Das europäische Jahr der Sprachen: Wie die Werbung Anglizismen zu umgehen versucht.
Für viele ist die Cola-Dose mal wieder an allem Schuld. Da hilft es nichts, dass die Sprudelfirma aus Atlanta eine globale Marke und wohl gleich nach «OK» der meistverstandene Begriff zwischen Australien und Zimbabwe ist. Das koffeinhaltige Getränk hat nicht jedoch auch viele Feinde. Zum Beispiel die Sprachpuristen, für die Coca-Cola so ziemlich alles verkörpert, was hassenswert ist. Irgendwo zwischen «Classic», «Light» und «Refreshing Taste» sei, so die Argumentation, die deutsche Sprache auf der Strecke geblieben. Und die habe nun ein Problem: Anglizismen. Vor allem in der Werbung setzt sich «Denglisch» immer mehr durch. No future für Deutsch in der Kommunikations-Branche?
Rund ein Drittel der Deutschen beherrscht die englische Sprache zumindest so gut, um sich im Urlaub verständigen zu können. Bleiben immer noch zwei Drittel, für die Werbesprüche à la Nokias «Connecting People» (Menschen verbinden) oder Nestlés «Have a Break. Have a Kitkat» (Mach eine Pause. Nimm ein Kitkat) ein Quell fortgesetzten Ärgers darstellen. «Es muss uns darum gehen, die deutsche Sprache wieder sexy zu machen», glaubt René Heymann von der Agentur Heymann und Schnell. Er will nicht auf englische Wörter generell verzichten, sondern sie so einsetzen, dass sie fantasievoll und nicht anbiedernd wirken. Wie das praktisch geht, hat der Berliner Werber im vergangenen Winter mit der Kampagne für die Berliner Stadtreinigung bewiesen, mit Sprüchen wie «We kehr for you», «Dirty Harry» oder «Saturday Night Feger».
Gegen die «Selbstunterwerfung unter das Englische» kämpft dagegen seit zwei Jahren Walter Krämer, Vorsitzender des Vereins Deutscher Sprache (VDS). Rund 10 000 Unterstützer haben sich als Mitglieder gefunden. Weder die Aufnahme noch die Ablehnung englischer Wörter ins Deutsche ist etwas Neues. Schon Turnvater Jahn kämpfte gegen die «Welschsucht», der Psychologe Ludwig Klages gegen die «Schlammfluten der Fremdwörterei». Und 1899 erließ ein gewisser Hermann Dunger eine «Erklärung wider die Engländerei». 1885 zählte der Duden bereits 385 Anglizismen. Über die damals verwendeten Modewörter wie Keks, Rum oder Schal regt sich heute allerdings keiner mehr auf. Das wird mit Begriffen wie Handy, Cyberspace oder Stress, die in den deutschen Wortschatz übernommen worden sind, genau so sein. Wir surfen im Internet, öffnen Homepages und sind fast alle online. Sollen wir in Zukunft Netzreiten und Websegeln? Wohl kaum, auch wenn die Übersetzung «Winzigweich» für Microsoft noch einen gewissen Unterhaltungswert hat.
Viele Dinge werden mit englischen Begriffen benannt, für die es keine Eins-zu-eins-Übersetzung gibt. «Gerade in der IT-Branche sind englische Wörter einfach maßgeblich», meint ein Sprecher von DaimlerChrysler. Daimler-Benz hat schon Anfang der neunziger Jahre Englisch als zweite Konzernsprache eingeführt. Nach der Fusion mit Chrysler, die der Sprecher nur «Merger» nennt, kam der nächste Schritt: Im Management der einst schwäbischen Autoschmiede ist Englisch nun die Hauptsprache. Sprachschulen im Großraum Stuttgart sind seither regelmäßig ausgebucht. Doch der Konzernsprecher beruhigt: «Wenn die Deutschen unter sich sind, wird nicht Englisch, sondern immer noch Deutsch gesprochen.»
Mag bei der internen Sprachregelung von DaimlerChrysler noch die Internationalisierung als Grund herhalten, stellt sich aber die Frage, warum zum Beispiel eine deutsche Firma wie Lufthansa in Italien auf Italienisch wirbt, aber in Deutschland auf Englisch («There is no better way to fly»). Seit der Erfindung des Flugzeugs gibt es zudem einen Wartesaal – warum muss er nun Lounge heißen? Auch nach mehreren Nachfragen fühlt sich niemand bei Lufthansa für eine Antwort zuständig. Das gleiche bei Siemens («Global Network of Innovation»).
Dafür nimmt Werber René Heymann kein Blatt vor dem Mund. «Oft fehlt einfach die Kreativität, eine Idee auf Deutsch auszudrücken», meint er. Das Ziel vieler Unternehmen ist klar: eine möglichst junge Zielgruppe anzusprechen. Dafür wird die Sprache der Popmusik oder des Musikfernsehens adaptiert. «Aber die meisten Kampagnen, die auf jung gemacht sind, sind eigentlich ziemlich alt.» Sprachruinierung hat daher viel weniger mit Anglizismen zu tun als mit der Bequemlichkeit oder Dummheit derjenigen, die sie anwenden. Ob formale Sprachregeln daran etwas ändern, ist allerdings zweifelhaft.
Anderseits: Hätten wir Sprachgesetze, die den Gebrauch von Anglizismen einschränken, würde es auch keine so lustigen Stilblüten mehr geben, wie sie etwa das Jugendamt der Diözese Speyer vollbracht hat. Für das «ökumenische Christfest 2000» wollten sie mit dem flotten Titel «The Great Ding Dong» werben und damit auf den Dom und seine Glocken anspielen. Vor allem Engländer klopften sich auf die Schenkel: «Ding Dong» nämlich umschreibt ein spezifisch männliches Körperorgan.