Die Kurzgeschichte „Das Brot“ von Wolfgang Borchert geschrieben 1946, also in der Nachkriegszeit, geschrieben handelt von einer Frau, die ihren Mann beim Essen von rationiertem Brot überrascht. Beide verdrängen das Geschehene jedoch. Am nächsten Tag verzichtet die Frau auf einen Teil ihrer Ration und gibt es ihrem Mann.
Die Kurzgeschichte fängt damit an, daß die Frau nachts aufwacht, weil sie in der Küche ein Geräusch hört. In der Küche trifft sie auf ihren Mann und sofort fällt ihr der Brotteller mit den verdächtigen Krümeln auf. Doch die Frau verdrängt anscheinend die offensichtliche Tatsache, daß der Mann das rationierte Brot gegessen hat.
Im Text wird das in Zeile 18 deutlich. Dort steht: „Und sie sah von dem Teller weg.“
Kurz darauf betrachten sich die Beiden genauer und erkennen, wie alt der Partner schon aussieht. Dies läßt vermuten, daß die Beziehung zwischen den Beiden nicht mehr besonders eng ist, sonst würden sie dies schon früher erkannt haben.
Der Mann sagt dann, daß er etwas gehört hätte und deshalb in der Küche sei. Die Frau merkt, daß ihr Mann nicht die Wahrheit sagt. Der Mann wiederholt noch einmal, daß er etwas gehört hätte, aber sieht dabei von einer Ecke in die andere. Er wiederholt seine Lüge, um sie noch zu bekräftigen, doch dabei schämt er sich, wie aus dem unsicheren Hin und Her blicken in die Ecken des Raumes deutlich wird. Die Frau erkennt die mißliche Lage in der ihr Mann steckt, und unterstützt seine Lüge, indem sie ebenfalls lügt und auch sagt, sie hätte etwas gehört. Der Mann versteht diesen Wink mit dem Zaunfall anscheinend nicht und wiederholt immer wieder, daß er etwas gehört hätte. Die Frau reagiert stärker und fordert ihn sehr deutlich auf, wieder ins Bett zu kommen und räumt dabei die Brotkrümel weg.
Als der Mann dann immer noch nicht die Küche verlassen will, denkt die Frau in Zeile 43: „Ich muß das Licht jetzt ausmachen , sonst muß ich nach dem Teller sehen.“
Hier belügt sie nicht nur ihren Mann, hier belügt sie sich sogar selber.
Schließlich geht das Paar wieder in das Schlafzimmer und legt sich ins Bett.
Dabei geht das gegenseitige Anlügen weiter. Schließlich reden sie darüber, daß es kalt ist. Diese Kälte könnte man auf die Beziehung übertragen.
Nachdem die Frau vortäuscht zu schlafen, fängt der Mann an, Brot zu essen. Hier wird auch die Gefühlskälte deutlich, denn es ist ja noch zu verstehen, daß der Mann Hunger hat und deshalb von der Ration ißt, aber seine Frau anzulügen und danach wieder Brot zu essen, ist sehr unverschämt. Dies läßt vermuten, daß dem Mann seine Frau gleichgültig ist.
Am nächsten Tag gibt die Frau einen beträchtlichen Teil ihrer Ration dem Mann.
Dieser realisiert dann, daß die Frau genau weiß was ihn am Abend zuvor zu der Verzweiflungstat gebracht hat … Der Hunger. Und noch wichtiger er erkennt, daß sie seine Lüge durchschaut hat. An dieser wichtigen Stelle steht geschrieben:
„Ich kann dieses Brot nicht so recht vertragen. Iß du man eine. Ich vertrag es nicht so gut.
Sie sah wie er sich tief über den Teller beugte. Er sah nicht auf. In diesem Augenblick tat er ihr Leid.“
Hier wird durch das Herabsinken des Kopfes klar, daß sich der Mann sehr schämt, denn seine Frau muß ihm etwas abgeben. Der Mann fragt unsicher:
„Du kannst doch nicht nur zwei Scheiben essen?“ ,
doch die Frau läßt sich nicht beirren und verzichtet auf einen Teil ihrer Ration. Der Text endet damit, daß die Frau sich nach einiger Zeit auch an den Tisch sitzt.
Wahrscheinlich setzt sie sich erst später an den Tisch weil sie Hunger hat, aber trotzdem gibt sie ihrem Mann etwas ab.
Durch den ganzen Text zieht sich von Szene zu Szene eine gleichbleibend kalte Atmosphäre, die, wie ich bereits schon mal sagte, auch auf die Beziehung zwischen dem Mann und seiner Frau übertragen läßt. An mehreren Stellen sagt die Frau, daß es kalt ist .In Hinblick auf die Zeit, in welcher der Text geschrieben wurde und in der er auch spielt, könnte man diese Kälte auch auf die soziale Situation ganz Deutschlands beziehen. Damals befand man sich in einer traumatischen Situation.
Die Menschen realisierten, daß sie einem Mann unterstützt und zugejubelt hatten, der ganz Deutschland und fast die ganze Welt ins Verderben gestürzt hat. Dieser Konfrontation mit der jahrelang verborgenen Realität konnte man nur mit viel Bestürzung und schließlich mit Scham entgegentreten.
Während der Kurzgeschichte ist auch eine starke Kommunikationsstörung zwischen dem Paar zu erkennen. Diese Störung wird an den Stellen offensichtlich, an denen die Beiden lieber lügen als das Problem zu bereden.
Im Text wird auch noch deutlich, daß die Beiden nicht in der Lage sind, Probleme effektiv zu lösen. Im Text verdrängen sie ihre offensichtlichen Probleme in ihrer Beziehung durch Lügen.
Auch dies könnte man meiner Meinung nach auf das damalige Deutschland und dessen Menschen übertragen, denn Probleme hatte man genug und ich vermute, daß diese Probleme
nicht immer gelöst, sondern auch oft verdrängt wurden.
Zuletzt würde ich aber auch einräumen, daß die Menschen die bittere Not, die damals im zerstörten Deutschland herrschte, mit sehr viel Disziplin stillschweigend ertrugen. Ein sehr gutes Beispiel, ja, geradezu eine Personifikation für diese Disziplin und Aufopferungsbereitschaft sind die sogenannten Trümmerfrauen, die kurz nach Kriegsende mit viel harter Arbeit und Motivation mithalfen, die deutschen Städte wieder aufzubauen.
Meiner Meinung nach wollte Borchert mit diesem Text die gesamte soziale Situation im Nachkriegsdeutschland darstellen. Diese ist nicht sehr positiv, sondern zeigt auch die negativen Seiten, die sich durch die schwere Situation ergaben. Man könnte diese Situation vielleicht als Depression bezeichnen.
Das heißt, nach dem schweren Schock des Krieges gab es im ganzen Land eine sehr traurige Stimmung.