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Spezialgebiet in Philosophie 2007 von Thomas Doblhoff
Erich Fromm
Erich Fromm war ein bedeutender deutsch-amerikanischer Philosoph und Psychoanalytiker sowie auch Sozialpsychologe.
Er wurde am 21.3.1900 in Franzfurt am Main geboren und stammte aus einer streng religiösen jüdischen Familie, aus der schon viele Rabbiner hervorgegangen waren.
Zuerst studierte er Jura, wechselte aber bald nach Heidelberg, um dort Soziologie zu studieren und promovierte 1922.
1927 begann er bei dem Juristen Hans Sachs seine Ausbildung als Psychoanalytiker und praktizierte bis 1929 in Berlin als Laienanalytiker.
Fromm war Zeit seines Lebens immer Anhänger des humanistischen, demokratischen Sozialismus.
Seine Beiträge zur Psychoanalyse, zur Religionspsychologie und zur Gesellschaftskritik haben ihn als einflussreichen Denker des 20. Jahrhunderts etabliert, auch wenn er in der akademischen Welt oft unterschätzt wurde. Viele seiner Bücher wurden zu Bestsellern; seine Gedanken wurden auch außerhalb der Fachwelt breit diskutiert.
Fromm starb am 18. März 1980 infolge eines Herzinfarkts in der Schweiz, wenige Tage vor dem Erscheinen der 10-bändigen Gesamtausgabe seiner Werke. Er wurde in Bellinzona (Schweiz) eingeäschert.
Haben oder Sein
Die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Haben und dem Sein.
Die Frage, worin die wesentlichen Unterscheide des Habens und des Seins liegen, ist für den normalen Menschen nicht immer ganz einfach.
Wir alle, vor allem in der westlichen und industrialisierten Welt müssen Dinge haben, um zu überleben. Und auch, um Dinge genießen zu können, müssen wir sie in den meisten Fällen haben.
Um gleich zu Beginn eine etwas bessere Erklärung dieses Unterschiedes machen zu können, möchte ich einige Beispiele aus der Literatur anführen:
Das erste Beispiel ist ein Gedicht des englischen Dichters Tennyson aus dem 19. Jahrhundert.
Blume in einer rissigen Mauer,
Ich pflücke dich aus den Rissen,
Ich halte dich samt der Wurzel in meiner Hand,
Kleine Blume – und wenn ich verstehen könnte,
Was du bist, mit allen Wurzeln, Blättern und Blüten, ganz.
Wüßte ich, was Gott und was der Mensch ist.
Wie man erkennen kann, bezieht sich dieses Gedicht auf den Besitz der Blume. Tennyson möchte die Blume haben, daraus resultiert, dass er sie tötet.
Fromm vergleicht diese Art der „Untersuchung“ der Blume mit einem westlichen Wissenschaftler, der, um die Wahrheit zu finden, das Leben zerstückelt.
Basho, ein japanischer Dichter aus dem 17. Jahrhundert schreibt hingegen.
Wenn ich genau hinschaue,
sehe ich an der Hecke
die Nazuna blühen!
Bei diesem Gedicht ist es vollkommen anders.
Basho möchte die Blume nicht pflücken, er möchte sie nicht einmal berühren, er schaut nur genau hin, um zu sehen.
Anhand dieses Beispiels könnte man, wie auch Fromm es vorsichtig formuliert, einen der bedeutendsten Unterschiede zwischen der östlichen und westlichen Kultur entdecken. Nicht, dass alle westlichen Menschen nur immer Haben wollen, aber leider geht die Tendenz doch in diese Richtung.
Ein weiteres Beispiel, welches ich anführen möchte, ist ein Gedicht von Goethe, der eine ganz andere Lösung findet, um die Blume zu untersuchen, aber auch, um sie zu haben.
Ich ging im Walde
So Für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.
Im Schatten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Äuglein schön.
Ich wollt es brechen,
Da sagt´ es fein:
Soll ich zu Welken
Gebrochen sein?
Ich grub´s mit allen
Den Würzlein aus,
Zum Garten trug ich´s
Am hübschen Haus.
Und pflanzt´ es wieder
Am stillen Ort;
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.
Goethe drückt mit diesem Gedicht offensichtlich seine Grundeinstellung zur Naturwissenschaft aus, da er, anders als Tennyson, zwar auch zu Beginn die Blume ausreißen möchte, sich aber dann doch dazu entschließt, es nicht zu tun, um somit ihr Leben zu retten.
Tennyson verdeutlicht in seinem Gedicht ganz klar, dass er in diesem Fall dem Haben zustimmt, zwar nicht dem Haben oder dem Besitz der Blume selbst, sondern dem Wissen, welches er aus dieser gewinnen kann.
Basho hingegen bezieht sich nur auf das Sein an sich, er hat die Blume nicht, doch ist er zufrieden und glücklich mit dem, was er hat, nämlich den Einklang mit der Natur.
Einer der bedeutendsten Unterschiede zwischen dem Haben und dem Sein ist vielleicht der, dass die Angst, das zu verlieren, was man hat, im Seinmodus nicht existiert. Denn wenn man ist, was man hat, und das verliert, ist man nichts mehr.
Wenn ich hingegen bin, was ich bin, so kann mich niemand dessen berauben.
Wenn ich viel besitze und viel verbrauche, so wird mein Besitz verringert. Wenn ich aber bin und viel tue, so wird mein Sein durch die Praxis verstärkt.
Auch ein interessanter Aspekt ist die Veränderung des sprachlichen Gebrauchs des Wortes „haben“.
Haben im Zusammenhang mit einem Hauptwort, bedeutet, dass man Dinge hat.
Man kann Autos, Geräte oder Möbel haben.
Jedoch wird immer öfter eine Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Wort Haben gebraucht, anstelle eines einfachen Verbs.
Dadurch spricht man über Tätigkeiten, als ob man sie besitzen würde.
Tätigkeiten kann man aber nicht besitzen, sondern nur erleben.
Somit kommt Fromm zu dem Schluss, dass in der heutigen Zeit das Konsumieren eine Form des Habens darstellt. Das Konsumieren an sich, sofern man einmal damit angefangen hat und jeder Mensch in der heutigen Überflussgesellschaft konsumiert etwas, kann einem schließlich nicht mehr weggenommen werden. Doch muss man um seine Gier und das Verlangen nach Neuem stillen zu können immer mehr und mehr konsumieren, und so auch haben. Ich bin, was ich habe und was ich konsumiere.
(Erich Fromm 1976, BS 36.)
Fromm übt in gewisser Weise auch Kritik an dem heutigen Schulsystem.
Als guter Schüler wird derjenige bezeichnet, der das von Autoren oder Philosophen Gesagte am besten wiedergeben kann, und somit das bereits Gehörte nachsagt. Dieser Schüler befindet sich im Habenmodus.
Schüler aus dem Seinmodus hingegen lernen, das Gesagt in Frage zu stellen und sich darüber hinaus Gedanken zu machen über das, was sie soeben lesen und lernen.
Dies ist nur ein weiterer, meiner Meinung nach sehr wichtiger Unterschied in der Beantwortung der Frage was Sein und was Haben ist.
Ausüben von Autorität
Auch bei der Ausübung von Autorität gibt es einen Haben- und einen Seintypus.
Der Habentyp hat Autorität auf Grund seines Titels oder weil er in einer bestimmten Gesellschaft eine bestimmte Aufgabe bestmöglich erfüllen kann. Sobald er aber nachlässig wird und es andere Menschen gibt, die ihn in seiner Fähigkeit übertreffen, verliert er seine Autorität.
Als kurze Erklärung ein Zitat:
… oder, wie so häufig in der modernen Demokratie (haben wir es zu tun) mit Autoritäten, die aufgrund ihrer photogenen Erscheinung oder des Geldes, das sie für ihre Wahl ausgeben können, gewählt werden – in allen diesen Fällen dürften Kompetenz und Autorität in keinem oder kaum einem Verhältnis stehen.
(Erich Fromm 1976, BS 45.)
Ein besonders gutes Beispiel führt Fromm auch an, indem er schreibt:
Der König – um diesen Titel als Symbol für diese Art von Autorität zu verwenden – kann dumm, heimtückisch, böse, das heißt völlig ungeeignet sein, eine Autorität zu sein, dennoch hat er Autorität. Solange er den Titel hat, nimmt man an, daß er auch über die Qualitäten verfügt, die ihm Kompetenz verleihen.
Selbst wenn der Kaiser nackt ist, glaubt jeder, daß er schöne Kleider hat.
(Erich Fromm 1976, BS 46.)
Beim Seinstyp hängt seine Autorität nicht nur auf Grund seiner Fähigkeiten ab, sondern er strahlt Autorität aus, weil er sich selbstverwirklicht oder integriert hat.
Dieser Typ der Ausstrahlung erfolgt jedoch nicht, wie bei dem Habentyp, nur durch schreien oder Befehle erteilen, sondern, weil dieser Mensch durch das, was er selbst ist, und nicht durch das, was er hat, zeigt, was aus jedem Menschen werden kann.
Genau diesen Typ an Autorität würden Kinder auch als Vorbilder akzeptieren, da sie nicht durch Drohungen oder Befehle zu guten Menschen geformt werden würden, sondern nur weil sie beobachten und die Ausstrahlung auf sich wirken ließen.
Ein weiteres Problem, das den Habensmodus in der heutigen Gesellschaft
betrifft, ist die Liebe.
Menschen beginnen, sich ineinander zu verlieben und wenn sie meinen, dass ihre Liebe stark genug ist, gehen sie beide den Bund der Ehe ein. Doch nach einigen Jahren verflüchtigt sich in manchen Fällen dieses Gefühl, denn sie meinen, durch den Bund der Ehe „haben“ sie nun die Liebe des anderen. Doch man kann Liebe an sich nicht haben. Ein Ehepaar hat einiges, wie zum Beispiel ein Auto, ein Haus und alle sonstigen materiellen Güter. Aber sie sehen die Liebe des Partners meist als selbstverständlich an und dadurch vergeht das ursprüngliche Gefühl, wenn man es nicht pflegt.
Aus der Liebe, die einst so stark war, wird nun nur noch ein freundschaftliches Zusammenleben. Manche glauben, ihre ursprünglichen Gefühle durch Seitensprünge oder Derartiges wieder zu erlangen, doch das ist nicht der richtige Weg.
Ich glaube Fromms Lösungsvorschlag, um dieser „Langeweile“ in einer Beziehung zu entgehen, ist, die Liebe des Partners nicht als etwas Selbstverständliches anzusehen und nicht zu versuchen, ihn zu besitzen oder seine Liebe zu haben.
Die Grundlage für den Habenmodus ist laut Fromm die Erwerbsgesellschaft.
Unsere gesamte Gesellschaft ist auf drei Grundsätzen aufgebaut:
Dem Privateigentum, dem Profit und der Macht.
Sobald jemand etwas hat, verweigert er jedem Anderem den Genuss daran. Man wird der einzige Herr darüber und kann damit machen, was man will, solange man nicht gegen das Gesetz verstößt.
Auch die Art des Besitzens und Erwerbens hat sich in den letzten Jahrhunderten stark verändert. Früher kaufte man etwas, um es möglichst lang zu haben. Heute kauft man etwas, und auch wenn es noch funktioniert, wird man davon gelangweilt und möchte seine Lust befriedigen, indem man etwas Neues kauft. Natürlich ist dieses Verhalten notwendig für die wirtschaftliche Entwicklung, doch in Ländern, in denen das eigene Selbst noch vor der Wirtschaftsentwicklung steht, hat man auch das Problem dieser Wegwerfgesellschaft nicht.
Durch den Wunsch, Privateigentum zu besitzen, haben wir zwangsläufig auch den Wunsch, Macht zu haben, da wir Macht brauchen, um erstens, Privateigentum anzuhäufen und zweitens, um unser Eigentum vor denen zu schützen, die es, genau wie wir, auch haben wollen.
Dadurch kommt es natürlich auch zur Entwicklung von Gewalt, da wir uns selbst, und das, was uns gehört schützen und anderen das, was wir haben wollen, wegnehmen.
Im Habenmodus findet der Mensch sein Glück in der Überlegenheit gegenüber anderen, in seinem Machtbewusstsein und in letzter Konsequenz in seiner Fähigkeit, zu erobern, zu rauben und zu töten. Im Seinsmodus liegt es im Lieben, Teilen, Geben.
(Erich Fromm 1976, BS 83.)
Dieses stetige Verlangen nach Macht und Haben führt dazu, dass die Machthaber der heutigen Zeit der Meinung sind, es wäre nur möglich, eine Ertragssteigerung und Motivation zu erlangen, indem man durch Belohnungen und Materielle Vorteile „besticht“.
Nur in Kriegszeiten werden Appelle an Solidarität und Zusammengehörigkeit ausgerufen.
Da ist es ja kein Wunder, dass die Menschen nur nach noch mehr Macht und Verlangen nach Haben streben, wenn solche „Vorbilder“ an der Spitze eine Gesellschaft stehen.
Bisher befasste sich dieser Habensbegriff mit dem charakterbedingten Haben.
Aber natürlich müssen wir auch essenzielle Dinge haben, wie unseren Körper oder Nahrung, um unsere Grundbedürfnisse befriedigen zu können.
Dieser Modus wird dann als existenzielles Haben bezeichnet, da wir es zum Überleben direkt benötigen.
Der Marktcharakter
Der typische Charakter des Habensmodus ist der Marktcharakter.
Er interessiert sich nicht mehr für solche Dinge wie sein Leben oder sein Glück, er lebt, um seine Waren zu verkaufen. Und um erfolgreich seine Waren verkaufen zu können, muss er es auch schaffen, sich selbst gut zu präsentieren. Das hat zur Folge, dass er mit der Zeit gehen muss, und sich immer wieder anpasst. Dadurch verliert er sein Selbst.
Fromm bezeichnet diese Charaktere als selbst-lose Werkzeuge, die nur in einer großen, unüberschaubaren Verkaufswelt leben.
Daraus folgt, dass sie auch Dingen gegenüber gleichgültig eingestellt sind; somit kommen wir wieder zu dem Grund, warum man Dinge wegwirft, nur um dieses Gefühl des Habens zu befriedigen.
Alles ist für diesen Menschen austauschbar, egal, ob es sich um materielle Güter handelt, oder Freunde und Partner.
Erich Fromm macht in seinem Werk auch Vorschläge, wie man eine neue Gesellschaft aufbauen könnte, und welche Charakterstruktur diese Gesellschaft aufzuweisen hätte.
Hier nur ein kleiner Ausschnitt seiner Vorschläge:
- Die Bereitschaft, alle Formen des Habens aufzugeben, um ganz zu sein.
- Sicherheit, Identitätsbewusstsein und Selbstvertrauen basierend auf dem Glauben an das, was man ist und auf dem Bedürfnis, auf die Umwelt bezogen zu sein, ihr Interesse, Liebe und Solidarität entgegenzubringen, statt des Verlangens, zu haben, zu besitzen und die Welt zu beherrschen und so zum Sklaven des eigenen Besitzes zu werden.
- Annahme und Tatsache, dass niemand und nichts außer und selbst dem Leben Sinn gibt, wobei diese radikale Unabhängigkeit und Nichtheit die Voraussetzung für eine volle Aktivität sein kann, die dem Geben und Teilen gewidmet ist.
- Freude aus dem Geben und Teilen, nicht aus dem Horten und der Ausbeutung anderer, zu schöpfen.
- Bestrebt zu sein, Gier, Hass und Illusionen so weit, wie es möglich ist, zu reduzieren.
(Erich Fromm 1976, BS 167.)
Weiters zählt Fromm einige Probleme auf, die im Zusammenhang mit dem Aufbau einer neuen Gesellschaft gelöst werden müssten.
- Die industrielle Produktionsweise müsste beibehalten werden, ohne in totaler Zentralisierung zu enden.
- Die freie Marktwirtschaft müsste beibehalten werden und mit Dezentralisierung verbunden werden.
- Das Ziel eines unbegrenzten Wirtschaftswachstum müsste aufgegeben werden.
- Nicht mehr materieller Gewinn sollte als Motivation dienenn sondern das Erlangen psychischer Befriedigung.
- Der Mensch müsste lernen, Freunde zu empfinden, ohne an die Maximierung des „Vergnügens“ zu denken.
- Die individuelle Initiative muss vom wirtschaftlichen Bereich in übrige Lebensbereiche verlagert werden.
Eine weitere Möglichkeit der Veränderung sieht Fromm in der Gründung von Verbraucherstreiks. Diese sind schwer zu bekämpfen und es reicht schon eine Minderheit aus, um riesige Erfolge zu garantieren.
Würden zum Beispiel zwanzig Prozent der Bevölkerung auf den täglichen Gebrauch des Autos verzichten, so hätte das schon eine enorme Auswirkung auf die Ölwirtschaft. Dadurch würde den Konsumenten eine ungeheure Macht übergeben werden und sie wären nicht mehr Opfer von Großkonzernen.
Die Furcht vor der Freiheit
Die Frage, warum der Mensch Furcht vor der Freiheit haben sollte, wirkt im ersten Moment eher abstrakt.
Seit Menschengedenken wollen die Menschen frei sein. Sie wollen frei sein von größeren Instanzen, die ihnen vorschreiben, was sie denken und was sie tun sollen.
Diese Art der Freiheit könnte man als positive Freiheit deuten.
Doch das Problem, mit dem man sich zu befassen hat, wenn man schließlich frei ist, ist ein ganz anderes.
Die größte Angst, mit der ein Individuum zu kämpfen hat, ist die Angst davor, alleine zu sein und sich keiner Gruppe anschließen zu können.
Genau das passiert wenn wir frei von allen Mächten sind, da wir nun beginnen müssen selbst zu entscheiden was wir tun und denken sollen.
Fromm bezeichnet diese andere Form als negative Freiheit, deren Seiten nicht immer leicht zu verstehen sind, da sie in der heutigen Zeit zu einer Art Normalität geworden sind.
Um das kurz näher zu erläutern möchte ich zwei der Beispiele anführen die auch Fromm erwähnte:
Wir meinen, in der heutigen Zeit wäre die Glaubensfreiheit ein Ziel, das wir erreicht haben, weil es schon unzählige Menschen vor uns versucht haben, es zu erreichen. Das Problem in diesem Zusammenhang ist nicht, dass wir frei sind zu glauben, woran wir glauben wollen, sondern, dass wir nicht mehr wissen, woran wir glauben sollen. Da wir in der heutigen Zeit nur schwer an Dinge glauben können, die wir nicht beweisen und erklären können.
Der Mensch hat dadurch dass er die Erlaubnis bekommen hat frei zu glauben die Fähigkeit verlernt an etwas zu glauben.
Ein anderes Beispiel ist die Meinungsfreiheit. Natürlich ist es wichtig seine eigene Meinung äußern zu dürfen ohne dafür bestraft zu werden. Doch ist die Frage, ob das Gesagte jedes Einzelnen ein Produkt aus dessen Gedankengut ist, oder ob das, was er sagt, nicht nur eine Reflexion dessen ist, was er irgendwo gelesen oder gehört hat.
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang ist auch eine Art der Autorität, die noch immer über uns allen steht: Die öffentliche Meinung und der gesunde Menschenverstand. Sie helfen uns, auch wenn wir im Grunde tun und lassen können was wir wollen, uns dennoch an den Mitmenschen zu orientieren und zu versuchen, ihren Anforderungen gerecht zu werden.
Die Voraussetzung dieser Freiheit ist auf alle Fälle der Kapitalismus.
Während sich die Menschen früher, zum Beispiel in feudalistischen Systemen des Mittelalters, auf ihren Platz in der Gesellschaftsschicht konzentrieren konnten, muss sich heute jeder selbst darum kümmern, wie er an Geld gelangt.
Und wenn er dabei Schwierigkeiten hat, ist das allein sein Problem.
Im Kapitalismus wurde die wirtschaftliche Betätigung, der Erfolg und der materielle Gewinn Selbstzweck. Es wurde zum Schicksal des Menschen, dass er zum Gedeihen des Wirtschaftssystems betragen musste, dass er Kapital anhäufen musste, und dies nicht zum eigenen Glück oder Heil, sondern als Selbstzweck. Der Mensch wurde zu einem Zahnrad im riesigen Wirtschaftsapparat – zu einem wichtigen Zahnrad, falls er über viel Kapital verfügte, und zu einem unwichtigem wenn er kein Geld hatte-…
(Erich Fromm, 1941, BS 85.)
Dieses Zitat zeigt sehr gut, was Fromm damit gemeint hat.
Fromm weist auch darauf hin, dass der Mensch die Welt, die er einst geschaffen hat, nicht mehr zu kontrollieren vermag, sondern nur zu einem Werkzeug dieser Welt geworden ist. Wir sind dem, was wir einst mit unseren Händen schaffen konnten, nun weit entfernt. Wir haben die Kontrolle über diesen riesigen Apparat verloren und können nur noch versuchen, ihn zu manipulieren oder müssen uns ihm beugen.
Weiters hat das Erlangen der Freiheit zur Folge, dass wir den typisch menschlichen Charakter verlieren, und auch im Umgang mit anderen Menschen nicht natürlich sind. Zum Beispiel der Geschäftsmann und sein Kunde.
Der Kunde ist nicht mehr länger ein Mensch, dessen Wünsche der Geschäftsmann zu befriedigen versucht, der Kunde ist ein Ding, das manipuliert werden muss, um Profit machen zu können. Das englische Wort für Arbeitgeber (employer von to employ: verwenden, gebrauchen) zeigt genau dieses Problem.
Auch hat sich der Charakter des einfachen Handwerkers stark verändert. Er ist heute nicht mehr länger daran interessiert, etwas er herstellt, sondern nur, ob er sein investiertes Kapital gut eingesetzt hat.
Fluchtmechanismen
Eine Art, sich der Furcht vor dem einsam sein zu entziehen, ist die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder einem Führer zuzulassen. Sobald ein Mensch auftritt, dem alle anderen folgen wollen, erlangen sie wieder ihr Gemeinschaftsgefühl. Auch im Dritten Reich gaben unzählige Philosophen, Lehrer und andere Intellektuelle ihre lebenslangen Überzeugungen über Nacht auf, nur um an diesem Gemeinschaftsgefühl teilhaben zu können.
Fromm zeigt genau drei Fluchtmechanismen, denen man sich zuwenden kann.
a.) Flucht ins Autoritäre:
Wie bereits erwähnt ist eine Möglichkeit Macht und Stärke und vor allem Sicherheit zu erlangen die einem selbst fehlt, sich zu unterwerfen und dadurch seine eigene Freiheit sowie auch sein Selbst aufzugeben. Dieser Wunsch nach Unterwerfung ist sicherlich nicht immer einleuchtend, dennoch ist es eine der Maßnahmen, um der Einsamkeit und der Ohnmacht die einen „freien“ Menschen umgeben, zu entgehen. Dieser Weg wird gewählt, um aus der Angst ist das individuelle Selbst loszuwerden, das heißt die Last der Freiheit loszuwerden.
Doch der Wunsch nach Macht ist keineswegs ein Zeichen der Stärke, im Gegenteil, die Machtgier zeigt nur, dass man unfähig ist, selbst im Leben zu stehen, und da man selbst zu schwach ist, um dies zu meistern, versucht man, auf eine andere Weise an Macht zu gelangen.
b.) Flucht ins Destruktive:
Die Flucht ins Destruktive äußert sich dadurch, dass ich nicht versuche, mich zu unterwerfen, sondern, dass ich das, was mir Angst bereitet, versuche zu zerstören. Auch das ist ein Weg, um der angsteinflößenden Umwelt zu entgehen.
c.) Flucht ins Konformistische:
Der dritte Weg ist auch der, den die meisten Menschen wählen. Sie geben ihr Selbst auf, um nichts Besonders oder Seltenes zu sein. Sie gleichen sich völlig an, um nicht aufzufallen, und verhalten sich in ihrer Kultur so, wie es alle von ihnen erwarten. Dadurch verschwindet natürlich die Kluft zwischen dem Ich und der angsteinflößenden Welt.
Ein gutes Beispiel dafür gibt Fromm, als er eine Situation beschreibt, in der ein durchschnittlicher Zeitungsleser über ein politisches Thema befragt wird.
Er wird das gelesene so wiedergeben, wie er es verstanden und auch gelesen hat, und wird darauf bestehen, dass es sich dabei um seine eigene Meinung handle. Er wird meinen, das, was er soeben erzählt hätte, wäre ihm selbst entsprungen und es wäre seine Meinung.
Doch es ist schwer, sich heute davon zu distanzieren von dem, was man sich selbst überlegt hat, und dem, was man in irgendeinem Medium gelesen oder gehört hat oder durch verbale Erzählungen weitergegeben wurde. Diese Gedanken und Meinungen vermischen sich sozusagen im Kopf und bilden vielleicht eine ganz neue „eigene“ Meinung.
Fromm weist auch darauf hin, dass durch die Überflutung der Sinne durch die Medien der Bezug zur Realität verloren geht.
In der Wochenschau folgt auf Bilder torpedierender Schiffe eine Modeschau. Die Zeitungen räumen den läppischen Ideen und Essgewohnheiten einer Debütantin den gleichen Raum ein und berichten mit gleichem Ernst darüber wie über Ereignisse von wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedeutung. Aus all diesen Gründen, haben wir zu dem, was wir hören, keine echte Beziehung mehr. Wir regen uns nicht mehr darüber auf, unsere Gefühle und unser kritisches Urteilsvermögen werden beeinträchtigt, und wir werden gegen das, was in der Welt vorgeht immer gleichgültiger. Das Leben verliert im Namen der „Freiheit“ jede Struktur.
(Erich Fromm, 1941, BS 182.)
Weiters erkennt Fromm, dass sich der heutige Mensch immer mehr damit beschäftigt, Ziele zu verfolgen, die angeblich „seine“ Ziele sind.
Jedoch fürchtet er sich davor, sich seine eigenen Ziele zu setzten und selbst einmal die Initiative zu ergreifen. Er hat Angst, eben diese Verantwortung über sich selbst zu übernehmen, und verfolgt lieber Ziele einer größeren Sache als die eigenen.
Auch in diesem Buch gibt Fromm wieder klare Vorschläge, wie man, ohne zu zerstören, sich anzugleichen oder zu unterwerfen die Freiheit erreichen kann.
Der Mensch müsse die Gesellschaft in den Griff bekommen und den Wirtschaftsapparat in den Dienst des menschlichen Glücks stellen.
Nur wenn jeder Einzelne sich aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligt, kann er diese Einsamkeit und Ohnmacht überwinden, die so mancher fürchtet.
Quellenverzeichnis:
- Erich Fromm: Haben oder Sein 1976, dva
- Erich Fromm: Die Furcht vor der Freiheit 1941, dtv