Knapp 5000 Sprachen werden auf der Welt gesprochen. Die Bedeutung einer Sprache lässt sich nach verschiedenen Kriterien bemessen: nach der Anzahl der Muttersprachler, nach ihrer Vitalität, ihrer Fähigkeit also, sich gegen andere Sprachen durchzusetzen, nach Anzahl und Bedeutung der Länder, in denen sie Muttersprache ist, und nach ihrem Gebrauch als internatio­nales Kommunikationsmedium.

 

Mehrsprachigkeit ist in unse­rer Welt zur Norm gewor­den. Zwei von drei Men­schen sind polyglott: Es gibt 5000 Sprachen, aber nur knapp 200 Staaten. Im Lauf der Geschichte haben sich die einen Sprachen auf Kosten der anderen ausgebreitet, und zwar über die Wechselwirkung verschiede­ner Faktoren wie Handel, Macht, Kultur und Religion oder über Urbanisierung. Das Schicksal einer Sprache hängt nicht so sehr von der Zahl der Mutter­sprachler ab. Entscheidend ist viel­mehr, ob eine Sprache der Moderne gewachsen ist. Dafür sind drei Fakto­ren entscheidend: Erstens ihre Verschriftung, also die Herausbildung einer standardisierten Hochsprache aus verschiedenen gesprochenen Dia­lekten. Zweitens ihre Fähigkeit, Lehn­worte und Neologismen zu bilden und damit die wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen zu verarbeiten. Drittens kommt es auf ihre Fähigkeit an, sich in den neuen Informations- und Kommunikations­technologien zu behaupten, was nur knapp 100 Sprachen geschafft haben.

 

Die Bandbreite der Sprachen reicht von der hegemonialen Weltverkehrs­sprache bis zur bedrohten Kleinst­sprache. Die zwölf international ge­bräuchlichen Sprachen sind fast aus­nahmslos europäischen Ursprungs. An der Spitze liegt Englisch, weit da­hinter Französisch, gefolgt von drei weiteren interkontinentalen Spra­chen: Spanisch, Portugiesisch und Niederländisch.

Dann kommen sie­ben Sprachen, deren Verbreitung nicht Über ihre unmittelbare geogra-fische Umgebung hinausreicht: Chi­nesisch, Arabisch, Russisch, Deutsch, Türkisch, Malaiisch und Suaheli. Es folgen die Sprachen, die nur in einem Land gesprochen werden (Japanisch, Italienisch, Hindi usw.), und zwar zunächst Nationalsprachen, dann regio­nale Sprachen und schließlich Stam­mes- und Lokalsprachen. Die UNO hat neben den Arbeitssprachen Englisch und Französisch vier weitere offiziel­le Sprachen {Russisch, Chinesisch, Spanisch und Arabisch). Der Status einer Sprache kann sich unter dem Druck politischer Entwicklungen ver­ändern: wenn ein Staat neu entsteht (Wiederbelebung des Hebräischen in Israel) bzw. unabhängig wird (Finn­land), oder wenn Autonomierechte (Katalonien) oder identitätspolitische Forderungen (nach der kreolischen Sprache in Haiti) durchgesetzt werden.

 

Künstliche Sprachen (Esperanto) konnten sich nicht durchsetzen, da­gegen hat sich Englisch als Weltverkehrssprache etabliert. Zwar rangiert Englisch nach der Anzahl der Mut­tersprachler nur an dritter Stelle, ist aber Amtssprache für ein Drittel der Weltbevölkerung und prägt den inter­nationalen Austausch ebenso wie die Mittel der elektronischen Kommuni­kation. Aufgrund der engen Verbindüng mit der amerikanischen Domi­nanz, die an die vorangegangene bri­tische Hegemonie anknüpfen kann, ist Englisch kein neutrales Werkzeug. Allerdings diversifiziert es sich auf­grund lokaler Eigenheiten. Fast alle Staaten müssen sich auf die Mehrsprachigkeit ihrer Bürger einstellen. Ein Extremfall ist Indien mit seinen 18 Amtssprachen. Die Men­schen haben schon immer über Grenzen hinweg kommuniziert. Da­bei entwickelt sich häufig ein Neben­einander zweier Varietäten derselben Sprache (Diglossie), wobei die Hoch­sprache (H-Varietät) besonderen Situ­ationen vorbehalten ist, während die Niedersprache (L-Varietät) für Alltags­gespräche benutzt wird. Zu beobach­ten ist auch die Herausbildung so ge­nannter Kontaktsprachen (Pidgin, Lin-gua franca, Mischsprachen in Ballungs­räumen) und regionaler Verkehrs­sprachen (Suaheli in Ostafrika).

 

Die Zahl der Sprachen hat sich im Zuge von Eroberungen und der He­rausbildung von Nationalstaaten in Europa verringert. Nach pessimisti­schen Voraussagen werden innerhalb der nächsten hundert Jahre 4500 Spra­chen aussterben. In einigen Staaten gibt es Bemühungen, die Nationalsprache aufzuwerten und dem schleichen­den Übergang zu einer der »großen Sprachen« gesetzgeberisch und sprachpolitisch entgegenzuwirken,etwa durch das Unterrichten mehre­rer Fremdsprachen an den Schulen. Wenn die derzeige Entwicklung an­hält, werden die meisten Menschenüber kurz oder lang zwei Sprachen benutzen: eine Umgangssprache für den Alltag und eine internationale Sprache (vor allem Englisch) für die besonderen Anlässe.

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