Über den Autor:
Franz Kafka (* 3. Juli 1883 in Prag, damals Österreich-Ungarn; † 3. Juni 1924 in Kierling bei Klosterneuburg, Österreich) war ein deutschsprachiger Schriftsteller. Sein Hauptwerk bilden neben drei Romanen bzw. Romanfragmenten (Der Process, Das Schloß und Der Verschollene) zahlreiche Erzählungen sowie der Briefwechsel mit Felice Bauer und Milena Jesenská. Zum größeren Teil wurden Kafkas Werke erst nach seinem Tod und gegen seinen erklärten Willen von Max Brod, einem Schriftstellerkollegen und engen Freund, veröffentlicht. Sie übten bleibenden Einfluss auf die Weltliteratur des 20. Jahrhunderts aus.

Franz Kafkas Eltern Hermann Kafka und Julie Kafka, geborene Löwy entstammten jüdischen Familien. Der Vater kam aus dem Dorf Wosek im Bezirk Pisek in Südböhmen, wo er in einfachsten Verhältnissen aufwuchs. Von 1889 bis 1893 besuchte Kafka die „Deutsche Knabenschule“ am Fleischmarkt in Prag. Dann wechselte er, nach Wahl seines Vaters zwischen Realschule und Gymnasium, an das humanistische Staatsgymnasium in der Prager Altstadt. Auch an dieser Schule war die Unterrichtssprache Deutsch. Bereits in seiner Jugend beschäftigte sich Kafka mit Literatur. Sein umfangreiches Frühwerk ist jedoch verschollen, vermutlich hat er es selbst vernichtet, ebenso die frühen Tagebücher.

Kafka folgte weitestgehend den väterlichen Wünschen, was sein Studium betraf, das er von 1901 bis 1906 an der Karl-Ferdinands-Universität zu Prag absolvierte. Er begann zunächst mit Chemie, wechselte aber nach kurzer Zeit in die juristische Richtung; dann versuchte er es – mehr seinen Neigungen entsprechend – mit einem Semester Germanistik und Kunstgeschichte, erwog sogar die Fortsetzung in München – um dann im zweiten Anlauf doch beim Studium der Rechte zu bleiben.

Kafka hatte in seiner Jugend kein besonders gutes Verhältnis zu seinem Vater, da dieser ihn als Kind, als Jugendlichen und auch noch in Studienzeiten grob behandelte und unterdrückte, wie es sich für einen damaligen Patriarchen gehörte, und ihn seine Mutter ebenfalls wie einen Unterprivilegierten behandelte. Der junge Kafka fürchtete sich nicht unbedingt vor seinem Vater, aber er stand stets auf Distanz und in Hassliebe zu ihm. In vielen Werken Kafkas wird der Vater, das Familienoberhaupt, als sehr mächtig, stark und partiell auch als unterdrückend dargestellt.

Zusammenfassung:
Am Morgen seines dreißigsten Geburtstages findet Josef K. vollkommen unerwartet zwei Wächter in seiner Wohnung vor, die ihn für verhaftet erklären. Er kann weder herausfinden worin die Anklage besteht, noch wer der Ankläger ist. Die Wächter können ihm nur sagen, dass ein Gericht ihnen den Auftrag gegeben hat, ihn zu verhaften. K. wird jedoch nicht mitgenommen, sondern kann seinem geregelten Tagesablauf nachgehen. Es wird ihm aber mitgeteilt, dass er in nächster Zeit zu einer Untersuchung in seinem Fall erscheinen muss. Anfangs hält Josef K. die Angelegenheit noch für ein Missverständnis, das rasch aufgeklärt sein sollte, doch bald merkt er, dass es sich um kein gewöhnliches Gericht handelt, sondern einen vielschichtigen Komplex, der es nicht zulässt, dass der Angeklagte sich aus seiner Lage befreien kann. Und so muss sich K. durch ein Labyrinth aus Gerichtsdienern, Richtern und Advokaten schlagen, von denen aber kaum einer etwas zu seinem Freispruch betragen kann. Anfangs noch ein hoch angesehener Prokurist, wird Josef K. nach und nach hilfloser und verzweifelter und vernachlässigt seine Karriere um herauszufinden, was es mit seiner Anklage auf sich hat. Nach einem Jahr voller verwirrender Gespräche und der wachsenden Gewissheit, dass ein Freispruch unmöglich ist, erscheinen eines Abends zwei Männer, nehmen K. mit sich und exekutieren ihn in einem verlassenen Steinbruch.

Über den Charakter:
Josef K. ist ein selbstsicherer Mann, vollständig überzeugt von sich und bestärkt durch seine hohe Position in einer Bank, die er für unantastbar hält. Er ist allgemein hoch geschätzt und respektiert und fühlt sich in dieser Lage sichtlich erhaben. Er behandelt seine Mitmenschen nach ihrer Stellung, ist unfreundlich und manchmal sogar feindselig gegenüber Leuten einer niedrigeren sozialen Schicht.

K. lässt sich nicht durch Menschen einschüchtern, die nicht bewiesen haben, dass ihre Befugnisse größer sind als die seinen und zeigt selten Respekt, wie sich schon bei seiner Verhaftung zeigt: „K. starrte den Aufseher an. Schulmäßige Lehren bekam er hier von einem vielleicht jüngeren Menschen? Für seine Offenheit wurde er mit Rüge bestraft? Und über den Grund seiner Verhaftung und über deren Auftraggeber erfuhr er nichts?“.

Außerdem fühlt er sich anfangs noch vollständig sicher, er vertraut auf die Gerechtigkeit und verlässt sich auf den Staat, der nur das beste für seine Bürger will. Darum ist er bei seiner Verhaftung eher verwirrt als verängstigt: „Wovon sprachen sie? Welcher Behörde gehörten sie an? K. lebte doch in einem Rechtsstaat, überall herrschte Friede, alle Gesetze bestanden aufrecht, wer wagte ihn in seiner Wohnung zu überfallen? Er neigte stets dazu, alles möglichst leicht zu nehmen, das Schlimmste erst beim Eintritt des Schlimmsten zu glauben, keine Vorsorge für die Zukunft zu treffen, selbst wenn alles drohte“.

Doch dieses gefestigte Weltbild verändert sich im Laufe seines Prozesses und Josef K. verliert seine Sicherheit. Bald erkennt er die ernste Lage an und glaubt nicht mehr an einen Irrtum: „Die Verachtung, die er früher für den Prozeß gehabt hatte, galt nicht mehr. Wäre er allein in der Welt gewesen, hätte er den Prozeß leicht mißachten können, wenn es allerdings auch sicher war, daß dann der Prozeß überhaupt nicht entstanden wäre. Jetzt aber hatte ihn der Onkel schon zum Advokaten gezogen, Familienrücksichten sprachen mit, seine Stellung war nicht mehr vollständig unabhängig von dem Verlauf des Prozesses,…“. Josef K. merkt, dass der Prozess langsam sein berufliches, wie privates Leben einnimmt, glaubt aber dennoch an einen glücklichen Ausgang.

Nach einem Jahr Kämpfen um einen Freispruch, hat der übermächtige Feind K. eingültig gebrochen. Seine Selbstsicherheit ist verschwunden, genauso wie der Wunsch und die damit verbundene Hoffnung, noch freizukommen. Josef K. wird widerstandslos abgeführt: „Es war nichts Heldenhaftes, wenn er widerstand, wenn er jetzt den Herren Schwierigkeiten bereitete, wenn er jetzt in der Abwehr noch den letzten Schein des Lebens zu genießen versuchte.“

Interpretation und eigene Meinung:
Ich denke Kafka wollte mit „Der Prozeß“ auf die Missstände unseres modernen Systems hinweisen. Er wollte deutlich machen wie kalt ein Beamtenkomplex sein kann und wie wenig Chancen selbst ein eigentlich mächtiges Individuum haben kann. Meiner Meinung nach ist das Buch auch als eine Art Warnung vor einem großen, übermächtigen, unangreifbaren Feind zu verstehen, der erst durch die Masse an untergeordneten, unwissenden Helfern eine wirkliche Gefahr darstellt. Durch eine große Anzahl von Mitgliedern und den absolut undurchsichtigen Handlungsweisen, wird eine Person, die erst einmal im System zirkuliert, nie wieder freikommen. Damit greift Kafka in unsere heutige Zeit vor, in der sich die Lage diesbezüglich nur noch verschlimmert hat: Fingerabdruckscans, verfolgende Überwachungskameras und Satelliten, die Fotos von Menschen machen stellen eine moderne Art der von Kafka beschriebenen Bedrohung da: Ein riesiges Netzwerk mit unbekannten Drahtziehern, das ein einmal eingeschleustes Individuum, sei es auch grundlos darin verwickelt, nie wieder freilässt. Sogar die eigentlichen Täter sind gefangen, sie bekommen Anweisungen, deren Sinn und Herkunft sie nicht kennen und müssen sie ausführen.

Ich glaube hierzu ist ein Zitat aus dem Gleichnis mit dem Türhüter sehr passend:
Merke aber: Ich bin mächtig. Und ich bin nur der unterste Türhüter. Von Saal zu Saal stehen aber Türhüter, einer mächtiger als der andere. Schon den Anblick des dritten kann nicht einmal ich mehr vertragen.“ Ein hierarchisches System, welches auch seinen Mitarbeitern keinen Einblick lässt ist ohne Zweifel fast unbesiegbar und darauf wollte Kafka wohl aufmerksam machen.

Außerdem will Kafka auf die Vergänglichkeit und das wackelige Fundament einer hohen sozialen Stellung hinweisen und wie schnell jemand fallen kann. Ich denke, dass der Titel „Der Prozeß“ nicht nur auf Josef K.‘s Gerichtsverfahren hinweisen soll, sondern auch auf die Veränderung der Persönlichkeit von K. Gewissermaßen es ist also auch ein Prozess eines schwindenden Widerstandes, eines schwindenden Selbstbewusstseins und schlussendlich eines schwindenden Lebenswillens. Hierzu: „Soll ich nun zeigen, daß nicht einmal der einjährige Prozeß mich belehren konnte? Soll man mir nachsagen dürfen, daß ich am Anfang des Prozesses ihn beenden wollte und jetzt, an seinem Ende, ihn wieder beginnen will?“ Auch Josef K. hat oben genanntes erkannt und gibt sich der Undurchdringlichkeit des Systems geschlagen. Er lässt sich sogar belehren und will dies auch zeigen, indem er nun keinen Widerstand mehr leistet. Das Blatt hat sich mit dieser Aussage endgültig gewendet und K. erkennt seine Unterlegenheit an.

Probleme/Kernpunkte:
Ich denke der wichtigste „Charakter“ des Buches, nämlich das Gericht, stellt auch das Hauptproblem dar. Es ist dunkel und übermächtig, absolut undurchsichtig und nicht fassbar. Es setzt sich aus so vielen ahnungslosen Individuen zusammen, dass nie klare Aussagen getroffen werden können, sondern immer nur wage Andeutungen über die Prozesse möglich sind. Es gibt niemals klare Verurteilungen und Freisprüche, sondern immer nur Fälle mit geringerer oder höherer Aktualität. Alles zirkuliert immer wieder durch ein System von Beamten, die selbst nicht wissen wohin ihre Entscheidungen führen werden und auch keinen Überblick über die Vorgehensweise haben.

Vieles wird scheinbar nach Zufall von übermächtigen, niemals gesehenen Richtern entschieden, die nicht greifbar und nicht beeinflussbar sind. Der Angeklagte kennt weder seine Anklageschrift, noch den Verlauf des Prozesses und hat so keine Chance einzugreifen, wird aber auch gezwungen, ständig seine Aufmerksamkeit dem Fall zu widmen, da er sonst noch schlechtere Chancen auf einen guten Ausgang hat. Vieles läuft nur virtuell ab, der Angeklagte ist nur durch das Wissen verhaftet zu sein auch wirklich verhaftet, bekommt aber nie zu spüren wie es um ihn steht, hat immer nur eine Ahnung, die ihn quasi fesselt. Das Gericht ist allgegenwärtig und alle scheinen davon zu wissen, doch niemand weiß etwas genaues.

Bis zur Verzweiflung werden die Angeklagten im Dunkeln gelassen, immer wieder hoffnungsfroh durch einen kleinen Hinweis, der sich dann im Endeffekt aber nie als bedeutungsvoll herausstellt. Dadurch wird der Betroffenen langsam zermürbt, immer eine mögliche Verurteilung vor Augen. Doch es geht nie um die Verurteilung, sondern immer nur um die Angst davor. Die einzige Möglichkeit für den Angeklagten ist, nicht aufzugeben und nicht unter dem Druck zusammenzubrechen. Er kann nicht gewinnen, sondern nur möglichst lange nicht verlieren.

Zitate:
»Sie befinden sich in einem großen Irrtum«, sagte er. »Diese Herren hier und ich sind für ihre Angelegenheit vollständig nebensächlich, ja wir wissen sogar von ihr fast gar nichts. (…) Ich kann Ihnen auch durchaus nicht sagen, daß sie angeklagt sind oder vielmehr, ich weiß nicht, ob Sie es sind. Sie sind verhaftet, das ist richtig, mehr weiß ich nicht.“ S.17
Dieses Zitat zeigt sehr deutlich das Wesen das Gerichtes: Die unteren Beamten erfahren fast gar nichts, führen nur Befehle aus, ohne das Wissen warum sie dies tun. Sie sind fast so ahnungslos wie der Angeklagte, haben aber eine Verpflichtung gegenüber dem großen Ganzen, welches für niemanden greifbar ist.

»Ihre Frage, Herr Untersuchungsrichter, ob ich Zimmermaler bin – vielmehr, Sie haben gar nicht gefragt, sondern es mir auf den Kopf zugesagt –, ist bezeichnend für die ganze Art des Verfahrens, das gegen mich geführt wird. Sie können einwenden, daß es ja überhaupt kein Verfahren ist, Sie haben sehr recht, denn es ist ja nur ein Verfahren, wenn ich es als solches anerkenne. Aber ich erkenne es also für den Augenblick jetzt an, aus Mitleid gewissermaßen.“ S.46
Hiermit wird deutlich gemacht, wie überlegen K. sich noch zu Beginn des Buches fühlt. Er redet allein gegen einen ganzen Gerichtssaal an, ist wütend und vollständig von seiner Unschuld und der Unfähigkeit des Gerichtes überzeugt. Josef K. zeigt keinerlei Respekt und zieht das Verfahren ins Lächerliche, indem er es, wie er sagt, „aus Mitleid anerkennt“.

»Sie glauben wohl nicht, daß ich angeklagt bin?« fragte K. »O bitte, gewiß«, sagte der Mann, und trat ein wenig zur Seite, aber in der Antwort war nicht Glaube, sondern nur Angst. »Sie glauben mir also nicht?« fragte K. und faßte ihn, unbewußt durch das demütige Wesen des Mannes aufgefordert, beim Arm, als wolle er ihn zum Glauben zwingen.“ S.70
Auch diese Situation zeigt, wie selbstsicher und erhaben sich Josef K. noch zu Anfang des Prozesses fühlt. Er demütigt und nötigt einen schon länger angeklagten Mann, kann gar nicht verstehen warum dieser so eingeschüchtert ist und wird aggressiv und sogar handgreiflich. Doch später im Buch zeigt sich bei K. das gleiche Verhalten, auch er ist verstört und ängstlich in Anbetracht der großen Macht des Gerichtes.

„Er hatte es verstanden, sich in der Bank in verhältnismäßig kurzer Zeit zu seiner hohen Stellung emporzuarbeiten und sich, von allen anerkannt, in dieser Stellung zu erhalten, er mußte jetzt nur diese Fähigkeiten, die ihm das ermöglicht hatten, ein wenig dem Prozeß zuwenden, und es war kein Zweifel, daß es gut ausgehen müßte.“ S.132
Hier ist sich K. seiner Sache noch relativ sicher und tröstet sich mit dem Gedanken an seine beruflichen Fähigkeiten. Doch ihm ist schon klar, dass er seine Kräfte im Prozess einsetzen werden muss, längst schon hat er erkannt, dass es sich hier nicht um eine unbedeutende Nebensächlichkeit handelt.

»Ja«, sagte der Maler, »ich mußte es über Auftrag so malen, es ist eigentlich die Gerechtigkeit und die Siegesgöttin in einem.« »Das ist keine gute Verbindung«, sagte K. lächelnd, »die Gerechtigkeit muß ruhen, sonst schwankt die Waage, und es ist kein gerechtes Urteil möglich.«“ S.152
Damit zeigt Kafka in einer sehr schönen, gut verpackten Metapher, einen Missstand des Gerichtes auf, nämlich dass es bei den Verfahren nicht um die Gerechtigkeit, sondern vielmehr um einen Sieg gegen den Angeklagten geht. K. begreift dies zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz, doch der Maler gibt ihm hiermit einen Hinweis.

Persönlicher Kommentar:
Ich wollte schon immer einmal einen Kafka lesen, mich hat vor allem die oft erwähnte „dunkle Atmosphäre“ gereizt. Außerdem habe ich in Jonathan Franzen‘s Buch „The Discomfort Zone“ eine kurze Interpretation eines Kapitels aus „Der Prozeß“ gelesen, die ich sehr interessant fand. Und es stimmt: Durch das gesamte Buch zieht sich eine düstere Atmosphäre, ein unangenehmes Gefühl, das beim Lesen die ganze Zeit bestehen bleibt und den Leser ein wenig quält. Auch die Hoffnungs- und Auswegslosigkeit kann man Josef K. nur zu gut nachfühlen und so ist „Der Prozeß“ insgesamt kein heiteres Lesevergnügen. Andererseits besticht Kafka‘s unglaubliche Scharfsinnigkeit und seine Fähigkeit die Dinge für den Leser absolut nachvollziehbar darzulegen, auch wenn dies manchmal fast halbseitige Sätze zur Folge hat, die einem mit über zehn Beistrichen einiges zu Kauen geben. Hat man sich aber einmal durch einen solchen Satz gearbeitet entschädigt einen die vollste Klarheit über K.‘s Gefühlszustände und Gedankengänge vollkommen.

Schwierig sind auch manchmal die sehr detailreichen Beschreibungen von Szenen oder Situationen zu verdauen, die man manchmal zweimal lesen muss, um zu verstehen, wie genau jetzt wer sich wo befindet und was er tut. Aber auch hier freut man sich über die Genauigkeit Kafka‘s, auch wenn die Szenen manchmal etwas seltsam anmuten, aber immerhin spielt die Geschichte vor fast hundert Jahren und ist dafür überraschend zeitgemäß und modern.

„Der Prozeß“ besteht, wie der Titel schon sagt, im Grunde aus der Entwicklung einer Person, die durch ein scheinbar übermächtiges System in die Knie gezwungen und schließlich getötet wird. Auf geradezu geniale Weise verläuft diese Veränderung aber so sanft und fein abgestuft, dass man erst erstaunt darüber ist, wenn man den Josef K. vom Anfang mit dem vom Ende vergleicht, denn während des Lesens entwickelt der Leser sich quasi mit K. und die Veränderung bleibt unbemerkt. Meisterhaft ist auch die immer größer und mächtiger scheinende Verstrickung des Gerichts, anfangs hält man es noch für eine kleine Organisation, die dann aber ihre wahre Ausbreitung immer mehr entfaltet und schließlich fast alle Personen, die mit K. zu tun haben, umschließt. Auch hier wächst der Leser mit der Geschichte, und mit der Geschichte wächst auch die Verzweiflung und die Hilflosigkeit, sowohl bei K. als auch beim Leser.

Kurz vor dem Ende hält man eine würdiges Auflösung gar nicht mehr für möglich, zu viel ist geschehen, zu viele Beziehungen hat K. geknüpft und wieder aufgelöst, zu viele Informationen wurden eröffnet und dann widerlegt. Doch das Gleichnis vom Türhüter, dass der Gerichtskaplan K. im Dom näher bringt, überlässt dem Leser schließlich die Eigeninterpretation des Gerichtswesens, gibt ihm aber genug Material um für sich selbst eine plausible Erklärung für das Verhalten des Systems zu finden. Somit ist dann der Akt der Exekution nur noch Formsache für den Leser, der einzig mögliche Ausweg. Man bleibt mit der Erkenntnis zurück, dass man selbst so intelligent und mächtig sein kann wie man will, wenn der Feind einem unbekannt bleibt, kann man nicht gewinnen.

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