1. Vorstellen des Autors
Mirjam Pressler wurde 1940 als uneheliches Kind in Darmstadt geboren.
Sie wuchs bei Pflegeeltern auf , die zur sozialen Unterschicht zählten und alt genug waren , um ihre Großeltern zu sein.
Nach dem Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin und an der Akademie für Bildende Künste in Frankfurt/Main übte Mirjam Pressler verschiedene berufliche Tätigkeiten in München aus.
Später lebte Mirjam Pressler längere Zeit in Israel , wo sie in einem Kibbuz (landwirtschaftl. Kollektivsiedlung) arbeitete.
Ende der 70er Jahre begann sie Texte für Kinder und Jugendliche zu schreiben.
Nach der Rückkehr in die Bundesrepublik heiratete sie und bekam 3 Töchter.
Ihre ersten Bücher schrieb sie nachts , neben Beruf , Familie und Haushalt.
Als sie sich von ihrem Mann trennte , arbeitete sie acht Jahre in ihrem eigenen Jeansladen.
Mirjam Pressler lebt als freie Autorin und Übersetzerin in München.
Im Vordergrund ihrer Bücher stehen die Probleme von Kindern und Jugendlichen , wobei viele ihrer Veröffentlichungen stark durch literarische Aufarbeitung eigener Kindheitserfahrungen geprägt sind. So sagt Mirjam Pressler beispielsweise : „Als Autorin lebe ich von meinen Erfahrungen , meiner Biographie. Wie ich schreibe , muss stimmen , muss meiner Realität , meiner sozialen Wirklichkeit entsprechen.“
Erstmals in Erscheinung trat sie mit dem Roman „Bitterschokolade“ , für den sie 1980 mit dem Oldenburger Jugendbuchpreis ausgezeichnet wurde.
Dies nahm sie zum Anlass weitere Bücher zu schreiben. So erschienen in schneller Folge mehrere Romane und Erzählungen für Kinder und Jugend-liche. Zu ihren ersten Werken sind „Stolperschritte“ (Zuercher Kinderbuch-preis „La vache qui lit“) , „Goethe in der Kiste“ und auch „Novemberkatzen“ zu zählen.
Unermüdlich übersetzte Mirjam Pressler mehr als 100 Bücher aus dem Niederländischen und Hebräischen , beispielsweise Jugendbücher von Autoren wie Anton Quintana , Uri Orlev und Amoz Oz.
Desweiteren übersetzte sie „Das Tagebuch der Anne Frank“ , für deren Andenken sie sich sehr stark einsetzt. So ergänzte und vertiefte sie das berühmte Tagebuch , in der von ihr geschriebenen Lebensgeschichte
„Ich sehne mich so“.
1994 wurde Mirjam Pressler für ihr Übersetzungswerk der Sonderpreis des „Deutschen Jugendliteraturpreises“ verliehen.
Für den Roman „Wenn das Glück kommt , muss man ihm einen Stuhl hinstellen“ erhielt sie 1995 den „Deutschen Jugendliteraturpreis“ und den Zuercher Kinderbuchpreis „La vache qui lit“.
Die Autorin betont , dass ihr „neben der Parteilichkeit für Kinder und Jugendliche , das Eintreten für die Rechte der Frauen und der Kampf gegen Faschismus“ („Werkstattbuch“ 1994) wichtig sind.
Mirjam Pressler hat die deutschsprachige Kinder- und Jugendliteratur mit ungemein lebensnahen und gehaltvollen Texten bereichert und sich große Verdienste um den literarischen Dialog zwischen Deutschland , den Nieder-landen und Israel erworben , der auch ein Beitrag zur Völkerverständigung ist.
2. Inhalt
Hauptperson des Romans „Novemberkatzen“ ist die neunjährige Ilse , jüngstes Mitglied der Familie Lautenschläger .
Gemeinsam mit ihrer arbeitslosen Mutter und ihren zwei älteren Brüdern wohnt sie im Gemeindehaus , einem Haus für die Ärmsten. Ihr Vater hat die Familie schon vor Jahren verlassen. Ihre Schwester wächst bei den Grosseltern im selben Dorf auf.
Ilse ist die Kleinste und Schwächste: Prügel von der Mutter und dem ältesten Bruder sind an der Tagesordnung. Als die Mutter wieder arbeiten geht , muss Ilse , die gerade erst eine schwere Krankheit hinter sich brachte , den Haushalt ganz allein bewältigen.
In der Schule wird sie „Ilse Bilse , keiner willse“ – von den Mitschülern ver-höhnt , von Lehrern für dumm abgestempelt.
Da Ilse keine Freunde hat , ist sie auch sonst allein. Nur zu einem Jungen , der seit einem Unfall gelähmt ist und das Bett nicht verlassen kann , hat sie Kontakt. Schliesslich wird die Mutter auch noch schwanger.
3. Thematik
Die Problemstellung des Buches ist die Isolation von Ilse und das Aufwachsen in beengten und schwierigen sozialen Verhältnissen.
Ilse leidet stark unter der Abwesenheit des Vaters. Ängste und Aggressionen sind Dinge , die sie selbst erfährt und nur schwer einordnen und verarbeiten kann. Sie flüchtet in Träume und Phantasien. Sich selbst zu überwinden , über Probleme zu sprechen , sie damit offen zu legen und somit eine Möglichkeit zu haben diese zu lösen , ist eine weitere Problemstellung des Buches.
Ilses mühevoller Weg , Schritt für Schritt sich einen Platz in dieser Welt zu erobern , ist Thematik dieses Romans.
Ilse versucht in Kontakt mit anderen Kindern zu treten , doch entweder scheitert dies an ihrer Unsicherheit , ihrer Unerfahrenheit oder an ihrer fehlenden Lockerheit. Sie denkt von sich selbst , dass sie nicht herzhaft , befreit und voller Freude lachen könnte.
Sie ist hilfsbereit und willens auch schwierige und unangemessene Arbeiten zu erledigen. Am liebsten ist sie dort, wo sie sich nützlich machen kann und wo sie sich wohlfühlt , z.B. bei einer Bäuerin im Dorf oder bei der Oma.
Höhepunkte des Romans sind zweifelsohne , die sich anbahnende Freund-schaft zu dem gelähmten Jungen , der Besitz einer eigenen Katze , die sie bei der Oma unterbringt und der Besuch beim Vater. Dieser Besuch weckt in ihrer Phantasie Vorstellungen von Liebe , Wärme und Zuneigung und natürlich von tollen Geschenken. Doch an Heiligabend kehrt sie ernüchtert wieder heim: Ihre Hoffnungen und Träume erfüllten sich wie immer nicht im Geringsten.
Als letzter Höhepunkt des Buches ist das Ende des Jahres , der Jahreswechsel anzusehen. Mit dem Resumee: „Nächstes Jahr ist wieder ein Jahr. Ein Jahr und noch ein Jahr."
Und dieses Zitat belegt die Quintessenz des Buches : Hoffnung kann und sollte man in jeder Situation des Lebens haben. Auch wenn das Schicksal dich noch so hart trifft. Glaub an dich! Sorge dich nicht! Lebe!
4. Beurteilung des Buches
4.1. Altersgemäßheit
Der Roman ist für Leser ab etwa 12 Jahren geeignet. Jüngeren Lesern würde ich dieses Buch nicht unkommentiert , ohne Vorbereitung und späterer Auseinandersetzung mit einzelnen Situationen ( Mißbrauch , Prügel , Alkoholexzesse etc. ) in die Hände geben.
4.2. Zielsetzung
Mit diesem Buch würde ich erreichen wollen , dass das Kind sich Möglich-keiten und Ideen zur Problembewältigung überlegt und somit Handlungs-alternativen anzubieten , die das Selbstbewußtsein und die Selbstbestimmung des Kindes maßgeblich positiv beeinflussen könnten.
Das Kind wird im sich entwickelnden Realitätssinn verstärkt , es erfährt Lebenswelten , die heute noch aktuell sind. Somit ist auch ein Entwickeln des Sozialverhaltens bzw. der Toleranz und Rücksichtsnahme Schwächeren gegenüber möglich.
4.3. Angemessenheit der Thematik
Das Thema ist mit Sicherheit von Kindern/Jugendlichen zu bewältigen , vielmehr ist es eine Auseinandersetzung mit unangenehmen Themen , der Kindheit und somit ein guter und hochwertiger Gegenpol zur Masse , der in größeren Mengen konsumierten Comic-, Phantasy-, Science-Fiction- und ähnlichen Sparten.
Die Bewältigung der Problemstellungen liegt , je nach Alter und Entwicklung der Kinder , auf dem Aushalten und Miterleben der schwierigen Lebenssitua-tionen des Mädchens und hier liegt für jedes Kind die Aufgabe.
Danach könnte für jedes Kind das Bewältigen der Probleme in Gedanken stattfinden.
4.4. Identifikationsmöglichkeiten
Identifikationsmöglichkeiten für den Leser gibt es zur Genüge : Auseinandersetzungen mit den Eltern , Konkurrenzkämpfe mit den Geschwistern oder auch das Sich-Nicht-Verstanden-Fühlen von allem und jedem hat sicherlich jeder in seiner Kindheit erlebt. Diese Punkte sind gute Möglichkeiten sich in der Person des Mädchens wiederzufinden.
4.5. Unterhaltungswert
Das Buch ist eher ein ruhiges und leises Buch , das Interesse am Leben der benachteiligten Ilse wecken will und somit schon eine gewisse Spannung erleben lässt. Doch dies ist sicherlich keine Spannung im herkömmlichen Sinne , vielmehr ist es die spürbare Spannung Ilses , die den Leser dazu veranlasst weiterzulesen. Wie geht ihr Leben weiter ? Wann lehnt sie sich endlich gegen soviel Ungerechtigkeit auf ? Wann zeigt sie allen , was sie alles kann ? Hat sie irgendwann nochmal richtig Glück ? Darf sie ihre Katze behalten ? Kann sie in dem gelähmten Jungen , falls sich sein Zustand je ändern sollte , einen guten Freund finden ?
Und so weiter und so weiter.
4.6. Äußere Buchgestaltung
Zur äußeren Buchgestaltung ist zu sagen , dass sie auffällig unauffällig ist.
Keine verschnörkelte Illustration des Titelbildes , sondern nur Titel , Autor , Verlag und ein Bild , das als Ilse darstellen könnte.
Die Schriftart ist herkömmlich , der Umfang des Buches ( 201 Seiten ) ist für dieses Alter angemessen , ebenso wie die Schriftgröße.
Das Buch enthält 23 Kapitel , die sehr gut eine Situation abschließen und sogleich sehr gut die bevorstehende Situation darstellt.
5. Sprache
Die Autorin verwendet eine prägnante und direkte Sprache , die dem Leser die Möglichkeit gibt sich in die soziale Schicht und die Umgangssprache der Cha-raktere hineinversetzen zu können (Seite 9 „Ilse nickt , schnieft , wischt sich mit dem Handrücken die Rotzglocke weg …“).
Die Sprache der Charaktere ist auf Sachliches konzentriert , Gefühle bzw. Gefühlsregungen werden höchstens in Taten , Handlungen oder Gedanken ansatzweise aufgezeigt (Seite 46 „Der Thomas ist nicht da , seine Schwester ist heute nacht gestorben.“ – Seite 47 „Aber Helmut will heute nicht mit ihr reden. <Lass mich> sagt er. <Ich will allein sein.> Ilse sieht , dass er geweint hat. <Ist das wegen Ute?> fragt sie.“)
Monologe oder zumindest die Darstellung der Gedankenwelt findet sich auch häufig. So zum Beispiel auf Seite 46 , wo es folgendermaßen heißt : „Ob ihre Mutter jetzt weint? denkt Ilse. Natürlich auch der Thomas wird weinen …“. Diese Belege sollen auf der einen Seite den Umgang miteinander , aber auch die im Buch vorherrschende fehlende Kommunikation darstellen.
Die Erzählperspektive ist auktorial , der Autor ist allwissend und tritt teilweise bewertend auf.
Die Zeitabfolge ist chronologisch , wobei auch in die Vergangenheit geschaut wird , dann allerdings werden Gedanken , zurückliegende Ereignisse aufgezeigt.
6. Eigenes abschließendes Urteil
Der Roman „Novemberkatzen“ von Mirjam Pressler ist meiner Meinung nach
trotz der Anhäufung von Elend , eine leise einfühlsame Geschichte.
Mirjam Pressler schafft es , dass der Leser sich sehr gut mit Ilse identifizieren kann und somit Stellung gegen Ungerechtigkeit , Vorurteile und dergleichen beziehen kann. Man ergreift Partei für das ungerecht behandelte Kind und wird somit hellhörig auf derlei Taten.
Aus Gesprächen mit anderen Lesern konnte ich erkennen , die selbst gerade 12 Jahre alt waren , als sie das Buch lasen , dass das Buch weniger abschreckt und erschüttert sondern hilft , andere benachteiligte Kinder zu verstehen und sich nicht als etwas Besseres zu sehen.
Ich fand das Buch sehr interessant , da es kein gewöhnliches Buch ist. Es beschreibt realistisch die Lebens- , Gefühls- und Gedankenwelt eines jungen Mädchens , das versucht das Beste aus ihrem Leben zu machen. Wie wir alle.
Doch hat sie denkbar schlechtere Voraussetzungen als andere.
Man entwickelt während der Geschichte ein sicheres Gespür für das seelische Befinden und die realen Probleme mit denen sich Ilse tagtäglich auseinander-etzen muss.
Mirjam Pressler beschreibt das Leben dieses Mädchens mit einer äußerst intensiven , schnörkellosen Klarheit und Offenheit , der auch erwachsene Leser „verfallen“ können , so wie ich das tat.
7. Literaturverzeichnis
Als Literaturverzeichnis diente mir die Internetseite www.goethe.de auf der eine Kurzbiographie Mirjam Presslers und eine Kurzzusammenfassung des Romans „Novemberkatzen“ zu finden war.