Thema:
Gerade heute gehen die Meinungen über das Medium Fernsehen weit auseinander. Welche Argumente bringen seine Befürworter, welche seine Gegner! Nehmen Sie kritisch dazu Stellung!

(Dialektische Erörterung, 10. Klasse)

Gliederung:
A) Auch unser Bundeskanzler beschäftigt sich mit der Bedeutung des Fernsehens.
B) Die Nach- und Vorteile des Mediums Fernsehen:
    
Nachteile:
  1. Das Familienleben ist gefährdet;
  2. Fernsehen schadet der Gesundheit;
  3. die Freizeitgestaltung verläuft nur noch passiv;
  4. durch Gewaltdarstellung im Fernsehen wird die Jugend negativ beeinflußt;
  5. manche Femsehsendungen wirken manipulierend.
Vorteile:
  1. Die Informationsmöglichkeiten sind gegenüber anderen Medien vielfältiger;
  2. Dokumentationen können anschaulicher gestaltet werden;
  3. Live-Übertragungen sind möglich;
  4. Das Fernsehen ermöglicht Entspannung im Familienkreis.
C) Die Nützlichkeit oder Schädlichkeit des Fernsehens hängt von seinem Benützer ab.

Ausführung
Es ist ganz gleich, welche Tageszeitung man abonniert hat; einmal pro Woche findet sich bestimmt ein Artikel, der sich kritisch mit dem Medium Fernsehen auseinandersetzt. Dabei überwiegen oft die negativen Stimmen. Das Fernsehen, das man früher als echte Bereicherung unseres Daseins begrüßte, ist heute häufig zur schädlichen ,Flimmerkiste‘ degradiert worden. Sogar unser Bundeskanzler sah sich genötigt, uns mitzuteilen, dass er vom Fernsehen nicht viel halte. Unsere Tageszeitung, die diese Stellungnahme abgedruckt hatte, rief nun ihre Leser auf, sich in Leserbriefen ebenfalls zum Thema Fernsehen zu äußern. Das Ergebnis war in meinen Augen etwas merkwürdig, denn über zwei Drittel aller Stimmen brachten ihren Unwillen über das Fernsehen zum Ausdruck. Der Widerspruch ist offensichtlich: Die meisten Leute haben einen Fernseher, aber die wenigsten halten das Medium für etwas Gutes oder Nützliches. Diese Tatsache erfordert es, das heutzutage vielgeschmähte Fernsehen einmal genau auf seine Nach- bzw. Vorteile hin zu untersuchen.
Ein von den Gegnern des Fernsehens oft und gern angeführtes Argument ist die schädliche Wirkung des „Flimmerkastens“ auf das Familienleben. Man sitze, so wird gesagt, Abend für Abend nur noch vor dieser „fünften Wand“ im Wohnzimmer, und für Gespräche im Familienkreis bleibe keine Zeit mehr. Die Folgen liegen klar auf der Hand: Keiner hat mehr Zeit für den anderen, für seine Probleme, da der Western im ZDF, der Krimi im „Ersten“ oder ein Fußballspiel in „ORF2“ oder … viel wichtiger sind. Wie notwendig ist es doch, sich bei Schwierigkeiten mit Eltern oder Kindern unterhalten zu können! Übermäßiges Fernsehen kann zum Feind der Geborgenheit in der Familie werden.
Es kann nicht bezweifelt werden, dass jung und alt in Zeiten, wo es noch nicht das Fernsehen gab, mehr körperliche Bewegung hatte. Sport und besonders Spazierengehen fallen häufig einer interessanten Sendung zum Opfer. Das lange Sitzen vor dem Gerät ist damit auch der Gesundheit abträglich. In vielen Familien werden dabei „Chips“ geknabbert, alkoholische Getränke oder Süßigkeiten erhöhen den Genuss. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass es in unserer Bevölkerung so viele Menschen mit Übergewicht gibt, das doch die Lebenserwartung verringert. Das Fernsehen verleitet also zu einer passiven Gestaltung der Freizeit. Dies gilt sowohl für die körperliche als auch für die geistige Betätigung, denn selbst das Lesen eines Romans erfordert ein Mindestmaß an Phantasie und Geduld. Fernsehen ist bequemer, es spricht die Sinne direkt an, bei vorgeführten Spielen bleiben die Zuschauer meist passiv. Gerade für Kinder wirkt sich daher aufgrund der körperlichen und geistigen Bewegungsarmut das Fernsehen für die Entwicklung äußerst schädlich aus. Zu viele Sendungen hintereinander führen dazu, dass sich die Eindrücke verwischen, nichts wird intensiv verarbeitet, was sicher zu Oberflächlichkeit im Denken führt.
Besonders gefährlich sind aber Filme mit äußerst realistischer Gewaltdarstellung. Oft werden Gewaltszenen nicht nur genau gezeigt, sondern auch noch verharmlost. Nicht selten wird Gewalt als einziges Mittel zur Problemlösung vorgeführt, sie wird über die Flimmerkiste zu etwas Alltäglichem, zu etwas, an das man sich gewöhnt, das man sogar bejaht. Die Abstumpfung der Jugend gegenüber Gewalttaten und die damit verbundene Verrohung sind in vielen Fällen auf einen überhöhten Konsum betreffender Filme zurückzuführen.
Es gibt Menschen. die zu Sklaven des Fernsehens geworden sind. Sie sind nicht in der Lage, aus dem Programmangebot auszuwählen. Die Anziehungskraft dieses Mediums macht sich besonders die Werbung zunutze. Ihre Fachleute verstehen es geschickt, in vielen Zuschauern Bedürfnisse zu wecken, die ihnen vorher gar nicht in den Sinn gekommen wären. Durch die gezielte Methode hält man tatsächlich ein vorgestelltes Produkt für das bestmögliche. Es zeigt sich also, dass das Fernsehen durchaus imstande ist, viele von uns zu manipulieren. In Staaten mit Diktaturen wird diese Möglichkeit natürlich besonders auf politischem Gebiet „genutzt“. Da nimmt sich die Beeinflussung durch Werbung bei uns noch relativ harmlos aus. Wie bei vielen „Errungenschaften“ unseres technischen Fortschritts hat auch das Fernsehen zwei Seiten. Neben den dargestellten Nachteilen sind natürlich Vorteile auf zahlreichen Gebieten nicht abzustreiten. In unserer schnelllebigen Zeit ist es besonders wichtig, dass sich der einzelne gründlich und ohne große Mühe über das Tagesgeschehen informiert. Dass ein durch Bilder und Filme anschaulich gemachter Bericht ungleich eindrucksvoller ist als eine Zeitungs- oder Rundfunkmeldung, liegt auf der Hand. Das Fernsehen sorgt also für bessere Information und damit auch für besser informierte Bürger. Verschiedene Darstellungen in Magazinen mit unterschiedlicher politischer Tendenz ermöglichen, dass man sich im wahrsten Sinn des Wortes ein klares Bild machen kann.
Ein großer Vorteil des Fernsehens besteht in der Möglichkeit, mit Dokumentationen auf verschiedenen Gebieten größere Verständlichkeit zu erreichen. Vieles lässt sich eindringlicher darstellen als z. B. in der Presse. Nehmen wir einmal das Thema Beispiel Umweltschutz. In der Zeitung liest man von einer Mülldeponie, die in einem landschaftlich schönen Gebiet errichtet werden soll. Man zuckt die Achseln und freut sich, dass die Gegend so weit weg ist. Stellt jedoch das Fernsehen die Schönheit der Landschaft der Hässlichkeit einer solchen Deponie gegenüber, so fühlen sich die Zuschauer unmittelbar betroffen, und einige sind sicher zum Protest bereit. Auf diese Weise kann das Fernsehen den Bürger sogar zum Engagement für eine gute Sache bewegen. Möglich wird dies durch die anschauliche, weil sichtbare Darstellung.
Das Fernsehen hat noch einen weiteren, sehr wichtigen Vorteil: Es kann durch Live-Übertragung den Zuschauer unmittelbar ansprechen. Man denke nur an die Landung der amerikanischen Raumfähre „Columbia“. Über den Bildschirm konnten viele Millionen Menschen dieses Ereignis zeitgleich verfolgen, sie waren sozusagen „hautnah“ dabei. Diese Möglichkeit hat die Presse nicht und das Radio durch das Fehlen des Bildes nur begrenzt. Die Beliebtheit von Sportsendungen im Fernsehen ist sehr verständlich. Es gibt genug Leute, die es vorziehen, ein Fußballspiel im Fernsehen zu betrachten, als ins Stadion zu gehen. Gründe sind die Kostenersparnis, Bequemlichkeit, aber auch die Möglichkeit, einzelne Spielzüge auf dem Bildschirm besser beobachten zu können. Man fiebert im Familien- oder Bekanntenkreis gemeinsam dem Sieg der Nationalmannschaft entgegen.
So kann das Fernsehgerät auch für Gemeinsamkeit in der Familie sorgen. Wenn man es fertig bringt, sich ab und zu miteinander einen Film anzuschauen und hinterher darüber zu sprechen, unterstreicht dies die positive Wirkung.
Hier werden die gegensätzlichen Möglichkeiten des Fernsehens deutlich. Es kann z. B. das Familienleben stören, ist aber auch in der Lage, es zu fördern. Man darf in der heutigen Zeit das bedeutende Medium Fernsehen nicht einfach verdammen, sollte sich aber auch nicht zu seinem Sklaven machen. Wert oder Schädlichkeit hängen also vom Benützer ab. Häufig ist der Knopf zum Abschalten wichtiger als der zum Einschalten. Was aber zur Lösung des Problems am ehesten beiträgt, ist eine Erziehung der Kinder und Jugendlichen zum rechten Umgang mit dem Gerät. Sie müssen lernen, kritisch das Programm auszuwählen und die Zeitdauer des Zusehens zugunsten anderer wichtiger Aktivitäten zu beschränken.

Stimmen zum Thema ,,Fernsehen“
Fernsehen und Familienleben
Ist dem neuen Ritual nicht auch ein wesentliches Stück der traditionellen Familie zum … Opfer gefallen? Viel zu oft wird der abendliche Familienkreis zu einem Halbkreis aufgebrochen, der sich, ähnlich wie damals vor dem offenen Kaminfeuer, jetzt um das magische Licht des Fernsehers gruppiert. Wir alle wissen, dass dann das Interesse des einzelnen wie mit Scheuklappen auf das flimmernde Rechteck eingeengt ist. Menschliche Kommunikation beschränkt sich auf kürzeste Bemerkungen. die oft eher ein Dialog mit dem Fernseher als mit den anderen Anwesenden sind.
Wenn nun ein Kind mit typischer Unbefangenheit dieses Ritual stört, wenn es wagt, Vater oder Mutter direkt anzusprechen, wird es allzu oft erfahren müssen, dass das Fernsehen ein echter Rivale im Kampf um die Gunst der Eltern ist. Umgekehrt stimmt es ja auch, dass der elektronische Verführer die Eltern aussticht. Hier reden wir also nicht so sehr von vermeidbaren Erziehungsfehlern, sondern von der geradezu hypnotischen Anziehungskraft des Fernsehbildes, das in psychologischer Hinsicht zu einem neuen, noch nicht richtig identifizierten Familienmitglied geworden ist.
Was bedeutet eine solche Hörigkeit der gesamten Familie gegenüber einem einzigen „Mitglied“ ihrer Kreises? Der Fernseher hat die Rolle eines Patriarchen übernommen: Er hat oft den Vater in seiner natürlichen Autorität entthront. Die scheinbare Unbestechlichkeit der Fernsehbilder hat die früher „heilige“ Meinung des Vaters zu einer subjektiven und privaten Ansicht degradiert. Man wettert oft gegen die Auswüchse autoritärer Erziehung, übersieht aber, dass die exklusive Ausrichtung einer noch so liberalen Familie auf den Fernseher ein typisches Beispiel für jenen Gehorsam ist, von dem jedes autoritäre System lebt. Wenn das Unterbewusstsein der Kinder lernt, dass einer dominiert und die übrigen sich fügen, so wird diese Erfahrung in Widerspruch zu der allgemein angestrebten demokratischen Erziehung geraten und Konflikte auslösen.
Doch wir begehen einen Fehler, wenn wir über den Fernseher als einen Eindringling sprechen, der als ungebetener Gast in das Familienleben einbricht und wegzugehen vergisst. Wir selber sind es schließlich, die ihm Abend für Abend mit einem Knopfdruck Leben einhauchen. Und wir haben auch die Macht, ihn mit eben diesem Knopfdruck aus unserem Leben hinaus zu komplimentieren.
(Dipl.-Psychologen Dr.Kelmet / Dr. Stein in Ratgeber-Serie „Fernsehwoche“ Nr. 45/1976)

Das Gespräch suchen
… Ein noch so gut konzipiertes Programm verfehlt seine Wirkung, wenn der junge Mensch … und ebenso der Erwachsene – es beim bloßen Eindruck bewenden läßt. Aussprache und Nachgestaltung, Zeit zum Verdauen der Eindrücke sind aber Forderungen, die nur durch die persönliche Einschaltung der Erzieher zu erfüllen sind.
Das große Problem für die Erzieher wird sein, mit dem jungen Menschen ins Gespräch zu kommen. Medien sind immer zu einem bestimmten Grad unpersönlich und kommen damit einem gewissen Hang des jungen Menschen, anonym bleiben zu können, entgegen. Eine entscheidende Aufgabe der Erziehung ist es aber gerade, ihn aus dieser Anonymität herauszuheben, ihn als Person ernst zu nehmen, ihm zu helfen, seine individuellen Probleme selbständig lösen zu können. Aus diesem Grund muss hier nochmals an die Forderung erinnert werden, dass man zum Beispiel Fernsehsendungen gemeinsam anschaut, sich darüber unterhält, über bestimmte Artikel in Zeitschriften spricht, aber auch einmal über eine Geschichte, einen Comic gemeinsam lacht.
Es ist im Übrigen auch eine interessante erzieherische Aufgabe, festzustellen, was Kinder und ]Jugendliche besonders lustig finden. Ich habe des Öfteren erlebt, dass Kinder Dinge sehen und darüber lachen können, die uns gar nicht mehr auffallen. Orientierung am jungen Menschen bedeutet, dass man ihn gerade auch von dieser Seite kennen lernt und fragt, was wohl die große Popularität eines Schlagers oder eines Schlagerstars ausmacht.
Zu dem Bereich der Werbung, einem wichtigen Bestandteil der Medienszene, nur ein paar Worte. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass seit längerer Zeit Kinder und Jugendliche als Konsumenten entdeckt wurden; ganze Wirtschaftszweige leben von ihnen. Wieder ist es meines Erachtens nicht mit einer bloßen Verteufelung der Werbung getan. Es scheint sinnvoller, die Werbung in die Erziehungsthematik mit einzubeziehen und beispielsweise das Kind zu Ich-Findung und Selbständigkeit zu führen. So lernt es kritisch auszuwählen und vermag sich aus einem gewissen Selbstbewusstsein heraus auch gegen bestimmte Einflüsse zu stellen.
(Prof. Dr. Helmut Zöpfl in Schulreport Nr. 5/79)

Medien als Miterzieher
Er wäre zu einfach, wollte man sagen, heute hätten sich die Medien zwischen Elternhaus … und Schule gedrängt. Die Medien sind ja auch in der Schule: als audiovisuelle Hilfsmittel. Und sie sind im Elternhaus: manche Eltern konsumieren das Fernsehen eifriger als es Kinder tun. Die Sache ist komplizierter: Die Medien und die von ihnen vermittelten Erfahrungen haben die Primärerfahrung (der Straße, der Umwelt) fast aufgezehrt. Wie es „draußen“ aussieht, erfährt der junge Mensch heute vor allem von ihnen. Oft ist es, wie wir wissen, ein flüchtiges. ein einseitiges, ein emotionsgefärbtes Bild. Hier tut Gegensteuerung not – und hier liegt eine zentrale Aufgabe der Schule. Sie muß angesichts der Wucht suggestiver Bilder (und eines nur allzuoft verstummenden elterlichen Gesprächs!) aus diffusen Eindrücken, bruchstückhaften Vorstellungen junger Menschen im buchstäblichen Sinn wieder ein Ganzes machen, indem sie sie zur Sprache bringt. Sie muß übersättigte Seher und Hörer wieder das Sprechen lehren. Diese Aufgabe kann ihr niemand abnehmen – auch und gerade in nachgutenbergischen Zeiten nicht. Ob sie gelöst wird, daran entscheidet sich, ob wir auch im Zeitalter der Medien ein kulturelles Erbe weitergeben oder ob uns am Ende mit der verlorenen Sprache buchstäblich auch das Hören und Sehen vergehen wird.
(Prof. Dr. Hans Maier im Münchner Merkur Nr. 273/1980)

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