Zur Autorin:
Dagmar Chidolue, 1944 in Sensburg/ Ostpreußen geboren wuchs in Gütersloh, Westfalen. Nachdem sie ihre Ausbildung im wirtschafts – und steuerberatenden Beruf abgeschlossen hatte, holte sie das Abitur nach und begann Jura und Politikwissenschaften zu studieren. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt heute in Usingen/ Taunus. Chidolue schreibt für Erwachsene, wie auch für jüngeres Publikum. Bekannt wurde sie jedoch durch ihre Kinder- und Jugendliteratur, welche unter anderem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde. Weitere Bücher: „Lieber, lieber Toni“,“ So ist das nämlich mit Vicky“, „Mach auf, es hat geklingelt“, „Floraliebling“, „Aber ich werde alles anders machen“, „Lady Punk“ und die ´Millie´- Reihe.
Zum Inhalt von „London, Liebe und all das“:
Die Protagonistin Katharina, 18, beschließt den großen Schritt aus der Kleinstadt zu wagen und eine mehrwöchige Reise nach London, England anzutreten, um ihr Englisch zu verbessern. Daheim läßt sie ihre besorgten Eltern und ihren Freund Oliver. In London kommt sie nach einigen Umständen bei der afrikanischen Familie Okonkwos unter. Auf einer der vielen Diplomatenpartys der Familie lernt sie den afrikanischen Mathematikstudenten Azuka. Die nächsten paar Wochen treffen sie sich immer häufiger und beide verlieben sich ineinander. Es kommt die Zeit des Abschieds und Katharina fährt wieder zurück nach Deutschland. Im Verlaufe des Jahres besucht sie Azuka zwei Mal. Der Kontakt zu Azuka bleibt über die Briefe bestehen. Eines Tages lädt Katharina mit anfänglichen Einwänden von Seiten der Eltern ihren afrikanischen Freund zum Weihnachtsfest zu sich nach Deutschland ein. Nachdem Besuch Azukas haben die Eltern ihre Meinung über den jungen Mann ein wenig geändert. Scheinbar sei der Afrikaner doch nicht so primitiv, wie sie immer annahmen.
Im darauffolgenden Sommer besucht Azuka seinen Vater in Nigeria. In der Zwischenzeit beendet Katharina das Abitur, zieht in eine Wohngemeinschaft in Frankfurt und beginnt das geplante Mathematikstudium in Frankfurt. Aus einem Brief erfährt sie von Azuka, daß sein Vater mit einer weißen Deutschen als Schwiegertochter – „A capital NO- absolut nicht einverstanden ist. Nach dieser Nachricht versucht Katharina Selbstmord zu begehen. Ihre Mitbewohnerin Birgit rettet sie. Katharina beschließt, die Freundschaft zu Azuka aufzugeben. Wütend schreibt sie ihm eine letzte Geburtstagskarte, in welcher sie ihm die Lage klarmacht. Trotz allem besucht sie Azuka in ihrer Wohnung in Frankfurt. Gemeinsam beschließen sie, daß Katharina ihr Studium in Cambridge fortführen wird um somit so viel mehr Zeit mit ihrem Freund verbringen zu können.
Charakter von Katharina
Aufgewachsen in einer Kleinstadt und wohl umsorgt vom Elternhaus kann man es als sehr große Schritt sehen, daß dieses Mädchen entschließt, ganz alleine ins Ausland zu gehen. Die Konfrontation mit dem Andersartigen läßt sie erkennen, daß es auf dieser Welt andere Kulturen und Lebensweisen gibt, die eben so interessant sein können wie die eigene. Die ersten Tage im Hause der afrikanischen Familie befremden sie, alles ist ganz anders, fremdartig: die Gerüche aus der Küche, die ständigen Besucher und auch die Musik. Doch sie lebt sich ein und gerade die Liebe zu dem aus Afrika stammenden Studenten Azuka macht es ihr möglich, sich beim Klang der afrikanischen Melodien zu Hause zu fühlen. Eine weitere Entdeckung im Laufe ihres ersten Aufenthaltes in London ist die Tatsache daß sie als Weiße sich in einer Menge von Schwarzen, sehr vielen Schwarzen, unwohl fühlen kann Sie muß erkennen, daß Afrikaner zwar eine der vielen Minderheiten im multikulturellen England darstellen, jedoch unter sich eine große Gemeinschaft aufgebaut haben, in der sie ohne Probleme ihr Leben bestreiten. Umso verständlicher ist es, daß es die Protagonistin absolut aus der Bahn schmeißt als sie erfährt, daß der Vater ihres Freundes der Beziehung zu Katharina nicht zufrieden gegenübersteht. Dabei scheint sie zu vergessen, daß ihr schwarzer Freund andersherum mit genau den gleichen Problemen konfrontiert gewesen ist, als er zum Weihnachtsfest nach Deutschland kam. Um ihre Wandlung in einem Satz zusammenfassen, scheint dieser aus dem Buch selbst entnommene Satz am passendsten: „Ihr war die Unschuld abhanden gekommen, die himmlische Naivität, und sie hatte den Stand der Unwissenheit längst zurückgewiesen“.
Verhältnis zum deutschen Freund Oliver
Zu Beginn ihrer Reise vermißt sie ihn, jedoch nicht für lange. Bereits bei der Abschiedsszene am Bahnhof ist ihr klar, daß in der Beziehung zu Oliver nicht alles so läuft wie sie sich das vorstellt. Die große Liebe ist er eindeutig nicht für sie. Als sie dann in London Azuka kennenlernt, scheint ihr Freund fernab in der Heimat endgültig vergessen. Besonders deutlich wird dies als sie, wieder zurück in Deutschland, Oliver das erste Mal wiedersieht. Auf seine freudige Begrüßung kann sie nur noch mit einem zögerlichem „Ja, ja, ja“ antworten. Nur einige Tage später macht sie ihm eindeutig klar, daß sie nicht mehr mit ihm zusammensein möchte. Ihre ganze Liebe gilt nur noch Azuka.
Charakter von Azuka
Azuka ist ein aus Nigeria stammender Mathematikstudent. Entgegen der Meinung des Vaters, der älteste Sohn habe sich um andere Dinge zu kümmern, entschließt er sich, ganz alleine in das ferne England auszuwandern und sein Studium in Cambridge anzutreten. Aufgrund der weiten Lebenserfahrung geht der junge Mann gelassen an die Dinge heran. Probleme wie die mit seinem Vater bezüglich Katharina möchte er lieber geduldig angehen. Auch von Katharina verlangt er Verständnis für dieses traditionsbelastete Problem indem er sagt: „Darum will ich Dich bitten, daß Du mich richtig verstehst und diese Geduld auf Dich nimmst.“
Katharinas Eltern
Die Mutter ist im gesamten Buch besorgt um ihre Tochter. Es fällt ihr nicht leicht, die junge Tochter in das ferne, unbekannte England zu entlassen. Umso besorgter ist sie als sie erfährt, daß sie bei einer afrikanischen Familie untergebracht wurde und im weiteren Verlauf der Handlung auch noch mit „Einem von denen“ zusammen ist. Als Katharina wieder nach Deutschland zurückkommt ist die Mutter überglücklich, wieder auf ihre Tochter aufpassen zu können. Bezüglich des Freundes Azuka vollzieht sich ein kleiner Wandel bei der Mutter. Dieser fällt jedoch entsprechend der vorher dagewesenen Vorurteile nicht sonderlich groß aus. Nachdem die Familie das Weihnachtsfest gemeinsam mit Azuka verbracht hat, wird Azuka zum „Vorzeige- Afrikaner“ für Bekannte: „Da werdet ihr staunen, das habt ihr euch wohl nicht gedacht, daß es da unten so aussieht. Die haben da alles, Häuser und Autos und Fernseher und so, und sein Vater ist ein wichtiger Mann, Rechtsanwalt ist er, und ein bisschen ist da alles wie bei uns.“ Der Vater hat in dem gesamten Buch nicht viel zu sagen.
Und so scheint es auch von der Autorin intentioniert zu sein. Der Mann ist nicht mehr Wortführer in der Familie, wie dies für das Neue Mädchenbuch typisch ist. Die Erziehung überläßt er der Frau, zu den Machenschaften seiner Tochter mag er sich fast gar nicht mehr äußern. Es bleibt ihm und auch der Mutter wohl nichts anderes übrig, als Katharinas Entscheidungen zuzustimmen. Sie steht zu ihrer Liebe zu Azuka, egal was Schulfreunde, Eltern oder Verwandte sagen mögen und auch von dem Umzug nach Frankfurt und der Wahl des Studienfachs läßt sie sich nicht abbringen. Im Großen und Ganzen scheint Katharina allerdings keine größeren Probleme mit dem Elternhaus zu haben. Letztendlich akzeptieren die Eltern Katharinas Entscheidungen, es besteht auch kein Zweifel daran, daß sie ihre Tochter immer in allem was sie tut unterstützen werden. Das aufgekommene Problem des andersartigen Freundes wird mit einer Art der Duldung gelöst, und überhaupt, so viel haben sie ja nicht damit zu tun, seit Katharina und Azuka beschlossen haben, gemeinsam in England zu bleiben.
Thema Sexualität im Buch
Körperliche bzw. sexuelle Beziehungen werden im Buch nur vage angesprochen, was vielleicht auch damit zusammenhängen mag, daß es der Autorin wichtiger erschien, andere Bereiche detaillierter zu besprechen. Die erste körperliche Annäherung zwischen den beiden Protagonisten findet statt, als beide auf einer Party eng miteinander tanzen , Katharina nur noch „seine Nähe spüren“ möchte und feststellt, daß „die ganze Welt jetzt sehen könnte, was zwischen ihnen war, alles nämlich, alles alles, und sie fühlte eine große Ruhe in sich, Ruhe und Sicherheit und etwas, das ihr sagte, daß sie jetzt angekommen sei.“
Daß die beiden miteinander schlafen, wird nicht gleich deutlich. Zum angenommenen Zeitpunkt bemerkt Katharina zwar, daß ihr Freund „… in der Dunkelheit, ein bißchen weniger nackt“ aussehe, jedoch wird es erst sehr später im Gespräch mit der Mutter eindeutig klar, daß Katharina bereits mit Azuka geschlafen hatte.
Kritik am Buch:
Was dem Buch kritisch anzumerken sei, ist die Tatsache, daß es sich die Autorin mit der Wahl des Handlungsortes sehr leicht gemacht hat. Hätte sich die Geschichte eines deutschen Mädchens, daß sich in einen schwarzen Afrikaner verliebt, in Deutschland, und womöglich noch in einer Kleinstadt abgespielt, wäre die gesamte Geschichte viel konfliktreicher gewesen. Allerdings muß man hinzufügen, daß Dagmar Chidolue viele Teilaspekte versucht hat in die Geschichte einzuarbeiten. Da ist zum einen die Situation eines jungen Mädchens, daß sich zum ersten Mal in ihrem Leben vom Elternhaus und der Kleinstadt entfernt und den großen Schritt in ein fernes Land mit einer völlig neuen Kultur wagt.
Zum anderen ist es gerade die Begegnung mit der anderen zwar nicht der englischen, so jedoch der afrikanischen Lebensweise, die das Mädchen eine Veränderung durchgehen läßt. Angesprochen wird außerdem, wenn auch nur beiläufig das Problem Azukas, welche sich mehrmals dem Rat seines Vaters widersetzte und es im Laufe seines Lebens gelernt hat, sich in einem anderen Land mit einer fremden Kultur zurechtzufinden. Ebenso wird das Problem Katharinas mit ihren Eltern erwähnt, da sie mit einem Ausländer zusammen ist. Und hierbei liegt Chidolues Problem beim Buch. Vielleicht hätte sie sich besser auf ein Teilproblem spezialisieren sollen, um der Geschichte eine abgerundete Handlung zu geben.