Säure- Base- Indikatoren sind stark gefärbte schwache Säuren oder Basen. Die meisten sind Zweifarben- Indikatoren, bei denen die saure und die basische Form unterschiedliche Farben aufweisen. Es gibt auch einige Einfarben- Indikatoren, wie z.B. Phenolphthalein, dessen saure Form farblos und dessen basische Form violett- rosa ist.
Titriert man eine einzelne Säure oder Base in Gegenwart eines Indikators, so wirkt dieser ebenfalls als Säure oder Base. Titriert man z.B. eine Säure mit Natriumhydroxid, so verhält sich der Indikator wie eine zweite Säure, die allerdings schwächer als die zu titrierende Säure ist und deshalb nach ihr neutralisiert wird. Zuerst wird die starke zu titrierende Säure neutralisiert und dann die schwächere Indikatorsäure. In der Praxis benötigt man allerdings so wenig von dem stark gefärbten Indikator. Ein Indikator ändert seine Farbe über einen pH- Bereich und nicht über einen pH- Wert. Dieser Bereich hängt von der Fähigkeit des Beobachters ab, geringe Farbänderungen wahrzunehmen. Für einen Zweifarben- Indikator entspricht der Bereich des Farbübergangs etwa 2 pH- Einheiten.
Angenommen, wir verwenden eine Indikatorsäure, HInd. Da es sich um eine schwache Säure handelt, können wir die Dissoziatinsgleichung und den Ausdruck für die Dissoziationskonstante wie folgt schreiben:
HInd + H2O H3O+ + Ind– , Ka= [H3O+] [Ind–]
[HInd]
Die saure Form des Indikators ist HInd und wir wollen annehemen,dass sie gefärbt ist. Wenn der Indikator mit einer starken Base neutralisiert wird, so liegt er anschließend als Ind– vor, dessen Farbe sich von der sauren Form unterscheidet. Ausgehend von der sauren Form eines Zweifarben- Indikators, können die meisten Menschen keine Farbänderung feststellen, bevor nicht wenigstens ein Zehntel des Indikators in die basische Form Ind– umgewandelt ist.
Setzt man dieses Verhältnis von 1:10 in den Ausdruck für die Dissoziationtionskonstante ein, so kann man den pH am sauren Ende des Umschlagsbereichs ausrechnen:
Ka= [H3O+]*1
10
[H3O+]=10*Ka
pH= pKa -1
Mit fortlaufender Neutralisation erscheint der Indikator dem Auge als völlig in die basische Form umgewandelt, wenn die Lösung noch einen Teil der sauren Form auf zehn Teile der basischen Form enthält. Durch Einsetzen in den Ausdruck für Ka kann analog zum sauren Ende des Umschlagbereiches der pH- Wert für das basische Ende des Umschlagbreichs berechnet werden:
Ka= [H3O+] 10
1
[H3O+]=Ka
10
pH= pKa +1
Damit wird der Unterschied im pH- Wert zwischen dem sauren und dem basischen Ende des Umschlagbereiches
pHbasisch – pHsauer = (pKa+1) – (pKa-1) =2
Die stark unterschiedlichen Eigenschaften der verschiedenen Indikatoren machen es möglich, den Umschlagsbereich so zu wählen, dass er im steilsten Anstieg der Säure- Base- Titrationskurve liegt.
Da der Farbumschlag eines Indikators in einem bestimmten pH- Bereich erfolgt, ist es oft schwierig, zu wissen, welche Farbe man nun als Endpunkt betrachten soll. Um diese Frage zu klären, kann man z.B. die Titration in Anwesenheit des Indikators zunächst unter Verwendung eines pH- Meters durchführen und dann diejenige Farbe des Indikators bestimmen, die am Äquivalenzpunkt vorliegt. Weitere Proben können dann genau auf diese Farbe titriert werden. Manchmal wird auch ein Farbstandard hergestellt und die Titration wird bis zu dem Punkt geführt, an dem die Indikatorfarbe der des Standards entspricht.
Indikator
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Umschlagsbereich
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Farbumschlag
sauer
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basisch
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Dimethylgelb
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2,9- 4,0
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rot
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gelb
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Methylorange
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3,1- 4,8
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rot
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gelb
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Methylrot
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4,2- 6,3
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rot
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gelb
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Bromthymolblau
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4,5- 7
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gelb
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blau
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Phenolphthalein
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8,2- 10,0
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farblos
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rotviolett
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Einige Anwendungen von Säure- Base- Titrationen
Bestimmung der molaren Masse einer schwachen Säure
Wenn die Dissoziationskonstante und die Konzentration einer schwachen Säure ungefähr bekannt sind, kann man einen geeigneten Indikator wählen und die Säure direkt mit Natriumhydroxid- Maßlösung titrieren. Im allgemeinen ist Phenolphthalein ein geeigneter Indikator. In der chemischen Forschung wird häufig analytische Information über eine reine unbekannte Säure benötigt. Man kann nun die Säure- Base- Titration einsetzen, um die molare Masse der Säure zu bestimmen oder, wenn die Anzahl saurer Gruppen im Molekül unbekannt ist, die Äquvivalentmasse. Wenn die Titration mit einem pH- Meter potentionmetrisch verfolgt wird, kann der pKa– Wert der Säure ebenfalls gemessen werden. Es wird bestimmt aus dem pH am Wendepunkt ( 50% Neutralisation) der Titration, in dem [HA], die Konzentration der nicht neutralisierten Säure, gleich [A–], der Konzentration des Salzes, ist. Einsetzen in den Ausdruck für die Dissoziationskonstante der Säure liefert:
Ka= [H3O+] [A–]
[HA]
Ka= [H3O+]
pKa= pH
Titration von Natriumcarbonat und carbonathaltigen Mischungen
Das Carbonat- Ion ist die konjugierte Base des Hydrogencarbonat- Ions, welches seinerseits die konjugierte Base der Kohlensäure ist.
Titriert man Natriumcarbonat mit einer starken Säure wie z.B. Salzsäure ( Chlorwasserstoffsäure), so wird das Carbonat- Ion zunächst in das Hydrogencarbonat- Ion (Bicarbonat- Ion) und anschließend in die Kohlensäure umgewandelt:
CO32- + H3O+ ® HCO3– + H2O
(Na2CO3) (HCL)
HCO3– + H3O+ ® H2CO3 + H2O
Der allgemeine Verlauf der Titrationskurve kann aus den beiden Dissoziationskonstanten der Kohlensäure, pK1= 6,73, pK2=10,32 abgeleitet werden. So ist. z.B. bei Titration der Kohlensäure mit Natriumhydroxid der pH- Wert auf halbem Weg zum ersten Äquivalenzpunkt (d.h. wenn die Lösung 50% Kohlensäure und 50% Hydrogencarbonat enthält) 6,37 (pH=pK1). Beim ersten Äquivalenzpunkt liegt HCO3– vor und der pH ist (pK1 + pK2)/2 oder 8,35. Au f halben Weg vom ersten und zweiten Äquivalenzpunkt enthält die Lösung 50% Hydrogencarbonat und 50% Carbonat und der pH ist 10,32 (pH=pK2).
Titriert man Natriumcarbonat mit einer eingestellten Salzsäurelösung, wird die Titrationskurve natürlich umgekehrt aussehen. am ersten Endpunkt ( nach Titration des Carbonats zu Hydrogencarbonat) ändert der Indikator Phenolphthalein seine Farbe von violett-rosa nach farblos. Dieser Farbumschlag tritt allmählich auf und die Genauigkeit ist dementsprechend gering. Nach diesem Endpunkt beginnt die Titration von Hydrogencarbonat (Bicarbonat) zu Kohlensäure. Diese Titration ist beim zweiten Endpunkt abgeschlossen. Methylorange ändert dann beim zweiten Endpunkt seine Farbe von gelb nach rosa. Dieser Endpunkt ist schärfer als der mit Phenolphthalein beobachtete, aber auch hier handelt es sich um einen allmählichen Umschlag.
Das beste Verfahren besteht darin, methylrot als Indikator einzusetzen und auf dem Farbumschlag nach rot zu titrieren; der Umschlag wird sehr allmählich auftreten. Wenn dies geschehen ist, wird die Lösung eine Minute lang gekocht, so dass das gelöste CO2 verflüchtigt wird. Dann kühlt man die Lösung ab und setzt die Titration fort, bis eine plötzliche Änderung der Farbe von Methylrot von gelb nach violett-rosa auftritt.
Die Mischung kann wie folgt titriert werden:
(1) Man titriere mit eingestellter HCl-Lösung gegen Phenolphthalein. dabei wird nur das Carbonat titriert. Man bedenke, dass am Endpunkt Carbonat in Hydrogencarbonat umgewandelt ist.
(2) Man setze die Titration nun fort bis zum Methylorange- oder Methylrot- Endpunkt. Nun wird das gesamte Hydrogencarbonat neutralisiert sein- d.h. sowohl ds Hydrogencarbonat, welches ursprünglich vorlag, als auch das aus der Neutralisation von Carbonat stammende Hydrogencarbonat.
Auf diese Wiese wird für die Titration vom ersten bis zum zweiten Endpunkt ein größeres Volumen verbraucht werden als vom Beginn der Titration bis zum ersten Endpunkt.
Die Mengen an Carbonat und Hydrogencarbonat in der ursprünglichen Probe können aus den von der Bürette abgelesenen Werten beim Pheolphthalein- und beim Methylorange- oder Methylrot- Endpunkt berechnet werden.
Bestimmung von Salzen durch Ionenaustausch
Die Konzentration eines Salzes in Lösung kann gewöhlich auch so bestimmt werden, dass man die Lösung über eine Kationenaustauschersäule gibt und eine Säure- Base – Titration anschließt. Gibt man z.B. Kaliumchlorid über eine Kationaustauschersäule in der H+ – Form, dann nimmt die Säule Kaliumionen auf und setzt dabei eine äquivalente Menge an Wasserstoffionen frei. Im Endeffekt wird also Kaliumchlorid quantitativ in Chlorwasserstoff umgewandelt. Die Säure kann dann leicht mit eingestellter Natriumhydroxidlösung titriert werden. Gibt man das Salz eines zweiwertigen Kations M2+ über die Kationenaustauschersäule, so werden für jedes Mol Kationen 2Mol Wasserstoffionen in die Lösung freigesetzt:
M2+ + 2KA- H+ + 2H2O ® KA2– M2 + 2H3O+
Bestimmung von Alkoholen
Bei der Analyse organischer Proben taucht häufig die Fragestellung auf, quantitativ die Menge an Teilchen mit einer bestimmten charakteristischen funktionellen Gruppe ( Alkohol, Amin, Ester, Keton o.ä.) zu bestimmen. Einige nützliche Methoden zur Bestimmung organischer funktioneller Gruppen beruhen auf quantitativen chemischen Reaktionen, bei denen ein saures Produkt gebildet oder ein saurer( oder basischer) Reaktionspartner verbraucht wird. Wenn die Reaktion vollständig abgelaufen ist, wird die Säure oder Base durch Säure- Base- Titration bestimmt. Die Bestimmung von Alkoholen durch Reaktion mit Essigsäureanhydrid ( Ethansäurehydrid) ist hierfür ein gutes Beispiel. Die dabei ablaufenden Reaktionen kann man wie folgt beschreiben:
(CH3CO)2 + ROH ® CH3COOR + CH3COOH (9-1)
Anhydrid Alkohol Ester Säure
(CH3CO)2O + H2O ® 2CH3COOH (9-2)
OH– + CH3COOH ® 2CH3COO– + H2O (9-3)
(NaOH)
Eine genau bekannte Menge Essigsäureanhydrid( in Pyridin oder Ethylacetat gelöst) wird der alkoholhaltigen Probe zugefügt. Nach einigen Minuten ist die Reaktion(9-1) vollständig abgelaufen und man gibt Wasser hinzu, um das verbleibende Anhydrid in Essigsäure umzuwandeln- entsprechend (9-2). dann wird die Summe der beiden Reaktionen gebildeten Essigsäure mit eingestellter Natriumhydroxidlösung titriert [Reaktion(9-2)] und die Essigsäure mit eingestellter Natriumhydroxidlösung titriert. Die Differenz zwischen den Ergebnissen der Titration von Blindprobe und Analysenprobe entspricht dem einen Mol Ester ( das nicht als Säure titriert werden kann), der pro mol Alkohol gebildet wurde. Daher entspricht die Differenz zwischen den Titrationsergebnissen, aus Blindprobe und Analysenprobe, der Menge an Alkohol in der ursprünglichen Probe.
Quellen:
- Chemielaborant Teil1
- Quantitative Analytische Chemie J.S.Fritz