BIOGRAPHIE:
8.9.1831 Wilhelm Raabe wird als Sohn von Auguste Johanne Friederike Jeep und des Justizammannes Gustav Karl Maximilian Raabe geboren. Er erlebt eine unbeschwerte Jugend und schon früh zeigt er eine grosse zeichnerische und schriftstellerische Begabung. Raabe macht verschiedene Phasen durch, mal ist er voll ehrgeizigem Lernwillen, mal prügelt er sich und lässt sich prügeln, mal bleibt er viel zuhause bei seiner Mutter.
Mit 14 Jahren verliert er seinen Vater, Umzug nach Wolfenbüttel, wo er bis 1849 das Gymnasium besucht, jedoch das Abitur nicht besteht. Er versucht später noch einmal zu wiederholen, was ihm aber misslingt. Er beginnt mit 18 eine Lehre als Buchverkäufer in Magdeburg, bringt aber auch diese nicht zu Ende. Er entwickelt dort aber einen ungeheuren Lesehunger, der ihn schriftstellerisch weiter bringt (Sue, Horaz). Später stellt Raabe sein Scheitern als Glücksfall dar, er sagte von sich selbst
„Wie mich darnach unseres Herrgotts Kanzlei, die brave Stadt Magdeburg, davor bewahrte, ein mittelmässiger Jurist, Schulmeister, Arzt oder gar Pastor zu werden, halte ich für eine Fügung, für welche ich nicht dankbar genug sein kann.“
1854 (23)Raabe ist Gasthörer an der Berliner Universität, um sich noch etwas mehr Ordnung in der Welt Dinge und Angelegenheiten, soweit sie ein so junger Mensch übersehen kann, zu bringen. Er beginnt mit der „Chronik der Sperlingsgasse“, seinem unumstritten besten Jugendwerk. Es wird 2 Jahre später, nach seiner Rückkehr nach Wolfenbüttel, unter dem Pseudonym Jacob Corvinius veröffentlicht, und ist ihm ein Leben lang eine sichere finanzielle Stütze. Durch weitere Publikationen in Form von Fortsetzungsgeschichten in billigen Zeitungen erreichte er bald ein grosses Publikum und machte von sich als Dichter reden.
1859 Unternahm Wilhelm eine Bildungsreise, die ihn eigentlich nach Italien hätte führen sollen. Da aber gerade zwischen Österreich und Frankreich/Sardinien der Krieg ausgebrochen war, wählte er eine andere Route BILD Leipzig, Dresden, Sächsische Schweiz, Prag, Wien, Linz, Alpen, Gmunden, Hallstatt, Salzburg, München, Stuttgart, Heidelberg, Frankfurt, Mainz, Bonn, Köln, Wolfenbüttel. Ziel dieser Reise war, seinen Horizont zu erweitern und andere Schriftsteller zu besuchen, was er auch tat.
1861 (30) Politische Aktivitäten, enthusiastischer Liberalist, Mitbegründer der nationalliberalen „Deutschen Partei“. Da seine Politische Gesinnung aber von der breiten Bevölkerung nicht geteilt wird und diese in Raabes Werken auch zum Vorschein kommt (Rückkehr vom Mondgebirge, Abu Telfan), verliert er immer mehr von seinem Publikum
1862 Umzug nach Stuttgart, Heirat mit Bertha Emilie Wilhelmine Leiste. Durch seine Musikliebende Frau geht Raabe ab und zu mit in die Oper, hat sonst aber für Musik nicht sehr viel übrig.
(1863/68) Mit 32 wird er zum ersten mal Vater, 5 Jahre später zum zweiten Mal. Seine Frau schenkt ihm die Töchter Margarete und Elisabeth
1870 Rückkehr nach Braunschweig, Zeit der Mobilmachung für F – D Krieg. Schriftstellerische Vereinsamung, Politische Desillusionierung, Töchter Klara (72) und Gertrud (76)
ab 1875 Hinwendung zur realistischen Novelle, Publikumserfolg bleibt aus.
Um Jahrhundertwende Erfolgscomeback, 01 wird Raabe zu seinem Jubiläum mit Ehrendoktorwürde verschiedener Universitäten geehrt. Raabe erlebt die Errichtung eines eigenen Denkmals
15.11.1910 Raabe stirbt nach verschiedenen gesundheitlichen Rückschlägen mit 79 Jahren in Braunschweig
PERSON:
Mann voller Gegensätze
Raabes bürgerlich – spiessige Lebensweise steht im krassen Gegensatz zu seiner politisch – gesellschaftlichen Einstellung und literarischen Arbeit (Anteilnahme wecken und dazu aufrufen, eigene Standpunkte zu überdenken).
Sehr verschlossen, nicht mal in seinem Tagebuch steht etwas darüber, was ihn bewegt. Er notiert aber minuziös das Wetter, sein körperliches Befinden und alle Todesfälle in seiner Umgebung (Auseinandersetzung mit dem Tod, der Vergänglichkeit)
Fragwürdigkeit des menschlichen Daseins, Sinn und Zweck des Lebens. Seine Ansicht: In einer chaotischen Welt, die ständig das Leben bedroht, ist es die Aufgabe des Menschen, sich zu behaupten. Könnte ein Grund für seine Verschlossenheit sein: Angst davor,von der bösen Welt verletzt zu werden, wenn er Einblick in sich gewährt. Die Raabes sind ziemlich oft umgezogen, da der Vater häufig verlegt wurde. Wilhelm hatte also, bis er selbständig Haus hielt, keine dauerhaften Freundschaften, er musste alles, was ihm lieb war, immer wieder liegenlassen und gewöhnte sich engere Beziehungen aus Angst vor erneutem Verlust ab – da er also niemand an sich herangelassen hat, konnte er sich niemandem gegenüber öffnen. Eigenbrötler, (Manuskript vernichtet)
War sehr ehrgeizig, er hatte es sich in den Kopf gesetzt, seine Familie nur durch seine schriftstellerische Tätigkeit zu ernähren Er erreichte dieses Ziel, wenn es auch manchmal knapp wurde, anders als Zeitgenossen wie Keller oder Fontane.
Sehr selbstkritisch, redet von künstlerischer Selbstzucht, die ihn beherrscht und bezeichnet seine frühen Werke als „Jugendquark“. Über seine spätere Schaffensperiode sagt er, das sein Publikum nicht aus Lesern bestand, sondern aus Liebhabern.
MEINUNG ANDERER
Er wird einerseits als der einzige bedeutende deutsche Schriftsteller seiner Zeit gepriesen, andererseits als schwacher Künstler, dem das gewisse Etwas fehlt, abgetan. Auch heisst es, er sei ein grosser Autor des bürgerlichen Realismus gewesen und andere Schriftsteller sind der Meinung, man könne ihn nirgendwo einordnen. Meine Ansicht ist die, dass er zwar dank seinen zeichnerischen Betätigungen das malerisches Auge besitzt, und Stimmungn schaffen kann, dass es einem kalt und warm den Rücken runterläuft, doch sind seine Figuren von meist simplem Charakter, nicht allzu vielschichtig und bei dem einen Werk, das ich gelesen habe, fehlt es meiner Ansicht nach an Tiefe.
DIE NOVELLE:
AUFBAU:
I. AUF DEN WÄLLEN VON FORT LIEFKENHOEK
II. AN BORD DES ANDREA DORIA (italienische Galeere)
III. JAN UND MYGA
IV. DER ÜBERFALL
V. FIEBERTRÄUME
VI. DIE SCHWARZE GALEERE
HISTORISCHES:
Zur Geschichte des "Niederländischen Revolutionskrieges":
1567 schickt Philipp II. Von Spanien den Herzog Alba zur Bekämpfung der Ketzerei in die Niederlande. Die Niederländer, die Geusen (=Bettler) wehren sich aufs Heftigste.
1585 fällt Antwerpen nach einer 13-monatigen Belagerung in spanische Hände. Der Krieg dauert 42 Jahre (!) und endet mit der Anerkennung der Unabhängigkeit der Niederlande seitens der Spanier im Jahre 1609
I. AUF DEN WÄLLEN VON FORT LIEFKENHOEK
November 1599, vor Antwerpen, der Krieg dauert schon über dreissig Jahre und ein Ende ist nicht abzusehen, weil die Niederländer erbitterten Widerstand leisten. Die spanische Besatzung des Forts Liefkenhoek wird Zeuge eines weiteren Seegefechtes, es wird vermutet, dass Die Spanische Floote ein weiteres Schiff verloren hat. Der kriegsmüde spanische Hauptmann Jeronimo erzählt die Geschichte seines Aufstiegs zum Oberst und seines tragischen Falles zum gemeinen Soldaten.
II. AN BORD DES ANDREA DORIA (italienische Galeere)
Der Morgen des nächsten Tages schwemmt die Trümmer des spanischen Schiffes Immacolata Concezione an und bestätigt somit den Verdacht der letzten Nacht. Die Nachricht, dass die Schwarze Galeere einen Weiteren Sieg errungen hat, löst einerseits bittere Wut und andererseits heimliche Freude in der besetzten Stadt aus. Der Kapitän der italienischen Galeere Andrea Doria und sein Leutnant, Antonio Valani und Leone della Rota, besprechen die Lage und erhalten von ihrem Admiral Spinola den Auftrag, im Hafen die Stellung zu halten, während die anderen Schiffe sich auf die Jagd nach der S.G. machen. Der Kapitän Valani hat Liebeskummer, er hat sich in eine Flämin verliebt und sein Leutnant versucht, ihn aufzuheitern und schleppt ihn mit in ein Wirtshaus.
III. JAN UND MYGA
In der Stadt Antwerpen wohnt die schöne Myga van Bergen in ihrem Zimmerchen. Vor zwei Wochen ist ihr Vater verstorben, der einst ein reicher Handelsherr war und zusammen mit dem Kompagnon Johann Geerdes Norris die Firma van Bergen und Norris leitete. Als aber 1585 Antwerpen katholisch wurde, verließ Norris die Stadt, und van Bergen konnte den Verfall der Firma nicht aufhalten. Norris war nicht der einzige, der flüchtete, und als die Einwohnerzahl von 200’000 auf 80'000 schrumpfte und die Heere vor der Stadt die Felder verwüsteten indem sie ihre Lager darauf aufschlugen, war das Haus van Bergen und Norris verloren. Jan Norris, ihr Verlobter, ist unterdessen zweiter Steuermann auf der S.G. Er hat seine Myga niemals vergessen, und kommt sie unter höchster Gefahr von Zeit zu Zeit besuchen. Dies ist auch an diesem Abend wieder der Fall. Jan war gerade daran, in spanischer Uniform den Andrea Doria auszuspionieren, als er in einem Wirtshaus den Kapitän und Leutnant belauschen konnte und hörte, dass die beiden seine Myga in der nächsten Nacht entführen wollen. Er wurde aber vom überlebenden Schiffsjungen der letzten Nacht erkannt und konnte sich nur knapp vor den Spaniern in Mygas Kämmerchen retten. Ganz Antwerpen ist nun in einem grossen Aufruhr, alle sind hinter dem Geusen her.
IV. DER ÜBERFALL
Mehr aus Übermut als geplant, beschliesst der Leutnant, bei Myga eine Haussuchung zu machen, da sie ohnehin schon in iherr Nähe sind. Valani ist zwar eigentlich dagegen, lässt sich aber wie üblich mitreissen. Zu aller grosser Erstaunen stehen sich plötzlich die beiden Spanier und der Geuse mit Myga gegenüber. Jan zieht seine Waffe und verletzt den Kapitän tödlich, bevor er überwältigt und mit Myga auf den Andrea Doria gebracht wird. Die ohnmächtige Myga wird in die Kapitänskajüte gebracht und Jan an den Hauptmast gefesselt. Er befreit sich aber auf unerklärliche Weise und verschwindet spurlos. Leone della Rota sieht sich schon als Erbe Valanis, das heisst als Kapitän des Andrea Doria und als Besitzer der Myga.
V. FIEBERTRÄUME
In der Nacht wälzt sich der sterbende Valani im Wundfieber in seinem Bett. Della Rota, der Situation nicht ganz gewachsen, betrinkt sich und macht der verzweifelten Myga den Hof. Er wartet auf den Morgen, um aufs Meer fahren zu können, wo ihm niemand seine Beute streitig machen kann und er dem Kapitän nach Seefahrer Art die letzte Ehre erweisen will.
VI. DIE SCHWARZE GALEERE
Einige Stunden später schiebt sich die S.G. in der vollkommenen Dunkelheit an Fort Liefkenhoek und den anderen spanischen Festungen stromaufwärts. Im Hafen von Antwerpen wird der A.D. gekapert, während Jan die schöne Myga rettet und della Rota ersticht. Es werden noch andere Schiffe gekapert, und im Kreuzfeuer der Spanischen Festungen schifft die siegreiche Flotte wieder zurück, noch einmal vorbei an dem Fort Liefkenhoek, wo Hautmann Jeronimo tödlich verwundet wird und ein letztes Mal über die Sinnlosigkeit dieses Krieges klagt.
Die Geschichte vom "Bravourstück" der Schwarzen Galeere hat W. Raabe aus Carl Curths "Der niederländische Revolutionskrieg" (1823) entnommen, einer Fortsetzung von Schillers "Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande“.
Auktorialer Erzählstil
Klammer, Symmetrie: Beginn und Ende auf Liefkenhoek, man hört die Geusen, sieht sie aber nicht, dann spricht Jeronimo, bzw. anders rum.
MOTIVE:
Befreiung:
(Raabe war Liberaler, „Libertad“): Vaterland/Antwerpen (politisch); Myga, rätselhafte Selbstbefreiung von Jan Norris.
Befreiung vom Leben: leidender Valani, Vater der Myga (war das einzige, was sie noch festhielt)
Vergänglichkeit:
V. des Lebens: keine Scheu , viele Leute sterben zu lassen, Mygas Vater gerade gestorben (Selbstdarstellung), Jeronimo stirbt, hat fast sein ganzes Leben im Krieg verbracht, der Krieg aber geht noch weiter (Leben ist ein Kampf in einer schlechten Welt); Vergänglichkeit der Macht: Fremdherrschaft der Spanier ist am zerbröckeln
Liebe:
Sie hängt in dieser Erzählung eng mit dem Tod zusammen, Jan riskiert sein Leben aus Liebe zu Myga, Valani und della Rota verlieren es ihretwegen, Jeronimo und unzählige weitere Soldaten geben ihr Leben aus Liebe zum Vaterland oder der Kirche
Begriff: wild: kommt otf vor, Gegenteile wie vernünftig oder zivilisiert kommen nie vor. Wild ist della rotas Verlangen nach Myga, Jan im Kampf, die Menge, die Jan sucht, die Agonie Valanis und der Gesang der Geusen.
Krieg: Zitat, Jeronimos geschichte zu Beginn und am Schluss
Rückkehr des verlorenen Sohnes: Jan Norris kommt zurück zu Myga, sie wusste nicht einmal ob er noch lebte, Jan Norris kommt mit der Galeere zurück, nachdem seine mysteriöse Flucht geglückt ist (Selbstdarstellung, er sah sich selbst als verlorenen Sohn, als er von seiner Zeit in Berlin erfolglos zurückkehrte)
Raabe und Kirche:
Glaube hat Grenzen, er lässt die „Immacolata Concezione“ versinken, die Katholiken werden als hämisch und Schadenfreudig dargestellt
Raabe im Stück:
in Myga, die den Vater verliert und bald darauf umzieht; in Jan, dem Befreier (Liberal), der immer wieder in seine Heimat zurückkehrt; in Jeronimo, der sich gegen den Krieg äussert und sich Gedanken über den Sinn des Lebens macht; in Antonio Valani, dem verschlossenen Kapitän, der sich schon als junger Mann mit dem Tode auseinandersetzt.
8. 9. 1931 Wilhelm Raabe kommt als Sohn von Auguste J. F. Jeep und des Justizammannes Gustav K. M. Raabe in Eschershausen bei Braunschweig zur Welt
1845 Tod des Vaters, Umzug nach Wolfenbüttel, Besuch des örtlichen Gymnasiums, kein Abitur
1849 Wilhelm beginnt eine Buchhändlerlehre in Magdeburg, die er aber abbricht
1854 Als Gasthörer geht er an die Universität in Berlin
1856 Rückkehr nach Wolfenbüttel, erstes Werk, die „Chronik der Sperlingsgasse“, erscheint
1859 Bildungsreise durch Deutschland und Österreich
1861 Publikation der „Schwarzen Galeere“
1862 Heirat mit Bertha E. W. Leiste, Umzug nach Stuttgart. Geburt der Töchter Margarete und Elisabeth
1870 Wieder in Braunschweig Geburt der Töchter Klara und Gertrud, Schriftstellerische Vereinsamung
1901 Raabe wird wiederentdeckt, Ehrungen und Ehrendoktorwürden werden ihm zuteil
15.11.1910 Wilhelm Raabe stirbt in Braunschweig
Kurzer Handlungsablauf:
In der von den Spaniern besetzte Stadt Antwerpen lebt Myga van Bergen, die Verlobte des Geusen Jan Norris. Als die Schwarze Galeere ein weiteres spanisches Schiff versenkt, lässt der Admiral in Antwerpen alle Anker lichten, nur der Andrea Doria bleibt im Hafen. Der Kapitän dieses Schiffes verliebt sich in Myga und will sie entführen, was Jan zu vereiteln versucht. Er wird dabei zwar gefangen, kann aber fliehen und kehrt in der Nacht mit der Schwarzen Galeere zurück, um Myga zu befreien, was ihm auch gelingt.
Textauszug:
„Es gab eine junge Generation, die sich schon deshalb nicht nach Frieden sehnte, weil sie ihn nicht kannte. Und war der Krieg schrecklich auf dem festen Lande, so war er noch viel fürchterlicher auf dem Meere. Auf dem Lande konnten immer noch Gefangene ausgewechselt oder losgekauft werden – Städte, Flecken und Dörfer konnten Brand und Plünderung abkaufen; auf der See gab es aber schon längst weder Pardon noch Ranzion. Für Barmherzigkeit wurde es geachtet, wenn man die gegenseitigen Gefangenen kurzweg niederstiess oder sie an den Rahen aufhing und sie nicht langsam auf die grausamste Art zu Tode marterte, sie nicht auf dem Verdeck kreuzigte und mit dem genommenen Schiffe versenkte.“
Ranzion: Loskauf von Kriegsgefangenen