Die Schüler sitzen gelangweilt im Klassenzimmer und der couragierte Religionslehrer versucht ihnen die Inhalte der Bibel näher zu bringen, was allerdings die wenigsten Jugendlichen interessiert. Dies ist eine Situation, wie sie fast jeder aus seiner Schulzeit kennt. Dabei ist für viele Schüler der Grund für die Bevorzugung des Religionsunterrichts gegenüber Ethik oftmals nicht etwa der eigene Glaube, sondern viel mehr praktische Gründe, wie zum Beispiel der geringere Lernaufwand. Da stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, den Religions- und Ethikunterricht durch einen einheitlichen Werteunterricht zu ersetzen.

Zunächst einmal gibt es einige negative Aspekte, wie den Verlust von wesentlichen Teilen der deutschen Kultur und Geschichte. Wenn man bedenkt, wie viele Festtage einen christlichen Ursprung haben, so könnte man einige Tage im Jahr aufzählen. Angefangen mit den Adventssonntagen, bis hin zu Osterzeit mit ihren vielen Feiertagen begegnen einem im Liturgischen Jahr immer wieder Tage, die für die christliche Religion bedeutend sind. Aber genau dieses Kirchenjahr lernt man nur im Religionsunterricht mit der historischen Entstehung und somit der eigentlichen Bedeutung der einzelnen Festtage genau kennen.

Aber diese Feiertage haben nicht nur irgendeinen biblischen Ursprung, sondern sie sind auch für viele Menschen mit persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen verknüpft. So finden an Fronleichnam Jahr für Jahr große Prozessionen mit aufwändig geschmückten Straßenzügen die in wochenlanger Arbeit geplant und gestaltet wurden statt und an Allerheiligen gedenken viele Katholiken der verstorbenen Angehörigen. Diese Menschen wurden oft durch die Schule an ihre Religion herangeführt und durch einen Werteunterricht würden diese für viele Christen emotional behafteten Feiertage verkommen und ihre eigentliche Bedeutung in Vergessenheit geraten.

Es gibt allerdings auch noch weitere Argumente gegen die Einführung eines einheitlichen Werteunterrichts. So würde der christlichen Mehrheit Deutschlands die wesentliche Möglichkeit zur religiösen Weiterbildung genommen, denn die Alternativen zum Religionsunterricht sind kaum gegeben. Der einzige Ersatz für die religiöse Grundbildung im Schulunterricht wäre direkter Unterricht durch die Kirchengemeinden, was ein enormer organisatorischer und finanzieller Aufwand wäre und nur über viele Jahre flächendeckend eingeführt werden könnte.

Nicht zuletzt spielt das Christentum in der deutschen Geschichte eine bedeutende Rolle im positiven als auch im negativen Sinn. So sind viele historische Städte von Klosterorden gegründet worden, wie auch München, wo sich im achten Jahrhundert Benediktinermönche angesiedelt haben. Natürlich müssen an dieser Stelle auch dunkle Seiten der Geschichte, wie die Rolle der Kirche im Dritten Reich oder die Inquisition im Mittelalter erwähnt werden, denn auch diese Kapitel haben dazu beigetragen, das das heutige Deutschland, wie wir es kennen entstanden ist.

Natürlich gibt es auch Argumente, die für die Einführung eines allgemeinen und verbindlichen Werteunterrichts sprechen. So gäbe es dadurch im Rahmen der schulischen Ausbildung keine Bevorzugung des Christentums mehr gegenüber anderen religiösen Neigungen. Momentan werden beispielsweise keine spezifischen Religionsstunden für Muslime angeboten, obwohl der Islam einer der fünf Weltreligionen ist und nach dem Christentum die meisten Anhänger in Deutschland hat.

Zusätzlich muss bedacht werden, dass in Deutschland derzeit nur noch knapp 70 Prozent der Bevölkerung christlichen Glaubens sind, was verhältnismäßig wenig ist im Gegensatz zu den prozentualen Anteilen von Christen in Lateinamerika und den USA, aber auch in Österreich oder der Schweiz. So muss man sich doch fragen, ob ein Schritt in Richtung Toleranz nicht angebracht wäre.

Überhaupt stellt sich die Frage, in wie weit eine religiöse Neutralität an den Schulen angebracht wäre um die Toleranz gegenüber anderen Religionen bei Jugendlichen zu fördern. Außerdem könnte man mit einem Werteunterricht den Schülern Respekt ihren Mitmenschen gegenüber beibringen und gegebenenfalls einem Umfeld entgegenwirken, dass ihnen Intoleranz gegenüber anderen Religionen anerzieht.
Mit einem solchen positiven Einfluss würde man auch Diskriminierungen von religiösen Minderheiten vorbeugen und diese verhindern. Meiner Meinung nach würden auch Themen wie Rassismus durch einen Werteunterricht bekämpft. Auch wenn gerade Deutschland wegen seiner Vergangenheit darauf bedacht ist, Rassismus, Diskriminierung und Intoleranz zu bekämpfen und im Keim zu ersticken, erfährt man doch immer wieder aus den Medien von Schlägereien und ähnlichen Straftaten, die von Jugendlichen verursacht werden. Dabei ist dann meist Intoleranz gegenüber Ausländern oder religiösen Minderheiten der Grund für ihr Handeln.

 

Betrachtet man nun noch einmal alle Vor- und Nachteile der Einführung eines allgemeinen Werteunterrichts gegenüber den üblichen Religionsstunden, kommt man zu dem Schluss, dass es zwar durchaus negative Aspekte gibt, die aufgeführten positiven Punkte jedoch an Wichtigkeit überwiegen und somit die Einführung eines Werteunterrichts sehr sinnvoll wäre. Ein Kompromiss, um die Nachteile zu vermindern wäre vielleicht, bis zur Konfirmation und Firmung die Aufteilung in Religionsstunden und Ethikunterricht beizubehalten und danach dann durch einen gemeinsamen Werteunterricht zu ersetzen. Dann hätten die christlich orientierten Schüler die Möglichkeit, die Grundlagen ihrer Religion zu erlernen und trotzdem erhalten sie danach einen Unterricht, der sich frei von religiösen Neigungen mit den entscheidenden Werten, gesellschaftlich kritischen Themen und persönlichen Konfliktpunkten beschäftigt und sie auf die damit verknüpften Probleme aufmerksam macht und an diese heranführt.

Obwohl ich glaube, dass der Werteunterricht als Ersatz für Religion und Ethik als Schulfächer ein guter Ansatz ist, sehe ich auch die Schwierigkeiten, über die diskutiert werden muss und für die eine Lösung gefunden werden muss. Gerade in katholischen Bundesländern mit besonders großem Anteil an gläubigen Christen, wie zum Beispiel Bayern wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis ein Beschluss zu diesem Thema gefasst werden kann. Trotzdem hoffe ich, dass alle Bundesländer früher oder später dem Vorreiter Berlin folgen und einen Werteunterricht für alle Schüler verpflichtend an den Schulen einführen. Es würde vielleicht ein klein wenig dazu beitragen, Toleranz und Integration in unserem Land zu fördern.

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