schwämmen od. Algen .
 
Herst.: In der BRD wird Br hauptsächlich aus den Carnallit-Endlaugen gewonnen, die neben 26–28% MgCl2 u.a. etwa 0,3–0,4% MgBr2 enthalten. Aus diesen u.a. mit Bromid angereicherten Rohstoffen wird Br mit Chlor in Freiheit gesetzt u. mit Dampf ausgetrieben (Heißentbromung). Bei der Gewinnung aus Meerwasser wird nach Ansäuern u. Einleiten v. Chlor das Br mit Luft ausgeblasen (Kaltentbromung). Die Weltproduktion an Br von insgesamt 368 Tsd t in 1986 verteilte sich lt. World Mineral Statistics 1982–86, Nottingham: Keyworth 1988, auf USA (141), Israel (105), UdSSR (65), Großbritannien (26), Frankreich (19), Japan (7,6), BRD (2,5) u.a. Länder.
 
Verw.: Als Ausgangsmaterial für photograph. Chemikalien (Silberbromid) u. org. Synthesen von Farbstoffen, Arzneimitteln, Agrochemikalien, Tränenreizstoffen, Kontrastmitteln, Feuerlöschmitteln usw., sowie – mit zunehmender Bedeutung – von Flammschutzmitteln für Kunststoffe. Die früher 90% der Br-Erzeugung betragende Verw. für 1,2-Dibromethan (Zusatzstoff zu den Antiklopfmitteln bei Motorkraftstoffen) ist aus Gründen des Umweltschutzes stark zurückgegangen. Wäss. Bromid-Lsg. (z.B. 53% CaBr2) finden wegen ihrer hohen Dichte (1,7 kg/l) Verw. in hydraulischen Flüssigkeiten, zur Erzflotation, sowie bei der Erdölförderung als “Packer fluids”, die das Förderrohr außen umgeben u. zum Druckausgleich dienen. Als Oxidationsmittel wird Br, z.B. in Form von Br-Wasser, verw. zur Wasser-Desinfektion, zum Bleichen v. Papier u. Zellstoff, in der Textilindustrie usw.
 
Geschichtl.: Br wurde 1826 von Balard aus dem Mittelmeerwasser hergestellt u. als Element erkannt; bereits 1825 war es von Löwig isoliert worden, ohne daß der Element-Charakter bemerkt wurde. Gay-Lussac bezeichnete das Element auf Grund seiner übelriechenden Dämpfe als Brom. Die industrielle Gewinnung von Br setzte erst um 1865 ein.

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