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„Der Report der Magd“ von Margaret Atwood handelt von einem fiktiven totalitären Staat in nicht allzu ferner Zukunft. Die Hauptfigur Desfred hat die Aufgabe der Magd, sie wurde einem Kommandanten zugeteilt und muss ihm einmal im Monat zu Diensten sein, damit sie von ihm schwanger wird. Dies ist nötig um die Bevölkerungsanzahl aufrecht zu erhalten, denn die Bevölkerung stirbt langsam aus und die Geburtenrate sinkt stetig. Das System ist durchdacht, vollkommen klar und eiskalt.
 
Die meisten Frauen haben keinerlei Rechte, fast jede von ihnen hat ihre Aufgabe zu erfüllen, nicht mehr und nicht weniger. Es gibt einerseits die Mägde, jüngere, noch geburtsfähige Frauen; Tanten, die eben diese ausbilden und andererseits die Ehefrauen der Kommandanten, die nur auf die Schwangerschaft ihrer Magd warten um dann „ihr“ Kind entgegennehmen zu können. Alte, schwache und geburtsunfähige „Unfrauen“ werden in Kolonien verbannt, wo sie giftigen Müll wegräumen und dort früher oder später jämmerlich zu Grunde gehen. Das Buch ist, wie der Titel schon sagt, der Report beziehungsweise die Geschichte einer Magd aus jener Zeit, man erlebt die Erzählung durch ihre Augen und erfährt somit auch vieles über ihre Vergangenheit, ihre Träume und Hoffnungen.
 
Die Geschichte beginnt mit einer, wie man im nächsten Kapitel erfährt, Erinnerung Desfreds an ihre Ausbildungszeit im „Roten Zentrum“. Solche Bruchstücke aus ihrer Vergangenheit ziehen sich durch das gesamte Buch unterbrechen die Erzählung aus dem Haus, in dem sie jetzt lebt. Ihre Erinnerungen schildert sie in Vergangenheitsform, das Hier und Jetzt im Haus des Kommandanten, in dem sie lebt, wird in der Gegenwart erzählt. Durch diese beiden Seiten bekommt die Erzählung eine neue Dimension, die sie so wirken lässt, als hätte wäre sie tatsächlich von einer Frau in einer solchen Situation verfasst worden.
 
Es werden unglaublich viele Details beschrieben, welche dann auch wieder mit Erinnerungen an die bessere Vergangenheit verknüpft werden. Oft entgleitet das klare, strukturierte Beschreiben eines Raumes oder einer Situation in lyrische abgehackte Sätze oder rhetorische Fragen, die das flüssige Lesen erschweren und einen oft anhalten und die letzte Phrase eines Absatzes noch einmal lesen lassen, um den Gedankensprüngen und Gefühlswandlungen folgen zu können.
 
Die „Heldin“ des Romans ist mit Sicherheit keine typische, eigentlich ist sie überhaupt keine Heldin. Sie wehrt sich nicht gegen das System, oder zumindest hat sie es bereits aufgegeben, sich dagegen zu wehren, und fügt sich still und unauffällig in die Maschinerie des Alltags ein. Ihr größtes Ziel ist es, schwanger zu werden, es ist das Ziel aller Mägde, denn eine Schwangerschaft bedeutet bessere Zeiten für sie. Das Einzige, was sie in meinen Augen zu etwas Besonderem macht, sind ihre außergewöhnlichen Gedanken, Ideen und Beschreibungen.
 
Sie sind voller unterdrückter Gefühle und traurigen Erinnerungen, aber doch stets mit einem Funken Hoffnung auf bessere Tage. Vor allem die schon angesprochenen Details, die beschrieben werden und die damit zusammenhängenden Erkenntnisse und Einfälle voller Metaphern Desfreds sind faszinierend, obwohl sie doch manchmal sehr kitschig und übertrieben klingen. Oft wirken Sätze oder ganze Absätze wie kryptische Gedicht, voller Melancholie eines leidenden Menschen, aber doch realistisch genug, um von einer verzweifelten, nachdenklichen und intelligenten Frau verfasst worden zu sein.
 
Schnell beginnt man mehr über die Welt, in der Desfred jetzt lebt und die Umstände die sie zur Magd machten, zu erfahren. Man lernt die Personen kennen, mit denen Desfred unmittelbar zu tun hat, Serena Joy, die Ehefrau des Kommandanten, von der sie abgrundtief gehasst wird; Cora und Rita, die beiden „Marthas“ des Hauses; Nick, ein Wächter des Hauses und natürlich der Kommandant. Schnell wird man sich der unwirklichen Kälte bewusst die in dieser neuen Welt herrscht, beziehungsweise herrschen muss. Desfred wechselt nur die allernötigsten Worte mit den Menschen aus ihrer Umgebung, freundschaftliche Beziehungen dürfen nicht entstehen. Ihre täglich Routine besteht aus einer Einkaufstour mit einer zweiten Magd, mit der sie auch nur in einem sehr begrenzten Rahmen kommunizieren darf. Es darf nichts verdächtig wirken, denn überall könnten sich so genannte „Augen“ aufhalten, vom Staat engagierte Spione, die darauf achten, dass sich jeder nach den Wünschen der Kommandanten verhält.
 
Mit jedem neuen Kapitel werden dem Leser neue Puzzle-Teile aus der Gegenwart oder Vergangenheit Desfreds vorgeworfen. Die Regeln, Abläufe und Rituale in dieser neuen Welt werden nach und nach aufgedeckt, in jedem Kapitel wird mehr über „Errettungen“, „Tanten“ und die täglichen Zeremonien im Leben einer Magd offenbart. Dies ist einiges zu verdauen, es wird einem praktisch auf 200 Seiten die Welt erklärt, viele Begriffe, Prozesse und Dinge, auf die man achten soll und muss werden eröffnet und Desfreds Situation immer klarer.
 
Das Bild der Welt, in der Desfred lebt ist auf den ersten Blick unmenschlich, unrealistisch und vollkommen gegen jedes Ideal, das heutzutage verfolgt wird. Doch auf den zweiten und dritten und auch vierten Blick wird einem klar, dass jegliche Formen dieser Unterdrückung und gewaltsamen Umerziehung schon einmal da gewesen sind. Blickt man auf unsere Geschichte zurück, erlebt man immer wieder Déjà-vus und bald hält man diese Vision der Zukunft für gar nicht mehr so unvorstellbar. Wenn man an den Nationalsozialismus, an die Unterdrückung der Frauen in China und an die diktatorischen Regime der letzten Jahrhunderte denkt, erscheint Magaret Atwoods Utopie schnell gar nicht mehr so „utopisch“ sondern als eine Vision eines möglichen zukünftigen Staates, der in 30 Jahren vielleicht einmal existieren könnte.
 
Das Thema der „Universal-Entschuldigung“ Religion kommt auch zur Sprache, genauso wie Krishna-mäßige Parolen, „Symbolkult“ und strenge Farbvorschriften. Auch an Filme beziehungsweise Bücher, die dieses Thema bearbeiten, erinnert „Der Report der Magd“, wie zum Beispiel „Matrix“, „Equilibrium“, „1984“ oder „Fahrenheit 451“, doch eröffnet es durch den direkten Einblick in Desfreds Gedankenwelt einen völlig neuen Zugang zu dem Thema „Neue Welt“.
 
Je weiter man liest, desto vollständiger wird dieses Bild der neuen, beängstigenden zukünftigen Zivilisation. Man bekommt die Bruchstücke nur häppchenweise serviert, außerdem werden sie mit vielen Details ausgeschmückt und oft von Desfreds Gedanken unterbrochen, dass man trotz der Dicke des Buches die ganze Zeit gespannt auf das Gesamtbild wartet und auf mehr Beschreibungen, Erklärungen und neuen Wendungen hofft. Oft fallen auch dem Leser vollkommen unbekannte Begriffe oder Wörter, die dann erst später zur Gänze erklärt werden und einem so das Gefühl geben, dass diese für Desfred mittlerweile so selbstverständlich geworden sind, dass sie keiner weiteren Erklärung bedürfen. Durch diese Erzählweise ist das Buch zwar kein „Pageturner“, lässt einen aber doch oft gebannt weiterlesen, um mehr zu erfahren. Dadurch fühlt man sich oft in die gleiche Situation hineinversetzt wie Desfred, auch sie bekommt kaum Informationen, dürstet aber nach Nachrichten aller Art, ständig auf der Suche nach ihrem Mann oder ihrer Tochter.
 
Auch über Desfreds Vergangenheit wird nur bruchstückhaft und nicht chronologisch berichtet. Manchmal erinnert sie sich an ihre Ausbildungszeit, andere Male erzählt sie die Geschichte ihrer Freundin Moira und oft denkt sie an ihren Mann und ihre Tochter zurück, an die Zeit, in der sich alles veränderte und schließlich über den missglückten Fluchtversuch über die Grenze. Genauso wie die knapp gehaltenen Details über Desfreds jetzige Situation wird der Leser immer neugieriger auf neue „Wendungen“ und Verknüpfungen aus ihrer Vergangenheit und möchte endlich das gesamte Bild kennen und wissen, wie es schlussendlich dazu kam, dass Desfred jetzt im Haus des Kommandanten „gefangen“ ist.
 
Margaret Atwood verknüpft dadurch viele Episoden geschickt zu der Geschichte einer einzigen Frau und lässt einen die melancholische Nachdenklichkeit von Desfred verstehen. Es ergeht dem Leser genauso wie ihr, man wird nur durch ihre Erinnerungen und Gedanken am Leben erhalten, sie sind eine Flucht aus einem tristen Alltag ohne Ereignisse und Wärme. Die Erzählungen und Beschreibungen Desfreds wirken wie eine Verarbeitung ihrer Verzweiflung, die aber zu keinem Ziel führen, und man beginnt sich selbst wie in einer ausweglosen Situation zu fühlen ohne Aussicht auf bessere Tage oder erfreuliche Ereignisse.
 
Die einzige Hoffnung ihrem grauenvollen Alltag zu entfliehen, ist Desfreds Einkaufs-Begleiterin Desglen. Sie berichtet ihr von einem Zusammenschluss revoltierender Mägde, eine Vereinigung, die gegen das System arbeitet und eine Gegenbewegung zum Machtapparat von Gilead bildet. Es ist ein Netz von Informationen und Informanden und Desglen macht ihr Hoffnungen auf eine Flucht. Im Flüsterton und ohne sie anzusehen erzählt ihr Desglen auf ihren Einkaufstouren von aktuellen Ereignissen und überbringt ihr Nachrichten, lässt sie am Netzwerk teilhaben, aber auf mehr als nur Worte wartet Desfred vergeblich. Sie wagt es kaum mehr zu hoffen und lebt ihr tristes, lineares Leben weiter, in Gedanken an bessere Tage versunken.
Doch nach Mitte kommt völlig überraschend eine, neue interessante Wendung in die stumpfe und hoffnungslose Geschichte der Gegenwart. Desfred bekommt den Befehl, beziehungsweise die Einladung, sich privat mit dem Kommandanten treffen, den sie sonst eigentlich nur bei ihrem monatlichen Ritual zu Gesicht bekommt.
 
Er lädt sie in sein Büro ein, normalerweise ein Raum, in dem sich Desfred unter keinen Umständen aufhalten darf und eröffnet ihr, dass er mit ihr Scrabble spielen möchte, auch strengstens verboten für sie, die weder lesen, schreiben, noch in irgendeiner Form damit zu tun haben darf. Doch der Kommandant führt sie in die Welt der jetzt verbotenen Dinge ein, er besitzt alte Frauenzeitschriften und schenkt Desfred Dinge wie Handcreme und sogar freizügig Kleidung. An besagten Abenden spielen sie immer zwei Partien Scrabble und unterhalten sich danach, ein Ritual, das im Laufe der Zeit immer routinemäßiger wird. Der Kommandant verlangt von ihr etwas „Normalität“ in seinen Alltag zu bringen, vielleicht auch einfach nur etwas Spaß und Wärme, Dinge, die ihm seine Frau nicht geben kann und darf. Die Sache muss streng geheim bleiben und birgt ein enormes Risiko, und doch finden diese Abende mehrmals die Woche statt und stellen ein spannendes Ereignis für beide da. Weder hat er die Möglichkeit mit anderen Frauen reden, noch hat sie das Recht zu Männern Kontakt zu haben, geschweige denn zu einem Kommandanten.
 
Desfred weiß, dass er in gewissen Weise von ihr abhängig ist und versucht Schwächen in dem Mann zu finden, der mitunter Schuld an der Hölle ist, in die sie im Augenblick lebt. Ihre ständige Unsicherheit darüber, was der Kommandant eigentlich von ihr will und ob es nicht vielleicht doch eine Haken gibt, lassen sie immer wieder wirre Gedanken spinnen, manchmal kühl durchdacht, manchmal sprunghaft und häufig mit der Vergangenheit verknüpft. Eine merkwürdig Beziehung entsteht zwischen den beiden, basierend auf einem Macht- und Abhängigkeitsspiel, das in einem Abend gipfelt, an dem der Kommandant Desfred zu einer Art geheimem Bordell für Führungspersönlichkeiten „ausführt“. Dort trifft sie auch ihre verschollen geglaubte Freundin Moira wieder und der Leser bekommt eine weitere Verbindung zu einer von Desfreds Geschichten geliefert.
 
Kurz danach ergibt sich eine zweite überraschende Veränderung in Desfreds bis dahin höchst einseitigem Alltagsleben. Die Ehefrau Serena organisiert für Desfred ein Treffen mit Nick, dem Wächter des Hauses, damit sie versucht von ihm schwanger zu werden. Auch Serena scheint einen starken Wunsch zu haben, den ihr Ehepartner ihr nicht erfüllen kann und wieder muss Desfred dafür „hinhalten“. Auch mit Nick trifft Desfred sich öfter und genießt es sogar, hofft sie doch nur noch einmal ein Gefühl von Liebe zu erfahren.
Als Desfred von dem Tod Desglens erzählt wird, kann sie eine weitere Hoffnung auf Freiheit begraben, da sie nun keine Kontaktperson mehr zum Netzwerk besitzt. Kurz darauf erfährt Serena von den abendlichen Treffen mit dem Kommandanten und Desfred weiß, dass es nun zu Ende ist. Am selben Abend noch fährt ein schwarzer Wagen vor und Desfred sieht ihr Ende nahen. Doch einer der Männer, die sie abholen, ist Nick.
 
Er beschwichtigt Desfred und bittet sie, ihm zu vertrauen und mit ihnen zu gehen. Also steigt Desfred in den Wagen und fährt in ein neues Leben.
Hier endet die Geschichte. Es ist weder klar, ob es ein besseres Leben für Desfred sein wird, noch erfährt man etwas von den Hintergründen dieser „Rettungs-Aktion“, man kann nur Vermutungen anstellen. Doch der Leser wird nicht mit seiner Fantasie alleingelassen: Die letzten 20 Seiten des Buches sind „Historischen Anmerkungen zum Report der Magd“ gewidmet. Es handelt sich hierbei um einen fiktiven Vortrag auf einer Universität im Jahre 2195, in dem der Fund von dreißig Tonbandkassetten behandelt wird, die von einer Frau aufgenommen wurden, die in der Zeit des Gilead-Regimes lebte. „Der Report des Magd“ wird einem als wissenschaftlicher Fund präsentiert, der mühsam rekonstruiert und aufgeschrieben wurde, eine Art Zeitzeugnis in Buchform. Während der Professor vorträgt, erfährt man einiges über die Hintergründe und die historischen Ereignisse aus der Zeit in der Desfred lebte. Dadurch wird vieles aufgefüllt, das während dem Lesen unvollständig war, vor allem die Wissenslücken Desfreds über die unmittelbaren Beweggründe für die Staatsgründung und die weiteren Taten des Regimes.
 
Im Grunde genommen ist dieser Vortrag genau das, worauf man während des Lesen die ganze Zeit gebannt gewartet hat, eine Aufklärung der Dinge, ein Gesamtbild von Desfreds Welt. Es werden einige undeutliche Vermutungen angestellt, wie es mit Desfred nach der Abholung weiterging, klar ist nur, dass sie gerettet wurde. Es ist von einer Untergrund-Frauenstraße die Rede, doch niemand weiß genau, wie es ihr nach ihrer Rettung erging. Interessant sind auch neue Fakten über die Tanten und Kommandanten und die Theorien über die Personen, die in Desfreds Erzählung vorkommen. Auf jeden Fall bildet dieser fiktive, aber doch sehr realistisch wirkende Vortrag einen würdigen Abschluss für dieses außergewöhnliche Buch.
 
„Der Report der Magd“ bietet unglaublich viele Aspekte, trotz der Beschreibung eines kühlen, geregelten und überraschungsfreien Alltags. Es enthält viel Stoff zum Nachdenken, viele Gefühlsbeschreibungen einer unterdrückten Frau und komplizierte philosophische Gedankengänge, welche es zu keiner leichten Lektüre machen. Man beginnt seine Freiheit zu schätzen und wird sich vielem bewusst, das sonst so selbstverständlich erscheint. Meiner Meinung nach ist „Der Report der Magd“ eine höchst durchdachte und vernünftig dargestellte Vision einer Zukunft, die gar nicht so unmöglich und unvorstellbar ist. In Mitten der Beschreibungen dieser trostlosen Idealbildes, sitzt die Magd Desfred und sinnt über ihr Leben nach, sowohl über ihr vergangenes, als auch über ihr jetziges. Durch diese vielschichtigen Überlegungen und Erinnerungen bekommt die „neue Welt“ eine menschliche Komponente, ein Zeugnis, dass auch im kältesten System das Individuum noch existiert und leidet.
 
Sie machen das Buch zu mehr als nur einer Abhandlung einer neuen fiktiven Staatsform, es ist eine Geschichte voller begrabener Hoffnungen und unterdrückten Träumen, eine Erzählung einer Frau, die nur noch ihre Gedanken hat. Das Buch zeigt auf, wie gefühlskalt eine „perfekte“ Welt sein würde und dass ein Mensch niemals ohne Wärme und Liebe überleben könnte. Es ist eine höchst realistisch wirkende Niederschrift von Gedanken einer Frau, die nur noch in ihrem Kopf lebt, die ihre einzige Freude in dem Beschreiben und Überdenken von vergangenen und gegenwärtigen Dingen findet und nur in dieser Gedankenwelt noch ein Mensch ist. Es ist wahrlich der Report einer Magd.

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