In der Nachkriegszeit entwickelt sich das Theater in eine wichtige Diskussionsanstalt.
Themen wie Holocaust, atomare Bedrohung durch den Kalten Krieg usw. werden auf die Bühne gebracht. Nach 1970 nimmt die öffentliche Bedeutung des Theaters ein wenig ab, wenn auch die Diskussionen über Bernhards "Heldenplatz" das Gegenteil beweisen.
 
Theater der Grotesken:
Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch zwischen Absurdität und Engagement
Entgegen Brechts episches Theater für die, die Welt verständlich und veränderbar ist, ist im absurden Theater für die Autoren die Welt unverständlich und unveränderlich. (Samuel Becket, Eugen Ionescu, Wolfgang Hildesheimer)
Inmitten dieser Positionen befinden sich Autoren wie Friedrich Dürrenmatt
(Der Besuch der alten Dame) und Max Frisch (Andorra):
 
Friedrich Dürrenmatt (1921-1990)
Der Besuch der alten Dame
Friedrich Dürrenmatt stammt aus protestantischen Pfarrhaus, Mutter bringt ihm die Religion näher, der Vater erzählt ihm griechische Sagen, der Volksschullehrer weckt in ihm das Interesse an die Astrologie, nach Jahren der Selbstsuche beginnt er Malerei, später dann Schriftsteller;
 
Der Besuch der alten Dame (Enthüllungsdrama):
Tragische Komödie in 3 Akten, Uraufführung in Zürich 1954
Frau (Claire Zachanassian) kehrt als Milliardärin in ihre Heimatstadt zurück, das sie einst wegen der verleugneten Vaterschaft ihres ehemaligen Geliebten (Alfred III) verlassen musste. Sie, die zur Hure geworden ist, will nun die Welt zum Bordell machen. Sie will Gerechtigkeit für das Leid, das ihr angetan wurde und bietet eine Milliarde für den Kopf ihres ehemaligen Geliebten. Zuerst lehnen die Bürger ab, doch die Hoffnung auf Geld und wirtschaftlichen Aufschwung korrumpiert schließlich alle Bewohner des Stadt. Sie willigen ein. Der ehemalige Geliebt wird unter dem Anschein der Gerechtigkeit, in Wirklichkeit jedoch aus Habgier von der Masse ermordet.
Thema: Käuflichkeit der Moral;
 
Max Frisch (1911-1991)
Max Frisch (1911-1991) (Biedermann und die Brandstifter)
 
Andorra:
Kleinstaat Andorra hat die im Krieg fliehenden Juden das Asyl verweigert. Der junge Andri wird fälschlicherweise für einen Juden gehalten. So bekommt er ständig die Vorurteile der Andorraner über angebliche Eigenschaften seiner "jüdischen" Volksgruppe zu spüren. Schließlich nimmt Andri die Eigenschaften als Jude an, sogar dann, als er von seiner andorranischen Herkunft erfährt. Bei der Invasion der Schwarzen (antisemitisches Regime) wird er im Verlauf einer "Judenschau" umgebracht.
Thema: Identitätssuche, Vorurteile der Menschen, Beziehung zwischen Menschen u. Gesellschaft, Einfluss der Tradition
 
Das dokumentarische Theater
Im dokumentarischen Theater versuchen die Autoren mit authentischen Mitteln die Realität auf die Bühne zu bringen.
Peter Weis (1968): Das dokumentarische Theater ist ein Theater der Berichterstattung, Protokolle, Akten, Briefe, Zeitungs- und Rundfunkreportagen, Foto, Journalfilme
à enthält sich jeder Erfindung, es übernimmt authentisches Material und gibt dies, im Inhalt unverändert, in der Form bearbeitet, von der Bühne aus wieder.
 
Peter Weiss (1916-1982)
Die Ermittlung
Stück zeigt 11 Gesängen, uraufgeführt 1965, gleichzeitig auf 15 Bühnen
Weiss will Verbrechen des Nationalsozialismus in das Bewusstsein der Gesellschaft bringen.
Er arbeitet ohne moralische Appelle. Er lässt die ausgewählten Dokumente für sich sprechen.
 
Rolf Hochhut
Der Stellvertreter
ein christliches Trauerspiel (Drama in 5 Akten), uraufgeführt in Berlin 1963
Frage, ob Papst XII am Holocaust mitschuldig ist, Rom 1943, hätte nicht schweigen dürfen.
 
Das experimentelle Sprachtheater
Es wird dem Publikum vorgeführt, wie durch Sprache manipuliert wird bzw. wie durch Sprache soziale Anpassung erfolgt.
Die Autoren versuchen weder die Wirklichkeit in Form von Parabeln dazustellen, noch die historische oder aktuelle Realität auf die Bühne zu bringen.
 
Peter Handke: Kaspar (1968)
junger Mann im Wald gefunden, nicht sprechen gelehrt
 
Österreich und die Österreicher
Helmut Qualtinger/Carl Merz: Der Herr Karl (1962)
Fernsehverfilmung löste damals einen Sturm der Entrüstung aus:
Qualtinger: 1928-1986; Kabarettist, Schauspieler,
berühmt mit seinen Lesungen "Die letzten Tage der Menschheit"
Inhalt:
Herr Karl, 60j. Wiener, ordnet im Keller einer Delikatessenhandlung Waren, zeigt dabei wenig Arbeitseifer und erzählt einem Lehrling seine Lebensgeschichte (von der 1. Republik bis zur Nachkriegszeit)
 
Hauptthemen:
Charakterstudie: passt sich der jeweiligen Situation an;
holt für sich den größten Vorteil heraus – rücksichtslos und seelischer Brutalität
Wurzeln des Faschismus
Vergangenheitsbewältigung
Gefährlichkeit des Mitläufertums
 
Thomas Bernhard: Heldenplatz
(1988, 50 Jahre nach Hitlers Rede am Heldenplatz)
 
Ort des Geschehens:
Wohnung in Wien mit Blick auf Heldenplatz (1. und 3. Szene); Volksgarten vor dem Burgtheater (2. Szene).
 
Zeit:
März 1988- 50 Jahre nach dem Anschluss, nach Hitlers Rede am Heldenplatz.
 
Inhalt:
Prof. Schuster Josef wurde in den 50igern vom Wiener Bgm. von England auf die Univ. Wien zurückgeholt. 1988 beging er Selbstmord, weil er sich im österr. polit. Klima nicht zurechtfinden konnte.
Bruder (Robert) vom Prof. tritt im Stück als großer Nörgler auf und kritisiert in langen Monologen Österreichs Politik, Kirche, Schule, Kultur, Medien …… und resigniert schlussendlich.
 
Typische Themen:
Pessimismus, Einsamkeit, Gesellschaftskritik, Übertreibung der Darstellung, die Welt als Narrenhaus
Prämiere zum Jahrhundertfest des Wiener Burgtheaters (Dir. Peymann). Termin musste verschoben werden, da Schauspieler absagten. Es gab sehr große Aufregung, da Österreich beschmutzt werden würde. Rücktrittsaufforderungen an Dir. Peymann.
Im Stück wird Österreich Antisemitismus auch nach dem 2. WK. vorgeworfen.
Die dargestellten Personen (Prof./Frau/Bruder) sind jüdische Österreicher.

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