Michael Jackson ist stets für Schlagzeilen gut. Sind es einmal Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, die ihn bis vor das Gericht verfolgen, sind es ein anderes Mal Mutmaßungen in den Medien darüber, ob seine Haut nach zahlreichen Schönheitsoperationen und der wundersamen Verwandlung von schwarz in weiß im Gesicht zu reißen droht. Der von den Medien zum "King of Pop" stilisierte Star ist eines der Beispiele aus der internationalen Promiszene, die mit Veränderung ihres biologisch mitgegebenen Äußeren einen wesentlichen Teil ihres Images begründet haben. Aber das Thema Schönheitsoperationen hat längst die sozialen Schranken zu den Reichen und Superreichen überwunden. Lifting, Brustvergrößerung und Fettabsaugung, kurzum das ganze Programm der Schönheitschirurgie, sind heutzutage auch für viele andere erschwinglich geworden.
Welche persönlichen und gesellschaftlichen Ursachen veranlassen heutzutage eine immer größere Anzahl von Frauen und Männern dazu, sich einer oft risikobehafteten Schönheitsoperation zu unterziehen? Wie kommt es, dass gerade Jugendliche immer häufiger mit dem Gedanken spielen, der Natur nachzuhelfen? Und schließlich ist zu fragen, ob Schönheitsoperationen überhaupt aus ethischen Gründen vertretbar sind?
Die Ursachen für die Bereitschaft vieler Menschen, sich einer Schönheitsoperation zu unterwerfen, lassen sich auf persönliche und gesellschaftliche Ursachen zurückführen.
Die persönlichen Gründe dafür sind vielfältig. Was den einen dazu motiviert, ist für den anderen kaum nachvollziehbar. So gibt es Männer und Frauen, die einfach einem bestimmten Schönheitsideal nacheifern. Sie haben mehr oder weniger feste Vorstellungen darüber, wie ihr Aussehen sein soll und lassen daher auch nichts unversucht, dies zu erreichen. So mag es auf den ersten Blick völlig übertrieben erscheinen, wenn eine ansonsten gut aussehende junge Frau mit einer natürlichen Ausstrahlung mit einem "kleineren" chirurgischen Eingriff einfach noch jene Fettpölsterchen an den Hüften wegbekommen will, die sie stören. Auf der anderen Seite ist dies ihre freie Entscheidung und ihre Motive lassen sich nur schwer von außen an irgendwelchen objektiven Maßstäben messen. Wie sehr jemand unter seinem Äußeren leidet, lässt sich eben nicht an irgendeiner Skala ablesen. Allerdings gibt es sicher Fälle, bei denen der Gang zum Schönheitschirurgen im Allgemeinen leichter nachvollziehbar ist. Wer unter schweren psychischen Störungen wegen seines Aussehens leidet und sich unter Umständen kaum mehr in die Öffentlichkeit traut, dem kann, sofern dies schönheitschirurgisch überhaupt möglich ist, mit einer Schönheitsoperation vielleicht wieder eine Hoffnung gegeben werden. Wenn es gelingt, dass eine solche Person auch auf diesem Weg wieder die nötige Selbstachtung zurückzuerlangen, dann ist meines Erachtens gegen einen solchen Eingriff auch ethisch nicht viel einzuwenden. Dies gilt umso mehr, wenn man an die operativen Eingriffe denkt, die bei Menschen durchgeführt werden, die das Opfer von Unfällen geworden sind oder an Krankheiten leiden, die zu schweren Entstellungen führen. Was die plastische Chirurgie in solchen Fällen leistet, ist beachtlich, und hat sicher schon zahlreichen Menschen den Weg zurück in eine mehr oder weniger ausgeprägte Normalität ermöglicht.
Für Jugendliche besitzt das Thema Schönheitsoperationen allerdings einen besonderen Stellenwert. Dies ist zunächst einmal darauf zurückzuführen, dass der Griff zu Messer und Skalpell längst nicht mehr nur bei älteren Personen vorkommt. Das früher, meist älteren Frauen vorbehaltene Gesichtslifting zur Faltenglättung, hat natürlich bei jungen Leuten wenig Bedeutung. Was sie interessiert, ist nicht das zeitweise Aufhalten natürlicher Alterungsprozesse, die Rückkehr zum Früher, sondern bei ihnen geht es um das Hier und Jetzt. Was zählt, ist was heute ist, und das sind vorhandene Fettpölsterchen, die nicht "weggehen", das sind zu kleine Brüste, die nicht weiter wachsen wollen, das sind zu lange oder zu kurze Nasen, die dem Spiel mit dem Spieglein an der Wand so nicht standhalten können. Für Jugendliche besitzt das Aussehen für das eigene Selbst auf dem Weg zum Erwachsenwerden eine besonders große Bedeutung. Es dauert, bis man lernt, sich so zu nehmen, wie man (geworden) ist. Und: Unter dem Einfluss allgegenwärtiger Medien, die das Schöne, Schönheit und die vermeintlichen Wege dahin ununterbrochen präsentieren, fällt es vielen wohl immer schwerer, sich an anderem, vielleicht einfach nur den anderen Menschen um einen herum, zu orientieren. Wer sich heutzutage von Musikvideoclips berieseln lässt, kann sich wohl kaum noch dem Eindruck erwehren, dass auf der ganzen Welt nur noch perfekte "Bodies" zu finden sind, die hüftschwingend und beckenkreisend ihre sexuelle Attraktivität hemmungslos zur Schau tragen. Kein Wunder also, dass schon 14-jährige mit dem Gedanken spielen, sich die Brust vergrößern zu lassen. Die persönlichen Gründe und Motive, das zeigen die letzten Ausführungen, sind aber kaum zu trennen von den gesellschaftlichen Ursachen, die dahinter stehen.
Schönheit ist Geschäft und mit Schönheit werden Milliarden verdient. Was freilich in einer Gesellschaft im Hinblick auf das Aussehen von Menschen als schön gilt, ist sehr unterschiedlich. Verschiedene Kulturen haben unterschiedliche Ideale von Schönheit, die sich, wenn man sie miteinander vergleicht, geradezu widersprechen können. Und auch in der europäischen Geschichte finden Beispiele sich von einem beständigen Wandel der Schönheitsideale. Wer einmal ein Gemälde von Rubens zu Gesicht bekommen hat und sich über die wohlbeleibten Frauenkörper gewundert hat, kann sich gut vorstellen, was dieser Maler der Renaissance wohl von der Figur eines der "superschlanken" Supermodels gehalten hätte, die heute über den Laufsteg huschen.
Was heute als schön gilt, wird von den Medien gemacht, heißt es. Und die Medienmacher: Sie sagen, sie gäben nur wieder, was in der Gesellschaft gerade als schön gilt. Wie dem auch sei, wahrscheinlich stimmt beides bis zu einem gewissen Grade. In Bezug auf das Thema Schönheitsoperationen kommt den Medien allerdings eine besondere Bedeutung zu. Kein Boulevard-Magazin im Vorabendprogramm und kaum ein Nachmittag vergeht, ohne dass nicht das Thema Schönheitsoperation in einer Talkshow durchgehechelt wird. Die Medien halten das Thema ständig wach und treten es breit, bis auch der letzte Zuschauer es nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Und offenbar kommt genau das wiederum gut an, denn nur so erklärt sich die Dauerpräsenz des Themas auf allen Kanälen. Da ändert es auch nichts, wenn das Thema mit einem Hauch von Kritik präsentiert wird – Warnungen vor Risiken und Nebenwirkungen gehören eben so gut zum Geschäft, wie das Befriedigen voyeristischer Bedürfnisse einer offenbar großen Anzahl von Zuschauerinnen und Zuschauern. Und diese Zuschauer des Nachmittags- und Vorabendprogramms sind wiederum zu einem großen Teil Jugendliche, die für solche Botschaften aufgrund ihrer besonderen Lage auf der Suche nach Identität besonders empfänglich sind.
Dabei ist wahrscheinlich die unmittelbare Gefahr, dass sich Menschen im Jugendalter einer Schönheitsoperation unterziehen, noch die geringste. Denn schließlich haben sie meistens noch Eltern, Lehrer und Freunde, die solchen Dingen die nötige Skepsis entgegenbringen und das nötige Kleingeld dafür fehlt darüber hinaus: Krankenkassen übernehmen die Kosten , abgesehen von medizinisch erforderlichen Eingriffen, dafür nämlich nicht. Viel wichtiger scheint mir zu sein, dass junge Leute damit dazu angespornt werden, sich in ihrem weiteren Leben dem von Geschäftsinteressen diktierten Körperkult zu unterwerfen. Wer dem Druck eines Schönheitswahns dadurch erliegt, dass er, auch nur gedanklich, unter Gefahr für Leib und Leben fragwürdige chirurgische Eingriffe auf sich nimmt, der wird wohl in anderen Bereichen als Konsument des Schönheitskults auch wenig Kraft zur Gegenwehr haben.
Zu den Prinzipien einer pluralistischen Gesellschaft gehört, dass jeder darüber frei entscheiden kann, ob er sich einer Schönheitsoperation unterziehen will oder nicht. Und ebenso steht es jedem Chirurgen frei, nach der Aufklärung des Patienten über Risiken eines solchen Eingriffs, solche Operationen durchzuführen. Aber der Umgang mit dem Thema, insbesondere in den Medien, sollte meines Erachtens überdacht werden, denn nur wenn es gelingt, diesen medialen "Dauerbrenner" wieder etwas kleinzukochen, können schlimmere Auswüchse verhindert werden. Jugendliche sollten, dafür müssen gesetzliche Regelungen her, aber vor unbedachten, und später vielleicht bereuten Schritten bei der chirurgischen Körperverschönerung bewahrt werden. Und schließlich gibt es ja auch noch eine ganz andere Sicht auf den Menschen: Jeder von uns ist so, wie ihn die Natur gemacht hat. Und diese Vielfalt der Individuen mit unterschiedlichen Gesichtszügen, unterschiedlichen Bauch- und Brustumfängen und verschiedenen Penis-Längen macht die Spezies erst interessant und verleiht jedem einzelnen Individuum seine eigene Schönheit, die ebenso gut im Inneren wie im Äußeren bestehen kann. Michael Jackson, "Barbie" oder "Ken" sind nur Geschäftsmaschen, wären wir alle wie sie, wäre das etwa "schön"?