1. AUTOR
Arthur Miller ist am 17. Oktober 1915 in New York geboren, wo er auch seine Kindheit in Brooklyn und Harlem verbrachte. Er studierte Publizistik, englische Sprache und Literatur. Der große Börsenkrach und die anschließende Weltwirtschaftskrise, deren soziale Auswirkungen er in den dreißiger Jahren unter anderem als Hafen- und Landarbeiter direkt zu spüren bekam, sind Schlüsselerlebnisse für sein Leben und Schreiben.

Eigene Erfahrung liegt seinem ersten 1944 uraufgeführten Stück „The Man who had all the Luck“ ebenso zugrunde wie dem 1945 erschienenen Roman „Focus“. Die Verarbeitung des Themas „Death of a Salesman“ bringt ihm 1949 Weltruhm. In dem 1953 vor dem Hintergrund der hysterischen Kommunistenverfolgung durch den Ausschuß des Senators McCarthy entstandenen Stück „Hexenjagd“ wird diese ursprüngliche Erfahrung des Lebens der „kleinen Leute“ durch ein gesellschaftlich-psychologisches Moment erweitert und variiert.
Zuletzt hat Arthur Miller „Hexenjagd“ für den gleichnamigen Film mit Winona Ryder und Daniel Day-Lewis in den Hauptrollen überarbeitet und eine Drehbuchfassung erstellt.

Er schrieb zum Teil von der analytischen Methode Ibsens beeinflusste Dramen, in denen Zeit- und Sozialkritisches in einer realistischen, auch expressionistische oder surrealistische Mittel verwendenden Technik behandelt wird. Für sein Schauspiel „A view from the bridge“ (Blick von der Brücke) erhielt er den Pulitzerpreis. Miller war von 1956-60 mit der Filmschauspielerin Marilyn Monroe verheiratet.

Weitere Werke:
„Tod eines Handlungsreisenden“
„Zeitkurven. Ein Leben“
„Lasst sie bitte leben“ (Short Stories)
„Hexenjagd“ (das Buch zum Film)
„Neue Stücke. Talfahrt. Der letzte Yankee. Scherben.“ (Drei Dramen)
„A memory of two mondays“
„Collected plays“
„After the fall“
„Incident at Vichy“
„The Price“
„I don‘t need you anymore“
„Monte Sant Angelo“
„Nicht gesellschaftsfähig“

  1. INHALTSANGABE
Abigail und einige andere Mädchen aus der Stadt Salem, darunter die Tochter des Pfarrers Parris, vollführen in einer Vollmondnacht Tänze im Wald. Abigail möchte am liebsten durch Zauberei die Frau von John Proctor, einem angesehenen Farmer, töten. Parris beobachtet sie und bald ist ganz Salem in Aufruhr, jeder denkt der Teufel sitze in ihrer Stadt.
Die Mädchen ziehen sich aus der Affäre indem sie Anfälle vortäuschen, in denen sie bestimmte Menschen mit dem Teufel sehen. Man glaubt ihnen und so können sie jeden, den sie nicht mögen, der Hexerei anklagen.
Ein Gericht wird einberufen und nach der Reihe Haftbefehle ausgegeben. Dutzende Menschen landen im Kerker. Darunter auch Freunde John Proctors, sowie seine Frau Elisabeth. Diese hat nämlich Abigail aus ihrem Haus geworfen, nachdem sie von Abigails Affäre mit ihrem Mann erfahren hatte.
Parris, lässt den Exorzisten Hale holen, der ihnen helfen soll. Zunächst hält sich dieser nur an seine Schriften, als er aber von Proctors Verdacht wegen einer Verschwörung hört, schließt er sich ihm an. Eines der Mädchen, Marry Warren arbeitet seit Abigails Entlassung bei den Proctors. John zwingt sie, Vernunft anzunehmen und bei Gericht gegen ihre Freundinnen auszusagen. Sie bezeugt, dass alles nur ein Streich, eine Vortäuschung ist. Der Richter ist eigentlich geneigt Mary zu glauben, doch als Abigail spürt, dass sie am Verlieren ist, täuscht sie neuerlich einen Anfall vor und Mary schließt sich in panischer Angst wieder ihrer Freundin an. John geht noch einen Schritt weiter und gibt den begangenen Ehebruch zu. Er will damit Abigails wahre Persönlichkeit dokumentieren und dem Gericht beweisen, dass alles nur auf einem Racheakt eines Mädchens beruht. Proctors Frau wird als einzige glaubwürdige Zeugin befragt. Da sie vom Geständnis ihres Mannes nichts weiß, leugnet sie die Tatsache des Ehebruchs, um seinen Ruf und seine Ehre zu schützen. So wird auch Proctor wegen Missachtung des Gerichtes ins Gefängnis gesperrt.
Monate vergehen und die Hinrichtungen der „Schuldigen“ beginnen. Den Angeklagten bleibt nur eine Möglichkeit dem Galgen zu entgehen, nämlich dem Gericht vorzulügen, mit dem Teufel im Bunde zu sein..
Noch während die letzten Urteile verkündet werden, flüchten Abigail und ihre Freundinnen. Viele zweifeln an den Urteilen und Pastor Parris packt die nackte Angst um seine Sicherheit. Nur ein „ Geständnis“ Proctors könnte die erhitzte Volksseele wieder beruhigen. John wünscht nichts sehnlicher als zu leben und er wäre eigentlich bereit alles zuzugeben, um frei zu sein. Als er jedoch merkt, dass der Richter, Parris und der stellvertretende Gouverneur ihn nur missbrauchen wollen, um der Stadt ihre Macht und Unfehlbarkeit zu demonstrieren, wählt John den Weg des Märtyrers.

  1. Wichtige PERSONEN
John Proctor:
Er ist ein angesehener und ehrlicher Farmer in Salem, verheiratet mit Elisabeth, Vater von zwei kleinen Kindern. Verunsichert durch die äußerliche Gefühlskälte seiner Frau, lässt er sich in ein Verhältnis mit dem damaligen Hausmädchen Abigail ein. Er ist zu schwach um nach Beendigung der Beziehung auch einen richtigen Schlussstrich zu ziehen und nährt damit Abby‘s Hoffnung auf eine dauerhafte Bindung.
Im Grunde ist er jedoch ein sehr charakterstarker Mann, der sowohl in Glaubensfragen, als auch in der Beurteilung von Menschen eine eigene Meinung und ein gutes Gespür besitzt. So ist ihm von Anfang an der Pastor Parris nicht geheuer, da er sich mehr mit weltlichen Dingen und Oberflächlichkeiten befasst.
Kurz vor der Hinrichtung seiner Frau will er gestehen, da ihm sehr viel an seinem Leben liegt. Die Richter wollen ihn aber nur benutzen, um zu zeigen, sie verkörpern das Gute und John ist das Böse. Sie müssen beweisen, dass es Geister und Hexen gibt und es wäre ihnen eine Genugtuung, ihn durch ein schriftliches Geständnis öffentlich zu blamieren. So kann und will er nicht mit einer Lüge leben. Er opfert sich für eine Frage des Gewissens.

 
Abigail Williams:
Abigail ist um die zwanzig Jahre alt. Zuerst arbeitet sie einige Zeit bei den Proctors. Als sie aber eine Affäre mit John Proctor hat und dessen Frau dahinterkommt, wird sie hinausgeworfen. Deshalb hasst Abigail Elisabeth, da sie zwischen ihr und John steht. Sie versucht sie auch loszuwerden, indem sie einen Zaubertrank trinkt, der sie töten soll. Jeder denkt sie hätte den Teufel beschworen, doch das Blatt wendet sich.
Abby klagt jeden der Hexerei an, der ihr nichts Gutes getan hat und so landet bald die halbe Stadt im Kerker. Als auch Elisabeth wegen einer Lüge von Abby verhaftet wird, denkt sie, sie habe Proctor wieder. Dieser will aber nichts mehr von ihr wissen. Er liebt seine Frau und unternimmt alles Denkbare, um Elisabeth zu befreien. Beinahe wäre Abbys schmutziges Spiel durch Proctor aufgeflogen, sie kann sich aber durch einen Anfall, in dem sie John mit dem Teufel sieht, retten und auch John landet im Kerker.
Als in der Stadt Unruhen ausbrechen, da fast jeder zweite Bewohner im Gefängnis sitzt, nimmt Abby das Geld ihres Onkels und flüchtet mit den anderen Mädchen. So hat sie zahlreiche Menschenleben auf dem Gewissen, nur wegen ihrer Skrupellosigkeit, ihrer Falschheit und Rachsucht.

  1. LESEFRÜCHTE
Hale: Erinnern Sie sich, Mann, noch eine Stunde bevor Luzifer fiel, hielt Gott ihn für eine Zierde des Himmels. (S. 53)

Hale: Herr Proctor. Wenn sie unschuldig ist, wird sie das Gericht…
Proctor: Wenn sie unschuldig ist? Warum fragen Sie nie, ob Parris unschuldig ist oder Abigail? Ist jetzt der Ankläger immer heilig? Wurden Sie erst heute morgen in paradiesischer Unschuld geboren? Ich sage Ihnen, was in Salem los ist. Rache geht in Salem um. Wir sind, wie wir immer waren, doch ein paar hysterisch kreischende Kinder bestimmen jetzt den Lauf der Dinge, und niedere Rache wird zum Gesetz. (S. 58)

Proctor: Es ist eine Fügung Gottes. Wir sind wie wir immer waren, nur nackt. Ja, nackt und der Wind, Gottes eisiger Wind weht. (S 61)

Danforth: Doch Sie müssen einsehen, dass man entweder für dieses Gericht ist oder dagegen, es gibt keinen Mittelweg. Dies ist eine strenge Zeit, eine genaue Zeit – wir leben nicht mehr in der Dämmerstunde, wo sich das Böse mit dem Guten mischte. Dank Gottes Gnade strahlt jetzt hell die Sonne, und die, die das Licht nicht fürchten, werden ihn sicherlich preisen. (S. 75/76)

Proctor: Tue, was recht ist, und kein Leid wird Dir widerfahren. (S. 76)

Parris: Der Teufel lebt von solchen Vertraulichkeiten. Ohne Vertraulichkeiten gäbe es keine Verschwörung! (S. 78)

Proctor: Der Mensch mag denken, Gott schläft, aber Gott sieht alles. (S. 90)

Proctor: Denn alle, die zögern, den Menschen aus seiner Unwissenheit herauszuführen, so wie ich gezögert habe, und wie Sie es jetzt tun, werden von Gott besonders bestraft. Denn in der Tiefe Ihrer finsteren Seelen wissen Sie alle, dass das hier Betrug ist. Und wir werden brennen, gemeinsam werden wir brennen. (S. 98)

Elisabeth: Tu, was du willst. Lass niemand Richter über dich sein. Es gibt keinen höheren Richter unter der Sonne, als du selbst. (S. 113)

Proctor: Gilt denn Reue nur, wenn man sie öffentlich macht? Gott braucht meinen Namen nicht an der Kirchentür angenagelt. Gott sieht meinen Namen, Gott weiß, wie groß meine Sünden sind! (S. 118)

  1. DEUTUNG
In Arthur Millers Stück steht ein nächtlicher Jungmädchenstreich am Beginn einer dramatischen Entwicklung. Der Tanz der jungen Mädchen im Wald wird vom Puritaner Parris sofort falsch interpretiert. So etwas passt nicht in sein enges Weltbild. Er ist es, der den Mädchen und der Gemeinde einsuggeriert, dass hier der Teufel am Werk sei. Er ist es auch, der den Exorzisten Hale bestellt, bevor noch sonst jemand aus der Gemeinde an Böses denkt. Die Mädchen wittern sofort ihre Chance sich aus der Affäre zu ziehen und beginnen alle möglichen Leute auszurufen, die sie angeblich im Pakt mit dem Teufel sehen können.
Abigail ist diese Entwicklung mehr als recht, hat sie so doch ganz einfach die Möglichkeit ihrer Rache freien Lauf zu lassen. Abby, das kleine Luder hatte eine Affäre mit ihrem Arbeitgeber John Proctor. Seit Elisabeth, seine Frau sie aus ihrem Haus geworfen hat, sinnt Abigail auf Rache. Sie will Elisabeths Tod!

Proctor weiß von Anfang an, dass die Mädchen ein tödliches Spiel spielen. Da er jedoch einen Fehltritt begangen hat, können sich die Dinge lange Zeit zuspitzen, bevor er versucht Abigails „Heiligenschein“ mit seinem Geständnis zu zerstören. Inzwischen hat jedoch der Prozess der Hexenverurteilungen eine Eigendynamik bekommen. Die Gerichtsbarkeit mit ihrem absoluten Anspruch auf Wahrheit und Recht beraubt die Verurteilten sukzessive aller Möglichkeiten sich zu verteidigen.

Einmal der Hexerei angeklagt, auch wenn der Ankläger nur ein hysterisches Mädchen ist, gelingt es niemandem seine Unschuld zu beweisen. Die Maschinerie der Gerichtsbarkeit stellt die Ankläger als Heilige hin, während alle anderen, ob Beschuldigte oder Zeugen, chancenlos sind, denn keiner kann vorzeigen, dass der Teufel nicht da ist, der Teufel ist nicht sichtbar. Untadeliges Leben, Frömmigkeit, Rechtschaffenheit – nichts von alledem zählt, wird der Name nur einmal im Zusammenhang mit Hexerei erwähnt. Die allerletzte Möglichkeit dem Galgen zu entgehen besteht darin, einfach das zuzugeben, was das Gericht hören will. Das heißt aber für jeden Betroffenen, dass er alles, woran er sein Leben lang geglaubt und festgehalten hat zu verleugnen, seinen Ruf, sein Gewissen zu opfern und sich selbst der Besessenheit zu beschuldigen.

Und über all diesen Terror wird Gott gestellt. Selten liest man den Namen Gottes so oft wie in diesem Stück Millers. Die Gerichtsbarkeit leitet sich absolut jedes Recht aus diesem Namen ab. Die Angeklagten werden danach bewertet, wie fix sie die Gebote Gottes auswendig können. In dieser Hinsicht nämlich, der Oberflächlichkeit des Glaubens, ist Pastor Parris ein würdiger Vertreter der Geistlichen, die oft wirklich nur interessiert, dass die Kasse stimmt oder wie oft ein „Schäfchen“ zur Sonntagsmesse erscheint.

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