Tierversuche – ein Problem zwischen wissenschaftlichem Fortschritt und Verantwortung des Menschen gegenüber der Natur.
Erörtern Sie dieses Thema auf der Grundlage von Informationen, die Ihnen aus diversen Medien bekannt sind.
Tierversuche finden mit unterschiedlichen Säugetierarten zu unterschiedlichen Zwecken statt und jedenfalls in viel größerer Zahl, als in der Öffentlichkeit bekannt ist.Die Themenstellung sieht das Problem als Auseinandersetzung um zwei unterschiedliche Werte: den wissenschaftlichen Fortschritt und einen humanen Umgang mit der Natur. Es geht also um die Streitfrage: Müssen Tierversuche sein, weil nur so wissenschaftlicher Fortschritt möglich ist möglich ist, oder sollten sie unterbleiben, weil sie mit einer ethischen Haltung gegenüber Tieren nicht vereinbaren lassen? Diese Frage ist allerdings nicht ohne ein gewisses Sachwissen zu beantworten. Ich gehe deshalb so vor, dass ich versuche unterschiedliche Formen und Zwecke von Tierversuchen darzustellen und dabei jeweils Pro und Kontra abzuwägen. Dabei werde ich mich vor allem auf Versuche mit Affen, also Primaten, konzentrieren, weil ich darüber die meisten Informationen habe und weil sie Menschen am ähnlichsten sind. In einer abschließenden Stellungnahme werde ich dann versuchen meine Antwort zusammenzufassen.
Zu Tierversuchen zählt man nicht Züchtungen in der Landwirtschaft. Unter Tierversuchen werden bewusste Eingriffe in die natürlichen Lebensverhältnisse und die körperliche Unversehrtheit von Säugetieren verstanden. Aufgrund der Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier sollen Tierversuche auch auf den Menschen übertragbare Ergebnisse bringen. Im Hinblick auf die Primaten, vor allem Javaneraffen und Rhesusaffen, bedeuten 'Eingriffe' schon vor den eigentlichen Experimenten.
-Fang (wobei ein Fünftel der Tiere stirbt)
-Aufzucht zu Forschungszwecken (gegenwärtig Überproduktion)
– und unnatürliche Haltung (Isolierung statt sozialer Verbund, enger Käfig statt nötiger Auslauf)
In der ersten Hälfte der neunziger Jahre wurden allein in Deutschland über 10 000 Affen zu Versuchszwecken eingesetzt.Tierschützer verlangen einen weitest gehenden Stopp von Tierversuchen. Bisher erlaubte das Tierschutzgesetz grundsätzlich Tierversuche, verlangte aber ethische Abwägung für jeden Einzelfall. Juristisch gesehen steht aber die Freiheit der Forschung über dem Tierschutzgesetz, denn im Gegensatz zu diesem ist sie im Grundgesetz(BRD) verankert.
Ich komme nun zu den konkreten Versuchsarten, ihrem Zweck und dem Für und Wider. Wohl am häufigsten werden Affen wie viele andere Kleinsäugetiere auch als Testfälle zur Messung der Unschädlichkeit von Medikamenten und Chemikalien verwendet. Der eigentliche Versuch besteht im Verabreichen möglicherweise schädlicher Substanzen und der Beobachtung der Folgen.
Dafür spricht zunächst, dass solche Tests in vielen Fällen gesetzlich vorgeschrieben sind. Und tatsächlich könnten viele Substanzen, würden sie ungeprüft Menschen verabreicht, entsetzliche Schäden anrichten.
Trotzdem müsste man abwägen, wie wichtig diese Substanzen sind, wie effektiv die Tests verlaufen und ob es nicht Alternativen dazu gibt. So ist für mich im Hinblick auf die Bedeutung fraglich, ob der Einsatz zu kosmetischen Zwecken Krankheit und Tod von Tieren gerechtfertigt. Hinsichtlich der Effektivität ist zu sagen: Viele Wirkstoffe bestehen aus Kombinationen, von denen jedes einzelne Element in Tierversuchen getestet werden muss, ohne dass damit die Wirkung der gesamten Kombination klar würde.Schließlich gibt es Alternativen. Schon heute werden viele schädliche Zellen mit Hilfe von Zellkulturen getestet und es müsste doch ein Ehrgeiz von Forschern sein, alle Tierversuche dieser Art durch solche Methoden zu ersetzen.
Eine zweite Gruppen von Tierversuchen wird unternommen um Krankheitsverläufe zu untersuchen, Dadurch sollen Therapien und Medikamente für bislang kaum heilbare Krankheiten wie Aids, Parkinson, oder Krebs gefunden werden.
Man muss zugeben, dass Tierversuche in der Vergangenheit sehr erfolgreich zur Eindämmung von menschlichen Krankheiten beigetragen haben. z.B. Kinderlähmung, Tuberkulose, Typhus.
Aber man muss auch kritisch fragen, ob die Übertragbarkeit von Ergebnissen, die bei Tieren erzielt wurden, auf den Menschen nicht begrenzt ist. Denn Menschen reagieren auf viele Wirkstoffe anders all Tiere. Künstlich erzeugte Krankheitsbilder haben andere Ursachen und verlaufen anders als beim Menschen. Die Parkinsonsche Krankheit z.B. entwickelt sich beim Menschen über Jahre hinweg. Beim Affen werden die entsprechenden Gehirnzellen sofort nach Eingabe des Giftes zerstört; viel Affen erholen sich- im Gegensatz zu erkrankten Menschen- von selbst, wenn das Gift abgesetzt wird. Allerdings ist bei allen Tieren die Behandlung mit großen Schmerzen verbunden und viele müssen nach den Versuchen getötet werden.
Viele Forscher halten, und das ist ein weiterer Einwand gegen Tierversuche, die klinische Beobachtung von kranken Menschen oder Computersimulationen für unangemessene Verfahren.
Das Letzte gilt auch für Grundlagenforschung am Gehirn, einer weiteren Gruppe von Tierversuchen. Da Primaten besonders intelligent und lernfähig sind, auch im Gefühlsleben den Menschen sehr ähnlich, werden sie hier besonders häufig eingesetzt. Der Versuch besteht darin, dass den Affen Elektroden ins Gehirn eingeführt und elektrische Signale beobachtet werden, während das Tier eine Handlung vollzieht, z.B. bei Farbänderung eines betrachteten Punktes einen Knopf drückt. Der Vorgang des Einführens der Elektrode selbst ist nicht schmerzhaft. Aber das Tier muss stundenlang mit fixiertem Kopf auf einem Stuhl sitzen, nachdem es schon lange in einem Käfig gehalten und durch Nahrungs- oder Trinkwasserentzug für die Übungen dressiert worden ist.
Ich muss zugeben, dass ich die Notwendigleit dieser Versuche am schlechtesten beurteilen kann.
Einerseits könnte man einwenden, dass der Nutzen für das menschliche Leben bei der Grundlagenforschung nicht zu erkennen ist. Andererseits werden die Forscher anführen, dass eine gründliche Erforschung menschenähnlicher Gehirne auf lange Frist auch zu vielen therapeutischen Anwendungsmöglichkeiten führen wird. Teil dieser Forschungen kann man zwar durch Computersimulationen ersetzen und fortführen, damit wird aber nicht die Grundfrage beantwortet, welche Nervenzelle welche elektrischen Impulse wann erzeugt.
Wenn ich auf meine Argumentation zurückblicke, so meine ich, dass man die Streitfrage nicht pauschal beantworten kann. Denn es geht ja auch simpel um den Gegensatz von Wissenschaft und Verantwortung. Dann würde man sich wahrscheinlich schnell für den ethischen Standpunkt entscheiden.Aber auch auf Seiten der Forschung geht es weithin um ethische Werte. Denn die Beispiele haben gezeigt, dass es umso leichter fällt, den wissenschaftlichen Tierversuchen in begrenzter Form zuzustimmen, je mehr diese helfen, Menschenleben zu bewahren und die Ausbreitung schwerer Krankheiten einzudämmen.
Da, wo diese Ziele nicht erkennbar sind (wie in der Grundlagenforschung oder bei der Testung von Chemikalien zweifelhaften Wertes), wird man sich eher gegen Tierversuche aussprechen. Auch wird man Tierversuche dort zurückdrängen, wo andere Methoden längst sinnvoller erscheinen.
Es geht eben nicht um die Alternative: Fortschritt oder Moral, sondern um einen Wert gegen einen anderen, um ein Leben gegen ein anderes Leben, um ein Leiden gegen ein anderes Leiden. Nach unserer bisherigen menschlichen Praxis hat in Überlebensfragen das Leben des Tieres zurückzustehen. Deshalb gilt es als human abzuwägen, ob das Tier im Sinn dieses Zieles nicht unnötig gequält wird.
Ich muss hier am Schluss gestehen, dass ich dieses anscheinende vernünftige Aufrechnen gefühlsmäßig kaum nachvollziehen kann. Wie kann man bewusst zugefügtes Leid dadurch rechtfertigen, dass man möglicherweise anderes Leid verhindert? Nur mit der Moral eines Eroberers, der sich die Natur untertan machen will. Verantwortung gegenüber der Natur kann nicht nur die für das Leben des Menschen meinen. Primaten werden als Versuchstiere benutzt, weil sie so menschenähnlich sind. Bedeutet das nicht auch, dass sie körperliches und seelisches Leid genauso empfinden, vielleicht sogar schlimmer, weil sie es nicht in Worte fassen können?