Das Buch "Das Salz der Erde" von Joseph Wittlin, ist nicht vergleichbar mit anderen Büchern über den Krieg. Es ist nicht eins von den "make peace – not war" -Bücher, es ist ein Buch, welches nicht gegen, und auch nicht für den Krieg ist. Es erzählt vom Anfang eines Krieges – des Ersten Weltkriegs.
Es erzählt von der Angst, eines Peter Niewiadomski, ein junger Mann aus dem Huzulenland, im Osten Polens, der zu den Waffen des österreichischen k.u k. Heeres greifen muß.
In jedem anderen Buch, dass ich kenne, würde, wenn das Buch gut ausgeht, dieser Herr Niewiadomski vom Krieg mit Medaillen beladen, nach hause zurück kehren, und eine schöne Frau heiraten, natürlich, nachdem der Kaiser ihn zu seinem Thronfolger machen will, und er dies dankend ablehnt. Und wenn eines dieser Bücher schlecht ausgehen sollte, dann beschert der Autor des Buches diesem Peter Niewiadomski einen überaus heroischen Tod, mit anschließendem Begräbnis, wo selbstverständlich zahlreiche schöne Frauen, so wie der Kaiser selbst anwesend sind, und dieser in Trauer verkündet, wie gern er diesen Niewiadomski als Thronfolger gehabt hätte!
Doch nicht in "Das Salz der Erde". Hier taucht der Mann aus dem Huzulenland nicht in Schlachten unter, hört keine Kugeln über seinen Kopf fliegen, und schleppt auch keine Verwundeten oder sowieso schon Tote aus dem morastigen Schützengraben.
Für ihn beginnt der Krieg erst! Er wird eingekleidet, bekommt eine Nummer, und wird "namenlos", er wird ein Teil des Österreich-Ungarischen K. und K. "Kaders".
Man könnte sage, dass hier im Anfang schon das Ende steckt, denn die Verwüstung, und die "brutale", und allgegenwärtige Anonymität des Krieges, wird hier sehr deutlich und eindringlich geschildert.
Gerade diese Anonymität, die Verlassenheit des Peter Niewiadomski spürt man hier sehr eindrucksvoll.
Das Buch hätte eine tolle "Legende", oder eine Saga vom Unterdrückten und vom einfachen Mann werden können. Ist sie aber nicht, sie ist die Geschichte von Peter Niewiadomski.
Peter Niewiadomski ist ein armseliger Bahnarbeiter, und, wie so viele Huzulen damals: Analphabet.
Er nimmt das, was ihm gegeben wird, und ist glücklich damit. Seine Pläne, seine Hoffnungen, und seine Eindrücke von der Welt, reichen kaum bis zur nächsten Eisenbahnstation. Er hat nur drei Freuden: den Schnaps, die "Weiber" und seine Ruhe.
So bald jetzt diese Bedrohung, dieser Krieg kommt, wird Niewiadomski noch kleiner, und noch hilfloser.
Die Perspektive Niewiadomskis wird im ganzen Buch beibehalten. Dieser Blick von unten, der "Froschperspektive", der aber nie eingeschüchtert ist, der wenig begreift, aber der lernt, dank seinen Erfahrungen in dieser sterbenden Welt zurecht zu kommen.
Durch seine Fehlinterpretationen, und durch seine Einfachheit, wirkt das Buch sogar stellenweise lustig. Er bringt zum Beispiel alles was er nicht versteht mit dem Teufel in Verbindung. Und alles was er im Dienste der Bahn, bzw im Dienste des Militärs leistet, leistet er für den Kaiser.
Das ist dann so, das, wenn man ließt, sich gut einen Trauermarsch vorstellen kann, in dem dann immer eine "zümpftige" bäuerliche Musik mitklingt.
Peter Niewiadomski liebt den Kaiser. Er ist stolz eine Uniform zu tragen, oder nur das "Bahn-Kapperl" aufsetzen zu dürfen, auf dem der allgegenwärtige, doppelköpfige Vogel, der Adler mit den drei Kronen, der mit seinen Klauen den goldenen Apfel und das blanke Schwert umklammert, aufgemacht ist.
Niewiadomski kann kein Anführer sein. Er macht mit. Er beugt sich jeglichem Befehl, weil er an Befehle gewöhnt ist. Er ist absolut kein Revolutionär, sondern einer, der den einfachsten Sache traut, und der gelernt hat mit diesen einfachen Sachen umzugehen, und mit deren Hilfe das Leben zu meistern.
Joseph Wittlin hat, wie schon am Umschlag des Buchs ersichtlich einen wirklich großen Roman geschrieben.
Er beschreibt, wie gesagt, die ersten Wochen des Ersten Weltkriegs, und wie sich dessen Nachricht von Wien aus, in die fernsten Winkel der k. u. k. Monarchie ausbreitet.
Das Buch beginnt mit dem Prolog, der von der Unterzeichnung der Kriegserklärung Kaiser Franz Josephs handelt, und endet, mit Peter Niewiadomskis Ausbildung für den Krieg.
<Ihr seid das Salz der Erde. Wo nun das Salz dumm wird, womit soll man salzen? Es ist nichts hinfort nütze, denn daß man es hinaus schütte, und lasse es die Leute zertreten.>
(Evang. Matthäi V. 13. und Eröffnungsatz des Buches)
Anmerkung:
Es ist wirklich ein tolles Buch, ohne irgendeine wortgewaltige Anklage gegen den Krieg. Der obige Satz, der auf der erste Seite des Buches zu finden ist, beschreibt meiner Meinung nach genau die Thematik um die es in diesem Buch geht.
Ich hab den Satz anfänglich nicht gelesen, als ich aber fertig war, entdeckte ich ihn, so verstand ich dann auch den Sinn des Titels, der ja sicherlich nicht gleich jedem bewußt wird. Man liest das Buch auch mit anderen Augen und begreift warum der Autor gerade dieses Zitat gewählt hat.
Ich muß aber auch zugeben, dass der Stil, in welchem das Buch geschrieben wurde, gewöhnungsbedürftig ist, und teilweise auch ermüdend.
Nimmt man dies allerdings in Kauf, wird man mit einem Ende belohnt, welches, ganz im Stil des gesamten Buches, ungewöhnlich, und absolut konträr zu jedem anderen Kriegsroman gehalten ist, den ich gelesen habe. Das ist es aber was dieses Buch so besonders macht.