„Die Wand“ ist ein Roman, der als Bericht einer Frau geschrieben wurde, die Opfer eines unerklärlichen Vorfalls wurde. Sie wacht eines Morgens in einer Hütte in den Bergen Österreichs auf, in die sie als Gast eingeladen war und findet sich eingeschlossen von einer unüberwindbaren, scheinbar gläsernen Wand, hinter der offenbar keine Menschheit mehr existiert. Sie ist, abgesehen von ein paar Tieren, ganz allein in ihrem unsichtbaren Gefängnis und hat nur Zugang zum nächsten Tal und einer höher gelegenen Alm, alles andere befindet sich hinter der Wand. Niemand kommt, um sie zu retten und die Menschen, die sie durch die Wand sehen kann, sind alle tot. Doch die namenlose Heldin beschließt ihr Leben weiter zu leben und beginnt sich mithilfe eines Hundes, einer Kuh und einer Katze ein eigenes kleines Ökosystem aufzubauen.
 
Die Geschichte beginnt mit einer kurzen Beschreibung der Umstände, unter denen die Frau in diese Hütte kam. Sie wurde von ihrer Cousine und deren Mann zu der Hütte eingeladen, um mit ihnen zu jagen. Am Vorabend der Jagd gehen alle zusammen noch einmal in die Stadt, doch bald wird die Protagonistin müde und kehrt allein zu der Hütte zurück. Sofort schläft sie ein. Am nächsten Tag ist die Verwunderung groß, warum sie noch immer allein in der Hütte ist, ihre Cousine und deren Mann hätten schon längst wieder zurück sein sollen. Sie beschließt in die Stadt zu gehen, um nachzusehen, ob die beiden im Wirtshaus übernachtet haben, doch bald trifft sie den verzweifelten Hund des Jägers, der sie zu der Wand führt. Fassungslos über die unsichtbare Barriere, die den Weg zur Hauptstraße versperrt, beschließt sie zunächst auf die Rettung zu warten. Doch niemand kommt…
 
Überraschend schnell kommt sie zu der Erkenntnis, dass die Wand unüberwindlich ist. Mit dem Hund des Jägers namens Luchs, den sie von Minute zu Minute besser leiden kann, kehrt sie zu der Hütte zurück. Auf dem Weg treffen sie auf eine einsame Kuh, die dringend gemolken werden muss, und da die Protagonistin aus ihrer Kindheit ein bisschen Erfahrung besitzt, erleichtert sie das Tier und beschließt bereits vorahnend, es mitzunehmen. Um sich abzulenken beginnt sie die anfallenden Arbeiten in und um die Hütte zu erledigen und verbringt ihre erste einsame Nacht in der Hütte. Am nächsten Tag ist noch immer keine Hilfe eingetroffen, doch sie hofft weiter.
 
Trotzdem beginnt sie langsam nach und nach sich nach ihren Wünschen einzurichten und für die Kuh eine Art Stall zu bereiten. Nach mehreren Tagen dämmert ihr es, dass niemand kommen wird, doch sie hofft weiter. Ihr Herz weiß natürlich schon längst, dass es vergebens ist und nach und nach entwickelt sie eine tägliche Routine um sich und die Tiere am Leben zu erhalten. Durch den etwas paranoiden Mann ihrer Cousine finden sich in der Hütte viele überlebenswichtige Gegenstände und so hat sie auch Streichhölzer, ein Gewehr und einen Spirituskocher zur Verfügung. Es könnte ein einfaches, unkompliziertes, wenn auch mühevolles Leben für sie sein, wären da nicht ihre Gedanken und Gefühle aus ihrem alten Leben, die sich mit aller Macht zu unterdrücken versucht.
 
Es wird recht schnell klar, dass diese Frau bis jetzt noch kein Glück in ihrem Leben gefunden hat. Man erfährt nicht viel über sie, doch sie hatte zwei Kinder, die ihr anscheinend den Rücken zukehren und sie nicht mehr als Mutter brauchen und einen Ehemann, mit dem anscheinend nichts so gelaufen ist, wie sie es sich erhofft hatte. Sie wirkt abgestumpft und nach einem freudlosen, eintönigem Leben auch nicht in der Lage wieder glücklich zu sein.
 
Anfangs ist es natürlich anstrengend und mühevoll all die unbekannten Arbeiten zu erledigen, doch sie wirkt intelligent und zielstrebig. Nur ihre Depressionen und ihre Verzweiflung machen ihr das Leben oft zur Hölle. Mit Arbeit und liebevollem Kümmern um die Tiere unterdrückt sie diese Anfälle, doch sie kommen immer wieder zurück. Oft überwältigen sie ihre Gefühle, die jedoch erstaunlich selten etwas mit ihrer Lage zu tun haben. Sie ist unglücklich über ihr altes Leben und unzufrieden mit sich selbst. Es gibt auch Phasen der dumpfen Resignation und manchmal Ausbrüche von Euphorie, die sie jedoch auch lieber zurückhält, um nicht noch tiefer zu fallen. Auch Ängste quälen sie und oft kann sie nicht einschlafen, trotz der ermüdenden Arbeit des Tages.
 
Bald erkennt sie, dass sie völlig von den Tieren abhängig ist. Die Kuh gibt Milch und Luchs und eine Katze, die ihr zuläuft, sind die einzigen Lebewesen mit denen sie sprechen kann und die ihr Zuneigung schenken. Luchs ist ein äußert feinfühliger, fröhlicher Hund und begleitet sie überall hin. Er spendet ihr Trost und ist ein guter Gesprächspartner, außerdem rüttelt er sich auf, wenn sie am Rande der Verzweiflung ist. Er ist ihre Stimme der Vernunft, er sagt ihr, wann genug der Trauer ist und wann sie sich ausruhen sollte.
Das gesamte Buch ist ein kapitelloser, chronologischer Bericht dieser Frau. Er ist durchzogen von ausführlichen Beschreibungen der Dinge, die den Alltag der Protagonistin bestimmen. Sehr detailliert berichtet sie über die Landschaft und die Natur, die sie umgibt, über die Veränderungen durch die Jahreszeiten und das Wetter, über das Verhalten der Tiere, die sie sosehr ins Herz geschlossen hat und über ihre persönliche Hölle, die immer wieder hochkocht und sie an den Abgrund der Verzweiflung treibt.
 
Das Leben scheint sehr hart zu sein, doch sie hat sich scheinbar schnell damit abgefunden. Sie wirkt wie eine kluge, anpassungsfähige Frau, die aber unter ihrer seelischen Schwäche leidet und oft verzweifelt ist. Sie versucht, alles zu schaffen und so gut wie möglich für sich und die Tiere zu sorgen, doch oft verfällt sie in Depressionen, die nicht unbedingt mit ihrer Lage zu tun haben. Durch den fehlenden Kontakt zu Menschen beginnt sie oft unfreiwillig über ihr bisheriges Leben nachzugrübeln und bringt sich so in viel größere Schwierigkeiten, als ihre Situation eigentlich machen müsste.
Der Bericht ist analog zu diesen Gefühlsschwankungen der Protagonistin geschrieben: Teils lange sachliche, chronologische Beschreibungen; teils aber auch Aufzeichnungen ihrer Ängste und Sorgen, ihrer verzweifelten Phasen. Oft schreibt sie auch vergleichend über ihren Zustand, in dem sie den Bericht gerade verfasst gegenüber den schon vergangenen Jahren in der Hütte.
 
Sie blickt mit der Hoffnung zurück, dass es von nun an besser würde, da sie zwei Jahre lang viele schmerzliche Erfahrungen machen musste. Sie wirkt abgestumpft, aber noch nicht hoffnungslos, und schreibt sich objektiv ihre Vergangenheit von der Seele. Immer wieder erwähnt sie, dass sie nur schreibe um nicht wieder grübeln zu müssen und dass ihr klar ist, dass nie eine Menschenseele diesen Bericht lesen wird.
 
Hin- und hergerissen zwischen den praktischen Problemen, die sie Tag für Tag bewältigen muss und ihren seelischen Abstürzen lebt sie ein vollkommen unverfälschtes, klares Leben, dass nicht durch Termindruck, zwischenmenschliche Reibereien und Geldsorgen verzerrt wird, lernt sich unsere Heldin immer besser kennen, hat Zeit in sich hineinzuhorchen und erkennt Dinge, die sie in ihrem alten Leben falsch gemacht und nicht gesehen hat. Sie unternimmt außerdem erstaunlich wenige Versuche die Wand zu überwinden, relativ schnell findet sie sich mit ihrer Situation ab und resigniert. Vielleicht ist es gar nicht ihr Wunsch, auszubrechen, vielleicht ist ein Leben voller Höhen und Tiefen angenehmer als ein graues, eintöniges Leben, bei dem die Trauer nie herausbrechen kann und im Hintergrund bleibt.
 
Obwohl die gesamte Geschichte nur eine Art Jahresübersicht ist, in der zwei Jahre aus dem Leben einer Frau beschrieben werden, in dem es nichts anderes zu tun gibt als sich und ein paar Tiere am Leben zu erhalten, ist die Geschichte doch tief berührend und lädt zum weiterlesen ein. Man möchte mehr erfahren über eine Frau in einer Situation, die man sich selbst nie vorstellen könnte, über ein Leben von augenscheinlich unglaublicher Einfachheit, das sich aber als hartes und hochkomplexes Gefühls- und Gedankenchaos herausstellt.
 
Man möchte mehr über das ganz auf sich gestellte Leben in den Bergen wissen, möchte sehen durch welche Motivation die Frau durchhält. Übermüdung, Anstrengung und Verzweiflung wechseln sich mit wunderschönen Beschreibungen der Natur, ihrer geliebten Tiere und ihren täglichen Aufgaben ab und lassen einen fühlen, wie es sein muss, der einzige Mensch auf der Welt zu sein.
 
Die Atmosphäre ist beklemmend, da es keine spannende Handlung oder komplexe Zusammenhänge gibt, auf die man die Konzentration lenken könnte. Nur eine Frau, allein mit ihren bösen Geistern, die genauso wie der Leser keine Antworten kennt. Man ist mit ihr traurig, verzweifelt und hilflos beim Lesen, und erlebt die Geschichte aus den Augen einer Person die mit den beschriebenen Gefühlszuständen tatsächlich auch den Bericht schrieb.
Erfreuliche Ereignisse gibt es kaum, nur Erfolge in ihren täglichen Mühen, genug Holz und Nahrung zu beschaffen und gesund zu bleiben.
 
Überschattet wird alles von den Verlusten die die Frau erleiden muss, obwohl sie fast allein ist. Ihre Katze gebärt ein Kätzchen, das sie sehr lieb gewinnt, doch eines Tages schleppt es sich halbtot in die Hütte und stirbt vor ihren Augen. Mit dem nächsten Wurf der Katze kommt erneut ein geliebtes Tier auf die Welt, das jedoch später im Buch spurlos verschwindet und nie wiederkommt. Nur die Geburt eines Kalbes schenkt ihr wieder Hoffnung und lässt sie nicht so mutlos in die Zukunft sehen.
 
Um das Überleben und die Milchversorgung ihrer Kuh zu sichern, übersiedelt sie mit Luchs, der Kuh, dem Kalb und den Katzen auf die Höher gelegene Alm, da es dort eine Weide gibt. Der Umzug gestaltet sich sehr mühevoll und gleich nach der Freude es geschafft zu haben, verfällt die Protagonistin wieder in eine stumpfe Melancholie, die sie tagelang belastet. Doch das Leben muss weitergehen und so rafft sie sich immer wieder auf. Einen Spannungsbogen gibt es nicht, der Bericht ist vollkommen realistisch und ziellos geschrieben, einfach nur eine Chronik. Die vollkommene Abhängigkeit von den Tieren und der Natur ist der einzige Spannungsfaktor, von ihnen hängt ihr Überleben ab und alles was sie tut dient dazu, nicht zu sterben.
 
Nach einem zweiten harten Sommer auf der Alm kommt es zum Ereignis, das die Frau veranlasste diesen Bericht zu verfassen: Nach einem Ausflug zu der Jagdhütte im Tal sieht sie von der Ferne plötzlich einen Mann auf der Almwiese stehen. Luchs ist außer sich und rennt auf ihn zu. Beim Näherkommen sieht sie, dass er das Kalb mit einem Beil erschlagen hat, es liegt in einer Blutlache vor ihm. Sie rennt in die Almhütte und reißt ihr Gewehr von der Wand, doch in diesem Moment erschlägt der Mann auch Luchs. Sie erschießt ihn sofort und vergräbt voll Trauer ihren letzten Freund. Hier endet die Geschichte. Sie schreibt nun in der Gegenwart und scheint wieder Mut gefasst zu haben.
 
Sie sieht ein, dass das Leben weitergeht, die Kuh ist von ihrem Sohn schwanger und die Protagonistin scheint wieder hoffnungsvoll und ruhig zu sein. Noch viele Aufgaben liegen vor ihr und es gilt herauszufinden, wie der Mann in ihr Territorium gelangt ist…
 
Alles in allem ein faszinierender, aber auch äußerst bedrückender und beklemmender Roman über die Einsamkeit. Das Buch beschreibt den Werdegang einer Frau, die scheinbar der einzige Mensch auf der Welt ist, und trotzdem für ihr Überleben kämpft. Er zeigt, dass man sich in einem Leben ohne Mitmenschen und Zivilisation seinen persönlichen Gedanken und Sorgen stellen muss und trotz des einfachen und unkomplizierten Lebensstils viel leiden muss. Es ist auch ein Roman über das Glück, über die Frage ob es überhaupt existiert oder es im Leben nur darum geht, nicht unglücklich zu sein.

Wurde dir weitergeholfen? Hilf anderen Schülern!

Referate hochladen